Jonathan Bellers`s World Computer – Der automatische Horror des verflüssigten Super-Welt-Kapitals

Information ist ein zentraler Begriff in Jonathan Bellers Buch World Computer. Für Beller impliziert die drastische Zunahme der Information die Möglichkeit, einen Derivatvertrag über ein beliebiges Phänomen abzuschließen, was nichts anderes bedeutet, als dass die Existenz der Information mit der finanzierten Berechnung der Wahrscheinlichkeit und damit des Risikos und der Unsicherheit verbunden ist. Für Beller ist die Information zu einem Derivat der Realität geworden, aber ihre Bedeutung übersteigt die der Realität. Darüber hinaus wird der Algorithmus zu einer Managementstrategie für soziale Differenzierung, die durch und als Information eingeführt wird.

Entscheidend ist dabei die Integration der Informationsökonomie in die Finanzökonomie und ihr Wissensrepertoire, so dass Finanztransaktionen ohne Informationsprozesse, der Markt als steuernder und berechnender, mit kybernetischen Rückkopplungsschleifen angereicherter und damit funktionierender Computer, schlicht undenkbar werden. Es war ja im neoliberalen Diskurs Friedrich Hayek, der den Markt als einen rechnerischen Steuerungsprozess konzipiert hat, in dem Preissignale essentiell sind und die entscheidenden Informationen enthalten, die zu einem fluktuierenden Gleichgewicht und zur Reproduktion der Marktwirtschaft durch laufende Korrektur über Rückkopplungsschleifen führen. Beller erwähnt auch Hayek, der die algorithmische Optimierung der Wirtschaft als Ausschluss des Semantischen vorwegnimmt und die Marktwirtschaft als Telekommunikationssystem bezeichnet, das durch ein wirksames Preissignal in Gang gesetzt wird. Der Preis verdichtet die wirtschaftliche Komplexität auf eine einzige Zahl. Gleichzeitig werden alle sozialen Signale in die “Telekommunikation” des Preissignals integriert, das selbst “inhaltsindifferent” ist. Beller behauptet, dass eine solche inhaltliche Indifferenz nicht nur von der monetären Abstraktion abhängt, sondern von einer Matrix von Abstraktionen, sei es Warenabstraktion, Rassenabstraktion oder Geschlechtsabstraktion.

Preissignale und Informationsverarbeitung verstärken sich in automatisierten Prozessen gegenseitig. Beller spricht in diesem Zusammenhang die Boolesche Algebra und die Mustererkennung an, die durch die algorithmische Ausführung gesellschaftlich abgeleiteter Informationen eine Durchdringung der Welt fördern und ältere soziale Narrative und Wissensdomänen zertrümmern, wodurch die Platzierung von kontingenten Ansprüchen auf eine beliebige finanzwirtschaftliche Tranche ermöglicht wird. Er fragt rhetorisch: Wie viel kostet es, einen Sklaven zu verschiffen? Welche Versicherungspolicen gibt es für Sklavenhändler? Prädiktive Polizeiarbeit? Für den rassistischen Kapitalismus wird Schwarzsein zu einer Junior-Tranche. Ja, der “globale Süden” wird zu einer Junior-Tranche, der niedrigsten Tranche eines Wertpapiers (Subprime), die auch als die riskanteste angesehen wird. Der brutale “Teile und Herrsche”-Ansatz basiert auf einem Kontinuum der Trennung, das die rassistischen kapitalistischen Bestrebungen des Siedlerkolonialismus, der Fabrikkasernen, der Lager, der “Entfremdung” am Arbeitsplatz und des Debord’schen Spektakels begleitet. Sie hat den grundlegenden Effekt, bestimmte Phänomene zu isolieren und den Ereignissen einen Wert beizumessen.

Für Beller ist die Unterscheidung zwischen Signal und Lärm in erster Linie eine Frage der politischen Ökonomie und ihres Rassismus. Das Rauschen ist eine Quelle der Volatilität und seine Beseitigung aus Sicht der Kommunikationstheorie eine technische Angelegenheit. Für Beller hingegen ist es eine Frage der Politik und der Wirtschaft, wobei die Beseitigung des Rauschens der “Unterdrückung der Menschen” entspricht. In der Finanzwelt ist die Volatilität wiederum Ausdruck von Entscheidungsabläufen bei der Preisfindung unter Unsicherheit. Ironischerweise, so Beller, ist die Volatilität zu einer wichtigen Quelle der Wertschöpfung, der synthetischen Finanzen und heute auch der Staaten geworden.

In diesem Zusammenhang verweist Beller auf Nick Dyer-Whitefords Bemerkung, dass das Kapital schon immer ein Computer gewesen sei, und er betrachtet den Weltcomputer als Unterpunkt einer Geschichte der Kommodifizierung (und Kapitalisierung, möchte man hinzufügen) des Lebens oder als einen Prozess der Übersetzung der unzähligen Qualitäten der Welt in Quantitäten. Gegenwärtig ist die geldähnliche Natur des Affekts – sichtbar als “Likes”, die Aufmerksamkeit und Affekt als Währung behandeln – symptomatisch für die Finanzialisierung des täglichen Lebens (siehe auch Randy Martin). Die Kolonisierung der Semiotik durch das rassistische Kapital hat alle “demokratischen” Regierungsformen obsolet gemacht, außer jenen, die dem gewaltsamen Zweck der Extraktion von Arbeitsüberschüssen dienen.

