Exkurs über einen Funken

Ende Februar/Anfang März deutete alles darauf hin, dass trotz einiger offensichtlicher Äußerungen der Diskonformität an der Basis und in einigen Gewerkschaftsverbänden die ultraverantwortliche – oder anders gesagt: unverschämt planwirtschaftliche – Tangente, die die Gewerkschaftsführungen in den letzten zwei Monaten bei der Forderung nach Rücknahme der Rentenkonterreform eingeschlagen hatten, zu einer Massenniederlage auf offenem Feld führen könnte. Die Überzeugung war so weit verbreitet, dass selbst einige Gewerkschaftsbonzen angesichts der von Macron gesetzten Fristen und seiner grenzenlosen Sturheit begannen, an der Richtigkeit ihrer Strategie zu zweifeln. Daher der Aufruf des Schafhirten an seine Schafe, “das Land zum Stillstand zu bringen” oder, für die Verehrer der Einheitsführung, es am 7. März – und vielleicht sogar danach – zu “blockieren”. Es gab zwar Streiks, manchmal auch verlängerbare, Blockaden, aber nur teilweise, und verschiedene Konvergenzen – vor allem mit der Jugend -, aber keine wirkliche Begeisterung oder Erfindungsgabe im Kampf. Im Klartext: Diese nicht einheitliche Nicht-Bewegung wurde schließlich zu einer Bewegung, aber nur am äußersten Rand und ohne wirklich mitreißende Wirkung.

Die Entwicklung des Kräfteverhältnisses in Paris ließ sich unterdessen an den Müllbergen ablesen – Ehre den Müllmännern! – die jeden Tag in die Höhe wuchsen, man konnte konstatieren, dass die Bedingungen für einen Flächenbrand im übertragenen wie im wörtlichen Sinne durchaus vorhanden waren. Es fehlte nur der Funke. Wir mussten bis zum letzten parlamentarischen Akt der von Macron bis ins kleinste Detail geplanten Saga warten, um ihn endlich aufblitzen zu sehen, diesen Funken, in Form eines 49.3 des Angsthasens mit vorhersehbaren Folgen: Vermeidung der Lächerlichkeit, von zwei oder drei “Republikanern” abgestochen zu werden, selbst auf die Gefahr hin, die ganze Ebene in Brand zu setzen.

Und so kam es dann auch.

Wir wollen hier nicht auf rein politische Erwägungen rund um den hässlichen Artikel 49.3 eingehen, den jeder Oppositionelle, der diesen Namen verdient, verurteilen muss, bevor er ihn an der Macht maßlos anwendet. Für die jüngeren Generationen sei hier nur daran erinnert, dass einer von ihnen, als er ‘Kaiser Tonton’ wurde, uns bereits den “permanenten Staatsstreich” vor Augen geführt hat, bevor er sich in den trübsten Gewässern der Verfassung der V. Republik – einschließlich des 49.3 – versenkte, um dort seine Gewissensprobleme zu ertränken. Wir wissen das alles, wir sollten es zumindest wissen, aber das ist nicht das Thema. Das Thema ist Macron, der von der gesellschaftlichen Ethik nur eine hässliche Vorstellung hat: alles zu zerstören, was sie gemein macht, und alles zu verachten, was sie begründet. Die ganze Sturheit dieses Mannes rührt daher. Bei ihm heißt es nicht wie bei einem Nachkriegsgeneral: “Ich oder das Chaos”, sondern “Ich und das Chaos”. Permanent, das Chaos, wie der Staatsstreich. Das Wesen dieses Typs besteht darin, Hass zu schüren, indem er die Zerstörung jeglicher sozialer Absicherung so weit wie möglich treibt. Eine exakte Kopie von Thatcher, kurz gesagt, ohne Perücke und Teint. Allerdings müsste man sich das aus der Nähe ansehen…

