Blackness in der Musik (Ultrablack of Music 11)

Politische Musik ist eine Musik ohne Worte (im doppelten Sinn). Sie orientiert sich nicht an der Welt (sie hat kein Objekt in der Welt, das sie einfängt), noch ist sie eine Frage der Perzeption. Politische Musik indiziert eine Nicht-Welt der puren Auto-Impression. Sie ist radikal schwarz.

Was Laruelle als immanent oder realistisch bezeichnet hat, lässt sich auf das Schwarz folgendermaßen beziehen: Das Licht und der Wechsel von dunkel und hell sind zentral für das klassische Modell der Philosophie. Ein reines Schwarz oder ein reines Hell produziert hingegen eine Krypto- oder eine Nicht-Standard-Utopie, die Laruelle »Uchromia« oder nicht-farbig nennt. (Vgl. Galloway 2014: 145) (Das Black Atlantic von Sun Ra kann nicht erkannt werden, weder als schwarz noch als Musik). Die Ästhetik, die ohne Repräsentation auskommt und schwarz ist, beinhaltet die Superposition von Theorie und Musik und führt zu einer suspendierten oder nicht-kommunikativen Relation.

»Unser Uchromia: Aus der Perspektive des Schwarzen zu denken lernen, das ist es, was die Farbe in der letzten Instanz eher determiniert als limitiert« (zitiert nach Galloway 2014: 146). Die Farbe hat immer eine Position, eine Haltung. Das Spektrum der Farben beinhaltet ein komplexes Feld der Differenzen; die primären Farben behalten dabei ihre determinierenden Positionen, während andere Farben sich als Kontraste gegenseitig komplementieren. Die Stellung der Farbe regiert das Kontinuum des Lichts und der Dunkelheit, insofern die Farbe in eine leuchtende, übersättigte Sichtbarkeit führt oder in der sonnenlosen Finsternis verschwindet. Nur in Bezug auf das Schwarz als kruptos (Kryptogrammaton), das gegenüber dem Sein abgeschlossen ist, lässt sich verstehen, was Laruelle unter dem schwarzen Universum versteht.

Nur durch die Subtraktion vom System des Lichts und dem der Farbe kann man das generisch Reale der Schwarzheit sehen. Galloway verweist an dieser Stelle auf die Verfassung von Haiti aus dem Jahr 1804, in der festgehalten werde, dass, unabhängig von ihrer Hautfarbe alle Bürger schwarz genannt werden. Diese reine Schwarzheit, solch ein Kataklysmos der menschlichen Farbe, setzt die Farbe außer Kraft und verneint die endlose Dynamik des Schwarz als Weiß oder Weiß als Schwarz. Schwarz verweist nicht länger auf den limitierenden Fall, bezieht sich nicht länger auf die Sklaverei, auf die Armen oder den verschuldeten Arbeiter. (Galloway 2015: 145) Schwarz ist die Bedingung für ein neues Uchromia, eine neue Utopie des Farbigen, die auf dem generischen schwarzen Universum basiert. Es geht um eine neue Form der schwarzen Gerechtigkeit, die unilateral durch das Reale, aber niemals durch eine weltliche Realität determiniert wird. Wenn du deine Augen nur ein bisschen öffnest, wirst du weiß sehen, aber wenn du sie ganz öffnest, wirst du schwarz sehen. Wir sind diese Nacht (ebd. 146).

Und was heißt dies für die Musik? Radikale Musik gleicht einer Art von Blackbox; sie ist eine Musikbox der und für die Blackness, und der Theoretiker und Konsument der Musik nehmen selbst einen Platz in der Blackbox ein und tretten nicht von außen an die Box heran. Es gibt eine nicht-musikalische Triangularität zu vermelden: Der (multiple) Produzent, der die Tranversalität des Schwarzen zum Klingen bringt; die schwarze Musikbox als ein unendliches Klingen des Nichtfassbaren/Schwarzen; der Konsument, der Teile aus dem Unendlichen der schwarzen Musikbox heraus hört. Die Unermesslichkeit dieser Triangularität ist wiederum Teil der Grenzenlosigkeit der Musik. In diesem Sinn ist das Schwarz der Musik die Basis für das Ultraschwarz. Produzent und Hörer teilen die Unvollkommenheit, die nur das Schwarz beglaubigen kann. Weder kann der Produzent davon ausgehen, dass seine Aktivität je beendet ist, noch kann der Hörer davon ausgehen, dass er je aufhört, Fragmente aus der Musik herauszureißen. Ultrablackness verweist dann darauf, weiterzumachen, die Suche jenseits des Schwarzen nie aufzugeben, das Ultraschwarze des Schwarzen suchen – während die schwarze Musikbox hyper-spielt und/oder still ist. (vgl. dazu Badiou 2016: 42f.)