Damit fasst Beller bereits die wichtigsten Punkte seiner Studie zusammen:

Die Kommodifizierung leitet die globale Verwandlung von Qualitäten in Quantitäten ein und lässt den Weltcomputer entstehen.
"Information" ist keine natürlich vorkommende Realität, sondern Ausdruck/Idee eines Preises, und sie ist immer ein Mittel, um den Preis eines möglichen oder tatsächlichen Produkts zu beeinflussen.
Beller schreibt die allgemeine Formel für das Kapital um, G-W-G': G-I-G', wobei I für Information steht.
Aufmerksamkeit, Kognition, Stoffwechsel und Leben konvergieren als "Informatische Arbeit", deren Zweck für das Kapital darin besteht, Zustandsänderungen in der universellen Turing-Maschine, dem Weltcomputer, zu intensivieren.
Semiotik, Repräsentation und Kategorien sozialer Differenz funktionieren und wirken heute als Finanzderivate.
Nur eine direkte Konfrontation mit der rechnerischen Kolonisierung der Lebenswelt durch eine Umprogrammierung der materiellen Prozesse, die bisher die Rollenabstraktion konstituiert haben, kann einen Ausweg aus dem Rassenkapitalismus bieten.

Beller spricht ferner von einem analytischen, rechnerischen rassischen Kapital, das mit der rassischen Abstraktion zusammenarbeitet und einen Code formalisiert, der als Betriebssystem für die als “Weltcomputer” bezeichnete virtuelle Maschine dient, die sich in Körper und alles andere einschreibt. Das “rassische Computerkapital” ist ein heuristisches Mittel, um die Konvergenz dessen, was einerseits universell zu sein scheint, nämlich die ökonomischen, abstrakten und maschinellen Betriebssysteme der globalen Produktion und Reproduktion, und andererseits das, was manchmal partikular oder sogar zufällig zu sein scheint, nämlich Rassismus, Kolonialismus, Sklaverei, Imperialismus und Rassifizierung, zu analysieren.

Der Weltcomputer schreibt das, was Cedric Robinson als “zivilisatorischen Rassismus” versteht, der für ihn als Axiomatik eine zentrale Rolle in der Entwicklung des Kapitals spielt, tief in das kapitalistische Kalkül und seine innere Maschinerie ein. Der “rassische Computerkapitalismus”, so Beller, sollte als Verallgemeinerung der Berechnung und als Erweiterung der Kapitallogik und -praxis verstanden werden. In diesem Zusammenhang darf die Berechnung nicht als bloßes technisches Phänomen verstanden werden, sondern als praktisches Ergebnis eines andauernden und blutigen Kampfes zwischen dem Kapital und dem Proletariat. (Zweifellos war und ist das Kapital nicht die einzige organisatorische Kraft, die der Ungleichheit Form und System verleiht; der Rassismus ist auch “zivilisatorisch”, wie Cedric Robinson sagt).

Die rassistische Logik des Kalküls muss analysiert werden, sei es in Bezug auf die Finanzüberwachung, das Bevölkerungsmanagement, die Polizeiarbeit, die sozialen Systeme, die sozialen Medien oder in den Protokollen, die die Differenz zur Kapitalisierung nutzen. Die Instanz der Berechnung, eine spezifische 1-oder-0-Logik, mag wertneutral erscheinen, als eine Sache, die so gleichgültig ist wie Blei für eine Kugel oder Uran für eine Bombe. Dennoch funktioniert sie als die Modalität eines Weltsystems. Das Ergebnis dieser Kämpfe ist schließlich der Computer.

Wenn Information weder Materie noch Energie ist, so wie es auch kein Atom Materie im Wert gibt, wie Marx sagt, dann ist der Wert/Tauschwert wie die Information (anders als in Wieners naturalistischer Definition von Information) ein Index eines sozialen Verhältnisses, ja eines historischen Ereignisses. Der Wert indexiert die “abstrakte universelle Arbeitszeit”. Beller argumentiert, dass die übliche Unterscheidung zwischen der sozialen Basis des Tauschwerts und dem universellen Charakter der Information überdacht werden muss. Information wird heute als ein technologisches, selektives Ereignis verstanden, das durch die Verdrängung seiner sozialen Dimension gekennzeichnet ist. Beller bezieht sich dabei auf Sohn-Rethels Begriff der Realabstraktion, der zeigen soll, dass die Abstraktheit, die sich im Tausch selbst vollzieht und sich im Wert niederschlägt, einen identischen Ausdruck findet, nämlich im abstrakten Intellekt oder dem sogenannten reinen Verstehen wissenschaftlicher Erkenntnis. Im Anschluss an Sohn-Rethel sagt Beller, dass die Information in unseren Maschinen und unserem Wissen steckt. In die Information geht kein Atom Materie ein, obwohl sie zu ihrer Erzeugung wie der Wert Materie und Energie benötigt. Mit Sohn-Rethels durchaus umstrittenem Begriff der Realabstraktion haben wir uns auf NON (siehe non.copyriot.com) schon mehrfach beschäftigt. Hier folgen wir der Kritik von Frank Engster, Oliver Schlaudt und John Milios. Erstens ist die Verallgemeinerung des Begriffs für verschiedene Produktionsweisen fragwürdig. Die Ableitung der Denkformen aus dem durch Geld vermittelten Warenaustausch und der ihm angeblich innewohnenden Realabstraktion setzt voraus, was eigentlich abgeleitet werden soll. Die Denkformen ergeben sich aus dem durch Geld vermittelten Tausch, womit die Realabstraktion angedeutet ist. Das Problem der Vermittlung zwischen Tausch und Denkform wird aber nur so benannt, dass Sohn-Rethel einen Akt der Identifikation, Reflexion und Inversion zwischen Warenform und Denkform einschalten muss, um zu einer bestimmten Ebene der Abstraktion des Denkens zu gelangen.