Es bleibt eine Unbekannte, die man so ausdrücken könnte: Es ist bekannt, dass Ideologie blind machen kann, und außerdem ist Macron ein verrückter Ideologe des “freien und unverfälschten” Wettbewerbs, dieser unsichtbaren Hand des Marktes – die mittlerweile jeder im Logo von Total und im spekulativen Walzer der Etiketten erblickt -, des Selbstunternehmertums, des Laisser-faire/Laisser-aller, der Privatisierung und der allgemeinen Kommerzialisierung der Welt. Ideologischer als er, und du stirbst. Wir wissen das alles, aber was wir kaum verstehen können, ist, durch welche allgemeine Störung des Verständnisses und des wohlverstandenen Interesses ihm niemand bei seinen Förderern des CAC 40 (Leitindex der 40 führenden französischen Aktiengesellschaften, d.Ü.), also in seinem Lager, dem des Kapitals, ins Ohr zu flüstern scheint, dass es immer einen Moment gibt, in dem man aufhören sollte, mit Streichhölzern zu spielen. Um ein Aufflammen zu verhindern. Das war die Karte der Gewerkschaften, die Karte der Rückkehr zur Vernunft. Man muss also glauben und die Lehren daraus ziehen, dass das Kapital in seinem akkumulierenden Wahnsinn wie Macron auf Klassenkrieg und Unterdrückung setzt. Es sei denn, es hat nicht doch wirklich Angst bekommen, was aber bald der Fall sein wird.

Also Feuer… Nicht das Feuer der Mülltonnen – Ehre sei den Müllmännern, die uns so viel Müll zum Verbrennen anbieten! -, sondern das Feuer, das der Wahnsinnige im Élysée-Palast entfacht hat, indem er seiner bornierten Dienstleisterin befohlen hat, die Verantwortung für seine Regierung zu übernehmen. Der Rest ist Sache der Intendanz. Und die Intendanz ist Sache der Abgeordneten. Es scheint festzustehen, dass die Bornierte früher oder später in ihren Gemüsegarten zurückkehren wird. Es sei ihr gegönnt. Ein/e andere/r wird sie ersetzen, mit demselben Ergebnis. Ansonsten ist alles offen und von hier aus werden keine Pläne auf den Kometen geschmiedet. Es bleibt nur die Straße, die Straße in Freude, die Straße ohne Ketten, die Straße in Flammen.

Was diese “Nicht-Bewegung” der vereinigten Masse in der ersten Etappe so irritierend machte, war ihr ritualisierter, gerahmter und disziplinierter Charakter. Ein einziger Rückwärtsgang, kurz gesagt, nach der Explosion der Kraft und dem unerschütterlichen Erfindungsreichtum der Gelbwesten. Wenn die Gewerkschaftsführungen wieder die Kontrolle übernehmen, sinkt immer das Niveau des Engagements im Kampf. Das ist eine Lehre aus der Geschichte, die durch die Geschichte, die wir gerade erleben, nicht widerlegt wird.

Wir müssen also dem verrückten Start-Upper dankbar sein, dass er am 16. März aus Angst einen entscheidenden Schritt getan hat, der die Bewegung, wenn sie nicht sterben wollte, dazu zwang, die Art ihrer Worte und Taten zu ändern. Charles Amédée Simon du Buisson de Courson, zentristischer Abgeordneter der Fraktion “Libertés et territoires”, ahnte dies zweifellos, als er bei der Ankündigung der Einreichung eines parteiübergreifenden Misstrauensantrags erklärte: “Es ist unzulässig, auf einen 49.3 zurückzugreifen und das Land in Brand zu setzen…”. Feuer, immer und immer wieder. Und der gute Mann weiß, wovon er spricht: Der frühere Louis-Michel Lepeletier de Saint-Fargeau, einer seiner Vorfahren, stimmte am 20. Januar 1793 für den Tod des Königs. Zweifellos im Geiste der Befriedung und um dem Symbol der Unterdrückung ein Ende zu setzen. Das misslang ihm übrigens, denn er wurde noch am selben Tag von einem Radikalen des besiegten Ancien Régime ermordet. Du Buisson de Courson kann beruhigt sein: Da sein Antrag mit nur neun Stimmen Unterschied abgelehnt wurde, wird sich ihm kein radikalisierter Macronard in den Weg stellen, um die verletzte Ehre des Zaunkönigs von Le Touquet zu rächen.