Anstatt gemäß den Vorstellungen der Phänomenologie in der Welt zu sein (auch Eshun verbleibt darin, auch wenn es die Welt von Black Atlantic ist), geht es um das Sein-in-Musik. Indem die Musik radikal immanent zu sich selbst prozessiert, wird sie politisch. Als solche ist sie erst fähig, sich im und mit dem Außen zu treffen (nicht zu verbinden).

Heute scheinen jedoch heute alle Fluchtmöglichkeiten verschlossen zu sein. Die Flucht

scheint zumindest trostlos zu sein. Sie muss aber nicht trostlos sein, selbst wenn sie negativ ist, denn sie ist niemals aufregender, als wenn sie sich in den Straßen ausbreitet, wo das Vertrauen in die Erscheinungen und Worte, das Vertrauen in diese Welt in eine mobile Zone der Unwahrnehmbarkeit zerfallen. (Vgl. Culp 2016) In diesen Momenten der Opazität, der Insuffizienz und des Zusammenbruchs bedroht die Dunkelheit am stärksten die Beziehungen, die uns heute noch an diese Welt binden. Was aber beinhaltet die Politik der Flucht, was sind die Taktiken der Unwahrnehmbarkeit und der Opazität, die unabhängig von den Kräften und Relationen des Kapitals erscheinen und nützlich für die Zerstörung dieser Welt sind? Die Zonen der Unwahrnehmbarkeit und der Opazität sind weniger Features der Realität, die in jeder Situation angewandt werden können, sondern sie sind Instrumente, die dazu da sind, diese Welt zu bekämpfen. Gerade in dieser Situation finden wir uns ermächtigt, uns mit den täglichen Rhythmen des Kapitals, die zum Teil auch die seiner Musik sind, und den Apparaten des Staates zu konfrontieren. Die Straße aufzugeben, weil sie der Gnade der Militärs ausgeliefert ist, und sie durch den Club oder den Rave ersetzen zu wollen, wie Eshun das fordert, heißt, den Aufstand zu simulieren, die cyberaktiven Kriegsmaschinen von Underground Resistance oder Public Enemy nur zu genießen, während die logistische Cyberinfrastruktur des Kapitals und ihre Unterbrechung kein Thema ist. Zwar wird die Kommunikation unterbrochen oder derealisiert, wenn sonische Formen die Macht angreifen oder gar die Programmierer deprogrammieren, aber führt nicht gerade gegenseitige Speisung von Sound und Sonic Fiction zu Labelfiktionen, die inzwischen entweder untergegangen sind oder sich heute in den Spielhöllen der Unterhaltúngsindustrie suhlen?

Andrew Culp führt in seinem Buch Dark Deleuze die Konspiration ein, welche von der Negativität angetrieben wird. Die Aufgabe besteht darin, mit Hilfe der Negation »Nein« zu denjenigen zu sagen, die uns erzählen, man habe Welt so hinzunehmen, wie sie ist. Der entscheidende Schritt ist hier die Konstruktion des exklusiven Gegenteils. Underground Resistance sagen irgendwo, Verschwinden sei unsere Zukunft, und nach Eshun sollte damit die Black Power von UR unsichtbar sein, nicht identifizierbar, verborgen, unkenntlich und nicht öffentlich.

Aber auch hier lauern Gefahren: Während das Nervensystem des Menschen durch die elektronische Technologien der Kommunikation im 20. Jahrhundert erweitert wurde, haben wir es in der zeitgenössischen Epoche des Kapitalismus mit einem neuen, verkabelten Nervensystem zu tun, das durch den Spirit der technologischen Innovation als unserem elektronischen Exo-Skelett permanent gereizt wird. Es gibt drei Tendenzen der Software Culture zu vermelden – Unsichtbarkeit, Miniaturisierung und Interface. Wenn die Geschenke des Geistes der neun Technologie auf die Haut der globalen Kultur tätowiert werden, dann wird zugleich das Objekt dieser Geschenke, das menschliche Subjekt, durch stille und weitgehend sichtbare Software Codes immer wieder neu geschrieben, um zu einem zunehmend bedeutungsloseren Part in den Netzwerken der Technokultur zu werden, einem Interface zwischen den Maschinen der Produktion und der Werbung, eine Miniatur bezüglich seiner politischen Macht im Angesicht der Techniken der Überwachung, der Datenbanken, der Automation und der Dissemination.

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