Im Zusammenhang mit der Information zitiert Beller Bateson, der von einer Differenz spricht, die einen Unterschied macht. Beller verortet diesen Abstraktionsprozess in der Realabstraktion des Geldes, die indifferent gegenüber bestimmten Eigenschaften ist und den Schlüssel zu inhaltsindifferenten Abstraktionen verschiedener Art liefert. Für Beller fungiert die Information als Erweiterung eines monetären Kalküls, das den zunehmend abstrakten Charakter sozialer Beziehungen und sozialer Anforderungen anzeigt. Sie ist ein kalkulatorisches Abstraktionsgewebe, das durch seine koordinierte Kapillarwirkung die soziale Praxis orchestriert und eine Schnittstelle für die Rezeption der Wertproduktion bietet.

Wie für Marx gibt es kein einzelnes Atom der Materie, das im Wert zu finden wäre. Für Beller gibt es kein einzelnes Atom der Materie in der Information. Wert ist das gesellschaftlich gültige Informieren der Materie. Und als diskreter Zustand der Materie, der den Wert als ein durch Märkte vermitteltes und an Arbeit gebundenes Warennetz verkörpert, existiert somit historisch die diskrete Zustandsmaschine Computer, während der Tauschwert/Wert gerade erst zur berechenbaren Information und dann zur Berechnung selbst führt, die dadurch interoperabel wird. Aber schon vor dem Aufkommen der eigentlichen Information funktioniert der Tauschwert/Wert als Information (und damit notwendigerweise als Informationsverarbeitung) und später als synthetisches Finanzwesen und moderne Formen der computervermittelten Buchhaltung. Die Datenverarbeitung ist die Erweiterung, Entwicklung und Formalisierung des Tauschwertkalküls und wird im Denken und in der Praxis zu einer Befehlssteuerungs- oder Kontrollebene für die Verwaltung des profitablen Wertkalküls. Als solche ist die Information das Kalkül des Geldes selbst und ist unweigerlich an die abstrakte Arbeitszeit und damit an den Rassekapitalismus gebunden.

Der monetäre Quantifizierungsprozess erfordert immer eine ausreichende Rendite. Diese Rationalität wird heute im Rahmen der intensiven Entwicklung von Metriken und Buchhaltungssystemen rigoros sowohl auf menschliche als auch auf Mensch-Maschine-Prozesse angewandt. Diese Entwicklung der vertikalen und horizontalen systemischen Integration muss als “rechnerische Produktionsweise” verstanden werden. Sie ermöglicht und optimiert die Kapitalakkumulation, indem sie soziale Prozesse in Derivate oder zu investierende Finanzpositionen übersetzt und das Risiko in Form von Bewertungsschwankungen strukturiert. Insbesondere LiPuma hat dazu in seinem jüngsten Buch beeindruckende Ergebnisse vorgelegt. Damit ist eine direkte Beziehung zwischen kybernetisch-sozialen Prozessen und dem Finanzwesen hergestellt worden. In Anlehnung an Randy Martins Verständnis der Finanzialisierung des Alltags und des sozialen Derivats bezeichnet Beller diese Prozesse als Derivatsbedingung. Die Verzweigungen des Preissystems und seine Komplexität in und als synthetisches Finanzwesen implizieren die Hinzufügung der Informatik zum Banken-, Kredit- und Finanzsystem, die es ermöglicht, alles Mögliche zu monetarisieren (d.h. alles, was zählt oder vom Kapital gezählt werden kann) und in Form von Kreditscores, Zinssätzen und Liquiditätsprämien in die Risikobewertung als Modus der Rechnungslegung zu integrieren. Für Beller verwandelt sich die Information selbst in einen Kapitalwert, ja, die Information ist eine Form von Geld. Ihre Operationen mittels Quantifizierung, verarbeitet durch Sozialität und durch das, was als Berechnung (ubiquitäres Computing) verstanden wird, verzweigen alle nennenswerten sozialen Phänomene mit immer höherer Auflösung und Granularität bis in die Gegenwart.