Die Feststellung drängt sich auf: Seit dem 16. März, dem Tag des Durchbruchs, ist eine radikale Spontaneität in der Durchführung der Aktionen zurückgekehrt. Aus sich selbst heraus und durch sich selbst bilden sich jeden Tag überall Demonstrationszüge, die vielfältig, heterogen und wild sind und die Slogans der Gelbwesten in ihrer ursprünglichen Version wiedergeben. Dies ist ein Zeichen für eine bemerkenswerte Veränderung, einen Wandel, eine Rückkehr der Unkorrektheit, eine Emanzipation von der Etikette. Platzbesetzungen, Faustkampfaktionen, Öffnung von Mautstellen, offensive Demonstrationen, Mobilisierung der schulpflichtigen Jugend, breite Konvergenzen. Ebenso werden die Streiks in einigen entscheidenden Sektoren härter: Müllmänner, Raffineriearbeiter, Eisenbahner, Elektrizitäts- und Gaswerksarbeiter. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von sozialen Guerillaaktionen und -herden, die in der Regel auch nur minimal koordiniert werden, aber früher oder später alle auf eine Art Prellbock stoßen, der immer derselbe ist: die Strategie – Konfrontation, Umgehung oder Widerstand -, die man angesichts der Repressionskräfte einer Macronie, die nur durch sie zusammengehalten wird und deren schändlichste Methoden sie seit den Gelbwesten legitimiert und gefördert hat, anwenden sollte.

Viele Leitartikler, die bis vor kurzem noch den Griff des finsteren Lallement gelobt hatten, versuchten, ihr Bild zu korrigieren, indem sie einen angeblichen Methodenwechsel bei der Aufrechterhaltung der Ordnung begrüßten, seit Nuñez, dieser große Bewunderer der unzivilisierten spanischen Guardia Civil, ihn ersetzt hatte. Ohne Scham oder Verlegenheit lobten sie sein Können und sein Wohlwollen. Wenn man jedoch abwartet, um zu überprüfen, hätte man gesehen, dass die Polizei, die bei der Verwaltung der ersten großen Demonstrationszüge im Januar eher zurückhaltend war, sich seitdem so gut entfesselt hat, dass es in der Praxis keinen Unterschied mehr zwischen dem virilistischen Mann mit Sternenmütze, der früher die Befehle gab, und dem dickbäuchigen “Friedensstifter”, der sie heute flüstert, gibt. Genauso wie es keinen Unterschied zwischen Dartaner und Casmanain gab. Und das aus gutem Grund, denn alle wurden von Macron wegen ihrer bösartigen Seite ausgewählt, und ihr Fahrplan bleibt derselbe: die Straße ohne Gewissensbisse zu beherrschen. Und um das zu erreichen, müssen die Gegner terrorisiert werden. Das Ziel wurde übrigens erreicht, denn es ist nicht ungewöhnlich, von Freunden, eher älteren Semestern, zu hören, dass das Risiko, auf eine Demo zu gehen, für sie nicht mehr tragbar ist – eine perfekte Definition dessen, was ein Polizeistaat in der Intimität der Körper ist.