Infolge dieser programmatischen Abstraktion besitzen Kalkulation als Monetarisierung und Monetarisierung als Kalkulation eine totalisierende und universalisierende Tendenz in globalen und lokalen Märkten aller Art. Dennoch bleiben der gesamte Prozess und seine Verarbeitung materiell an die qualitative, konkrete Spezifität gebunden, die rund um die Uhr verarbeitet wird. Für Beller erschöpft die Skalierung der Rollenabstraktion im Kapitalismus, ihre Formalisierung im materiellen Prozess, der Institutionen und Computermaschinen einschließt, niemals die Differenz oder hebt den Konflikt auf, selbst wenn sie den Lärm abschneidet, die Varianz reduziert und Objekte, Geld, Waren und Menschen vergleichbar und fungibel macht. Für Beller ist Information in der Tat gleichbedeutend mit Finanzialisierung, d.h. eine Antwort auf die systemische Notwendigkeit des rassifizierten Kapitals, neue Vermögenswerte zu konfigurieren und Risiken in Permanenz zu bewerten, um Wissen, Semiotik und Sozialität zu quantifizieren und zu informatisieren, um diese Komponenten für die Produktion zu erfassen.

Beller schreibt:

Bei der Theoretisierung der Hyperrealität hätte er (Baudrillard) fast schreiben können: “Alles, was ist, verschmilzt zu Information.” Die Berechenbarkeit verflüssigt das Feste in Übereinstimmung mit den Erfordernissen des Kapitals. Gerade hier, im informatischen Fluss, können wir neben seinen enormen Errungenschaften die enge Verbindung der Berechnung in der Entfremdung des Territoriums durch die Karte mit dem kolonialen Projekt, dem industriellen Projekt und der Globalisierung in der Derealisierung der traditionellen Formen von Raum und Zeit sehen. Die Fähigkeit des Kapitals, zu infiltrieren, zu organisieren und vorherzusagen, ein Modell zu simulieren und es durchzusetzen, Differenz zu abstrahieren und in Übereinstimmung mit seinem eigenen Code zu subsumieren (und, wo nötig, Differenz und Unterscheidung zu erzeugen, um der Ausweitung und Entwicklung dieses Codes zu dienen), zu operationalisieren und dann selbst zu optimieren, lieferte und liefert die konzeptuelle, materielle und existentielle Grundlage sowie die Dringlichkeit für die weitere Entwicklung der Computation. Tragischerweise liefert sie auch die Dringlichkeit, ihren Prozess, ihre Prozessoren, ihre Verarbeitung zu transformieren”.

Wie eine unsichtbare Hand mit unendlichen Ziffern, die die Information selbst ist, kündigt die universelle Verallgemeinerung des Weltcomputers eine immer granularere Buchführung an, wobei als Folge dieser Sozio-Kybernetik nun ein Kalkül von Risiko und Belohnung alles Wissen und alles Nichtwissen begleitet. Die Information dient als instrumenteller Vorschlag für die Universalität der Berechnung und der Rechenschaftspflicht; sie dient als Medium zur Berechnung des rassischen Kapitals – als Mittel zur Erzeugung und Diskontierung eines zukünftigen Einkommensstroms mittels einer kybernetischen Schnittstelle, die mit jedem Phänomen kommuniziert. Der Rest ist Technologie, oder, genauer gesagt, die Abstraktion und Verdinglichung sozialer Beziehungen und ihre Sedimentierung und Automatisierung in Maschinen. Trotz des etwas schockierenden Eingeständnisses, dass “Information Information ist, nicht Materie oder Energie” (Wiener), wurde die Information fälschlicherweise als Effekt der bloßen oder schieren Existenz der Dinge, als ontologischer Bestandteil der Dinge interpretiert. Beller hingegen geht davon aus, dass Information eine reale Abstraktion ist, eine Folge dessen, was Menschen getan haben und tun, wenn sie Waren produzieren und tauschen, wenn sie historisch Materie zusammensetzen, um die sinkende Profitrate zu bekämpfen. Information ist also nicht, wie seit langem behauptet, eine natürliche Eigenschaft der Dinge, sondern eine Erweiterung der Logik des Eigentums, ein soziales Ereignis, eine kapitalisierende Wissens- und Handlungsweise, die heute als ein an einen zugrundeliegenden Wert gebundenes derivatives Instrument funktioniert – ein verallgemeinertes Mittel der Preisbildung, das die Verarbeitung eines Risikos in einem Feld von Kontingenzen einschließt. Die Information erscheint erneut als eine Abstraktion, eine wesentliche Praxis der kapitalistischen Produktion (und zumindest der Zirkulation, muss man hinzufügen); sie ist ein Mittel zur Preisbildung.

Die Verzweigungen der computergestützten Kodifizierung, die durch soziologische Metriken, Finanzbuchhaltung und rassische Abstraktion hervorgebracht werden und zur “computergestützten Produktionsweise” führen, haben den sozialen Körper verändert. Und mit ihm fast alle semiotischen Aktivitäten in eine verteilte, rechnergestützte Fabrik. In dieser planetarischen Fabrikhalle, die durch den Weltcomputer und seine Bildschirme zum gleichen Alltag geworden ist, erleben wir eine beispiellose Ausweitung der Kolonisierung von Raum, Zeit, Diskurs und Imagination durch den Fluss der Algorithmen. Für Beller sind nun alle Weltcomputerbewohner kybernetisch in einen von Maschinen vermittelten Wettbewerb um Liquidität eingebunden. Der Weltcomputer hypostasiert die Operationen des rassistischen Computerkapitals, das die Maschineneffizienz dem Sozius gegenüberstellt, und stellt die integrierten Operationen als eine riesige maschinelle Assemblage dar, die durch Rollenabstraktion (Information) vermittelt wird. Der Weltcomputer lebt jedoch gerade von der Produktion von Differenz und Differenzierung, um immer mehr vom Gleichen zu produzieren: Reichtum und Enteignung, das heißt, mehr Reichtum und mehr Enteignung. Seine Algorithmen und algorithmischen Effekte greifen auf alle Formen historisch bearbeiteter sozialer Differenz zurück, um Arbeitskraft und Macht zu arbitrieren, indem sie Technologien und Maschinen im Namen der Effizienz besetzen, konfigurieren und formatieren.

Lazzarato hat darauf hingewiesen, dass kybernetische Maschinen im Gegensatz zu den automatisierten Maschinen, die Marx vorfand, eine neue Existenzweise, eine Beziehung und eine Vielzahl von Beziehungen sind, eine Beziehung zu ihren eigenen Bestandteilen, zum Kapital, zu anderen Maschinen, zur Welt und zu den Menschen. Dabei sind Menschen und Maschinen keine definierten Entitäten, sondern sind in Maschinenkomplexe eingebunden, sei es in ihren aktualisierten oder virtualisierten Komponenten, und sie stehen immer in Beziehung zu Kriegsmaschinen. Wenn Maschinen relational sind, dann besitzen sie immer ein Moment der Unbestimmtheit. Sie sind nicht, wie Marx noch annahm, nichts weiter als tote Arbeit, sondern fähig zu differenzierten Individuationsprozessen (Simondon) (gerade heute vor allem der Verbindung zu den Kriegsmaschinen des Kapitals). Auch die kybernetischen Maschinen brauchen ständig soziale Komponenten wie Entscheidungen, Bürokratie, Inschriften und Technokraten, die wiederum nicht von den politischen Ambitionen der Kriegsmaschinen des Kapitals losgelöst werden können. Lazzarato schreibt in seinem neuen Buch Capital Hates Everyone: “Die Politiker, Technokraten, Journalisten, Militärs, Experten, Faschisten usw. bilden die Subjektivierungen der Megamaschine; sie intervenieren als Regulatoren, Wächter, Diener, Restauratoren des großen Geld-, Kapital-, Technologie- und Kriegsflusses, aber auch als “Gouverneure” der Geschlechter-, Rassen- und Klassenspaltungen, als Garanten der durch diese Spaltungen implizierten Versklavungen und Unterwerfungen.”

Der Automat ist an sich nicht automatisch, weder als Kapital noch als Maschine. Oder, genauer gesagt, wenn die Maschine automatisch ist, wurde sie vom Kapital darauf reduziert.

Ein solches unerbittliches, global integriertes Kalkül erfordert ständige Datenvisualisierungen. Und viele ehemals außerökonomische Tätigkeiten, wie die Überwachung von Maschinen und die Festlegung von Protokollen, die die Maschinen produzieren, damit ihre Operationen verwertet werden können, sind jetzt für das Kapital wertproduktiv. Die Aufsicht ist komplexer geworden, seit das Kapital gezwungen ist, die Maschinen rund um die Uhr zu überwachen, und dies schließt genau das ein, was jetzt “visuelle Kultur” genannt wird. Seit dem Aufkommen dessen, was Beller die kinematografische Produktionsweise nennt, werden wir von den Maschinen, die wir beobachten, beobachtet. Von einigen können wir weder beobachten noch sehen, dass soziale Codes geschrieben werden, die Rechte und Zugang zuweisen, die Formen des Eigentums und der Staatsbürgerschaft beinhalten, und die auch Gewalt zulassen, Straffreiheit gewährleisten und Völkermord durch Netzwerke erzwingen. Auf zehntausend oder eine Million Arten überwachen wir und werden überwacht. Das Kapital ist unter anderem der Prozessor unserer Zeit und unserer Zeiten, unseres Denkens, unserer metabolischen Entfaltung in Form von Informationen – es produziert unser Cyborg-Sein, was dazu führt, dass wir so “sind”, wie es ist.

Das Kapital, so Beller, ist der Metabolismus des Wertes, während die Berechnung des Metabolismus die Information ist. Der Wert vermittelt den gesellschaftlichen Reichtum, während die Information das Kosmische vermittelt, wobei das Kosmische durch den Raum des Sozialen bekannt und in die Sozialität des Reichtums eingebunden bleibt.