Es ist unbestreitbar, dass die Polizei seit Macrons Machtübernahme täglich ein erschütterndes Schauspiel der Niedertracht liefert, gedeckt durch ihre Hierarchie und ihren Minister: illegale Einkesselungen, zufällige Festnahmen, Gewalt gegen Unbeteiligte, Demonstranten, die zu Boden geschlagen, beleidigt und gedemütigt werden, Polizeigewahrsam zuhauf (um der Zahl willen) – die überwiegende Mehrheit ohne Anklageerhebung, was beweist, dass sie grundlos waren. Und der brave Nuñez, der neue Stern am Leitartikelhimmel, ärgerte sich auf den Bildschirmen der Medienmülltonnen über die höfliche Kritik einiger Journalisten vor Ort und der Richtergewerkschaft: “Nein, nein, es gibt keine ungerechtfertigten Festnahmen, ich kann nicht zulassen, dass das gesagt wird”… Vaffanculo, wie man im Land der Stiefel sagt, den, den er verdient.

Am 21. März verfolgen auf der Höhe von La Bastoche Gendarmen auf Motorrädern, die mit der verhassten BRAV-M verstärkt wurden, einen Demonstranten, rammen ihn ein erstes Mal, kehren zurück und fahren ihm dann über das Bein. Die Szene kursiert in den Netzwerken. Am 22. März tauchte in Romainville am Streikposten der Fabrik TIRU (Traitement industriel des résidus urbains) und bei den jungen und weniger jungen Demonstranten, die zur Unterstützung der Streikenden gekommen waren, eine sehr einschüchternde, auf Pferden reitende Polizei auf. Die Szene kursiert auch in den Netzwerken. “Überall Polizei, nirgends Gerechtigkeit!”

Und dennoch: Überall bewegt sich etwas. Und manchmal weichen die Blauen zurück, wie in Fos-sur-Mer unter den Steinwürfen der Streikenden des Öldepots. “Seit sechs Tagen”, so der Innenminister am 21. März, “sind die Polizisten und Gendarmen mit 1.500 nicht angemeldeten Operationen konfrontiert”, d. h. wilden Demonstrationen, die von unten ausgehen. Diese täglichen spontanen Mobilisierungen, die seit dem Funkenflug des 49.3 in Paris und überall sonst stattfinden, zeugen von einer erstaunlichen Stärke. Und noch mehr von der Entstehung neuer Affekte, Praktiken und dem Willen, sich von der Last der Welt zu befreien. Und das weit über die Rentenfrage hinaus.

Am 17. März war es mild auf dem Place de la Concorde – früher Place Louis XVI, dann Place de la Révolution. Und es war wie eine süße Vorankündigung des Frühlings eines Volkes. Mit einem Mal stieg ein Schrei aus der freudig hasserfüllten Menge auf: “Louis XVI, Louis XVI, on l’a décapité; Macron, Macron, on peut recommencer” (Ludwig XVI, Ludwig XVI, man hat ihn enthauptet; Macron, Macron, wir können es wieder tun). Ein Schrei, der unendlich oft zu tänzerischen Bewegungen wiederholt wurde. Dann wurde ein Bildnis von M. le Président hochgehalten, bevor es den Flammen eines improvisierten Scheiterhaufens übergeben wurde. Dies wird als charivari bezeichnet, ein Ritual zur symbolischen Bestrafung von Machtfiguren, die gegen die Werte der Allgemeinheit verstoßen haben. “Es ist traurig bis beunruhigend”, sagte François Bayrou, Großkämmerer seiner eigenen Selbstgefälligkeit, weil er Königsmacher war. Und er fügte hinzu, der Unglückliche: “Die Tatsache, dass mit Bildnissen gespielt wird, ist ein sehr schlechtes Signal.” Ohne zu sagen, für wen… Ob Bayrou nun klug beraten ist, sich so sehr über eine Scheinhinrichtung zu sorgen, darf bezweifelt werden.

Vor allem, wenn die echten Mülltonnen, die sich anhäufen, gleichzeitig den fröhlichen Brandstiftern dieser potenziell absetzenden Bewegung als Brandherde angeboten werden.

Dieser Text erschien im französischen Original am 23. März 2023 auf A Contretemps.

taken from bonustracks

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