Die Einheit von Wert und Information erscheint für Beller mit dem Begriff und den Fähigkeiten der Berechnung und kann mit dem Begriff des Rechenkapitals belegt werden. Dieses Konzept liefert dann Erklärungen für die Fähigkeit von Prozessen, indem es sie identifiziert. Information ist ein Mittel zur Kapitalisierung, oder anders ausgedrückt: Kapital und Rechnen sind für Beller nicht zwei Dinge, sondern eins, da sie in der Praxis nicht mehr getrennt betrachtet werden können. Wenn Beller von Apparaten spricht, die Informationen aufzeichnen, bezieht er sich folglich auf die Gesamtheit ihrer Infrastruktur, ihrer Geschichte und ihrer kybernetischen Integration in die menschliche Praxis.

Die Computerisierung ist für das Finanzkapital das, was für Sohn-Rethel die Realabstraktion (Geld) für den sozialen Akt des Tausches ist. Hier schreibt die vernünftig kalkulierende Berechnung ständig neue Optionen in die Realität. Derivate, so zeigt sich, sind aufwendige und strukturierte Schematisierungen des Liquiditätsrisikos, das in den meisten Fällen für finanzielle Unwägbarkeiten steht, die für Beller schon im Prozess der Warenbildung (Produktion und Konsumtion) entstehen. Warum, so müsste man Beller fragen, nicht auf den Finanzmärkten, als Selbstreferenzialitäten selbst? Das Finanzderivat ermöglicht es, einen Vermögenswert oder ein Bündel von Vermögenswerten aufzuschlüsseln, um seine verschiedenen Komponenten stückweise zu verkaufen, wodurch es möglich wird, Risiken zu strukturieren und zu handeln, ohne den zugrunde liegenden Vermögenswert selbst zu besitzen. Siehe hier unsere ausführlichen Untersuchungen zu Non und in unseren Büchern. Das Risikomanagement kann nun von einem spezialisierten Kartell von Marktmachern übernommen werden, die spezielle Produkte anbieten – ausführbare Verträge einer neuen Art. Derivate formalisieren, quantifizieren und managen Unwägbarkeiten, die als Liquidität existieren, und sie sind jetzt überall wirksam, sowohl auf formale Weise als Finanzinstrumente als auch auf informelle Weise als Werbe- und Social-Media-Währungen des Affekts wie Likes und Stimmen. Dennoch müssten gerade hier die Unterschiede untersucht werden.

Durch einen Prozess, den Robert Meister als Besicherung definiert, können Risikopakete rigoros gehandelt werden und als “Wetten” auf den ungewissen Ausgang von Ereignissen abgeschlossen werden. Wir haben Zweifel am Begriff der Wette; siehe unsere Kommentare in den Büchern zur Kapitalisierung. Bei Derivaten handelt es sich also um Liquiditätsprämien, die im Prinzip ein gewinnbringendes Engagement im Aufwärtstrend eines beliebigen Vermögenswerts ermöglichen und gleichzeitig das Verlustrisiko durch eine klare Strukturierung des Engagements begrenzen. Für uns sind Derivate selbst eine Form von Spekulationskapital. Für Beller ist das Finanzderivat nur die offensichtlichste Form, die kulturell gesehen ein allgemeiner Fall für die Beschleunigung des rechnerischen Kalküls ist, das sich rekursiv wiederholt und folglich Volatilität hervorruft,

In diesem Zusammenhang verweist Beller auf Jean Baudrillard und seine Simulationstheorie, die seinerzeit besagte, dass die Abstraktion nicht mehr die der Karte, des Doppelgängers, des Spiegels oder des Konzepts, nicht mehr die eines Territoriums oder eines referenziellen Wesens oder einer Substanz ist, sondern die Erzeugung eines Hyperrealen ohne Ursprung und Realität durch Modelle.

Simulation findet statt, wenn eine Darstellung dem Realen vorausgeht, von dem sie vorgibt, eine Darstellung zu sein; sie produziert dieses Reale als Realität selbst, anstatt eine vorher existierende Realität zu modellieren. Je mehr die simulierte Realität einer bestehenden Realität ähnelt, desto weniger ähnelt sie ihr. Wenn beide Realitäten genau gleich sind, ist die simulierte Realität keine Realität mehr, sondern ein anderes Original. Die Lücke, die notwendig ist, um zwischen Kopie und Original zu unterscheiden, ist damit verschwunden. Eigentlich kann das Repräsentationssystem nur auf der Grundlage einer Lücke zwischen Repräsentation und Realität funktionieren, aber sobald sich die Lücke geschlossen hat und das System den Kontakt zur Realität verloren hat, muss es seine eigene Realität produzieren, um weiter zu funktionieren. Dieses Reale ist das, was Baudrillard das Hyperreale nennt, das Realeres als das Reale ist, und Baudrillard nennt diesen Prozess, in dem die Repräsentation ihre eigene Realität produziert, Simulation. Dabei werden immer wieder Referenten oder andere Realitäten als Alibi produziert. Baudrillards Analyse findet sowohl auf der Ebene der Erklärung, die simulierte Systeme sich selbst geben (deskriptiv), als auch auf der Ebene ihrer eigenen Analyse statt. Die Simulation verzichtet nicht auf das Reale, sondern versucht, es als Realität zu realisieren, indem sie es in ihrem eigenen Repräsentationssystem erfasst. In der Hyperrealität haben wir uns also nicht zu weit vom Realen entfernt, sondern zu weit auf es zubewegt. Es kommt auch zu einer Verwechslung zwischen simulativen Modellen und ihren Referenten, was zu einem epistemologischen Nihilismus führt. Jede Theorie erzeugt ihre eigene Realität, und es scheint keine unabhängige Referenz zu geben, anhand derer eine Theorie besser oder schlechter als eine andere beurteilt werden könnte. Die Simulation führt somit zu einem Relativismus aller Theorien, wodurch auch der Unterschied zwischen binären Oppositionen verschwindet. Mit der Simulation werden Systeme reversibel, alle Hypothesen sind gleich plausibel, und Gegenhypothesen dienen lediglich dazu, das System der Simulation zu stützen. Die Wahrheit muss durch einen Skandal bewiesen werden, das Gesetz durch eine Übertretung, die Arbeit durch einen Streik, das System durch eine Krise, usw. Einerseits stärkt die Simulation also die Ökonomie, indem sie diesem System die Hegemonie über alle Antagonismen verleiht, andererseits ist die Simulation eine interne Dekonstruktion des Sinnsystems, auf dem die Ökonomie noch beruht.

Für Beller hätte Baudrillard bei seiner Theorie der Hyperrealität schreiben können, dass feste Materie flüssig wird und zu Information schmilzt. Es ist gerade die Berechenbarkeit, die den Feststoff zu einem allgegenwärtigen informatischen Strom verflüssigt, der den Anforderungen des Kapitals entspricht, das immer noch die Verflüssigung des Territoriums betreibt und seine gleichzeitige Partnerschaft mit dem kolonialen Projekt, dem industriellen Projekt, der Globalisierung und der De-Realisierung traditioneller Formen von Raum und Zeit anzeigt. Die Fähigkeit des Kapitals, alles Mögliche zu infiltrieren, zu organisieren und vorherzusagen, zu simulieren und ein Modell aufzuerlegen, zu abstrahieren und die Differenz in Übereinstimmung mit einem Code zu bringen, wird dadurch explodiert. Das Rechnen selbst sollte als eine Strategie des effizienten Risikomanagements und der Kosten-Nutzen-Analyse verstanden werden, die neue Wege der Ressourcenallokation aufzeigt und die potenzielle Rentabilität neuer Standorte berücksichtigt.

Gegenwärtig wendet sich Lazzarato gegen Baudrillards Simulationsthese, wonach das Reale, das auch von einem unendlichen Computernetz nicht vorweggenommen oder abgeschaltet werden kann, keineswegs verschwindet, sondern in einer Reihe von Eruptionen, neuen Faschismen und Revolten immer wieder neu auftaucht.

In den “kulturellen” Räumen bieten sich die Repräsentanten derselben (alias Subjekte) nun als Profile oder Marken an, die nicht nur als solche vermarktbar sind, sondern auch als abgeleitete Expositionen gegenüber ihren Empfängern, nämlich ihrem Publikum, ihren Netzwerken, ihren Vermögenswerten und Währungen. Ich “befreunde” mich mit Ihnen, um Sie zu mir hinzuzufügen und Ihr Netzwerk in mein Portfolio aufzunehmen. Ich bin ein “Influencer”. Kultur, hier verstanden als halbautonome, angeblich von Materialität und Technologie trennbare Entität, kann heute nur ein weiterer Fall von Surrogat von Plattformen sein, denn die Verallgemeinerung der Informatik bedeutet, dass Kultur als Bindeglied und als kommunikatives Gewebe des Sozio-Semiotischen zunehmend der Granularisierung und Grammatikalisierung der Kommodifizierung auf der “Objekt”-Seite (und ihrem anderen Aspekt, der Fraktalisierung des Faschismus auf der “Subjekt”-Seite) unterworfen ist, was auf rassistisches und sozio-kybernetisches Bioengineering hinausläuft. So ist für Beller “Kultur” heute Ausdruck einer allgemeinen Informatisierung sozialer Beziehungen, die konsequent einer historisch erzwungenen Berechenbarkeit unterliegen; sie ist derivativ.

Postmoderne Kultur ist für Beller als Produktion und als Kalkulation zu verstehen, die immer eine maschinelle Vernetzung erfordert, die von Maschinen hergestellt wird, einschließlich der diskreten Zustandsmaschinen und der sie tragenden Infrastruktur (fixes Kapital): Marx’ “Riesenautomat” in Form des Weltcomputers. Kulturelle Praktiken, ob sie nun erkenntnistheoretische Veränderungen mit sich bringen oder einfach Ausdruck von Meinungen über Meinungen sind, werden nun sui generis computervermittelt und parametrisch umgesetzt, wobei “menschliche” Beiträge als notwendige und überschüssige Arbeit im Kalkül der Produktionszyklen subsumiert werden. Mit dem Computer ist Schreiben nicht mehr Tippen, sondern Proto-Tippen.

In diesem Zusammenhang spricht Beller von der neuen Plattformsouveränität (Bratton), der algorithmischen Governance oder der Metadatengesellschaft (Pasquinelli) und weist darauf hin, dass Informationen selbst einen Wert haben (oder tatsächlich sind) und nur im Rahmen von Berechnungen wertvoll sind. Eine neue Recheninfrastruktur, die in erster Linie fixes Kapital ist, entsteht in Verbindung mit den unzähligen Phänomenen, die nun informatisch behandelt werden, d.h. die Präsenz von “Information” schließt die Berechnung als Wahrnehmungs- und Organisationsmechanismus ein, was wiederum rassifiziertes Kapital als Metamaschine und Architektur des aktuellen sozialen Systems der Kontenverwaltung erfordert.

Die von Randy Martin eingehend untersuchte Finanzialisierung des Alltagslebens strukturiert Repräsentation und Bewertung und führte zur “Informatisierung” der Sinne. Die Ontologie ist hier nur noch ein Artefakt der Datenvisualisierung, eine Einschreibung, ein Akt des Schreibens und ein Sprechakt und daher niemals ein neutrales Unterfangen. Wenn Beller davon schreibt, dass die Simulation Objekte in Verteilungsmuster zerlegt und uns skeptisch macht, wer oder was anwesend ist, sowohl objektiv (wie wir das Wahrnehmbare betrachten) als auch subjektiv (in uns selbst als Bewusstsein), dann verweist dies eher auf die Deontologisierung des Kapitals, die wir ausführlich analysiert haben. Die Ontologie neigt dazu, die Theorie des Kapitals philosophisch zu überdeterminieren. Wenn Frantz Fanon zum Beispiel schreibt, dass die Ontologie es uns nicht erlaubt, das Wesen des schwarzen Mannes zu verstehen, dann erlaubt uns die Ontologie, selbst wenn sie als Dekonstruktion konzipiert ist, in ähnlicher Weise nicht, das “Wesen” des Finanzkapitals zu verstehen.

Plattformunternehmen wie Facebook profitieren heute von allem, was auf ihnen gesagt oder fotografiert wird, und dies ist nur der offensichtlichste Fall in einem System, in dem die repräsentativen Medien gekapert und durch die Computerlogistik dem Großhandel untergeordnet wurden. Indem sie die Priorität zwischen Welt- und Datenvisualisierung umkehrt, offenbart die digitale Simulation der Welt als in Apparaten kodierte Konzepte den Eingriff in die Protokollebene der Berechnung und wirft die zugespitzte und möglicherweise immer noch politische Frage auf, was von der so genannten Menschlichkeit jenseits der Reichweite eines nun vollständig finanzialisierten Wissens übrig geblieben ist. Dies grenzt vielleicht an Laruelles Frage nach dem Menschen in der letzten Instanz.

Die Vektoren für die Entwicklung der sozialen Differenz werden durch und als Algorithmen formalisiert, die dann als Finanzderivate fungieren: Risikomanagement-Strategien, die es einerseits dem Kapital erlauben, Unterschiede in synthetischen Produkten wie Hypotheken, Versicherungen, Wertpapieren und anderen Formen von Schulden und Krediten zu verbriefen und sich darauf zu stützen, und die andererseits den Einsatz von Militär-, Polizei- und Überwachungstechnologien ermöglichen, die dazu bestimmt sind, unterschiedlich geprägte Bevölkerungen zum Zweck des Kapitalerhalts zu kontrollieren.

Eine weitere wichtige These Bellers ist, dass das moderne Rechnen nicht nur konstitutiv für das Kapital ist, sondern dass das Rechnen, obwohl es für bestimmte Formen des Denkens charakteristisch und als solches erkennbar ist, auch für die Bewusstlosigkeit des modernen Denkens steht, oder anders ausgedrückt, das inhaltslose Kalkül des rechnerischen Kapitals funktioniert auch in Abwesenheit einer bewussten, subjektiven Wahrnehmung seiner Operationen. Die Indifferenz (gegenüber dem Inhalt der Produktion und der Natur der Produkte) ist also kein psychologisches Phänomen, sondern eine objektive und zugleich subjektive Bedingung der Operationen des Kapitals. Alle Produktionen scheinen gleich zu sein, solange sie effizient sind und den Kriterien der Quantifizierung und Berechenbarkeit unterworfen werden können. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Softwaretechniker nichts von den Produktionen selbst wissen wollen, die für sie ja keinen Inhalt haben, sondern es geht nur darum, seine Arbeit gut gemacht zu haben und die Befehle des höheren Managements zu befolgen. Lazzarato schreibt in seinem neuen Buch: “Die kapitalistische Organisation der Arbeit bringt potentielle Verbrecher hervor, die sich, wie die Nazis während der Nürnberger Prozesse, weder für das Ergebnis noch für ihre Beteiligung an der “Produktion” verantwortlich fühlen, denn für sie, wie für das Kapital, sind alle Produktionen gleich, solange sie effizient und rational organisiert sind und den Kriterien der Quantifizierung und Berechenbarkeit entsprechen. Wie die Nazis werden alle wiederholen können: “Wir haben unsere Arbeit getan”, “Wir haben Befehle befolgt”. Sie handeln in und für die Kriegsmaschinerie, deren Akteure und Opfer sie zugleich sind. Dies ist kein Schlaf der Vernunft, der Ungeheuer hervorbringt, sondern die “friedliche” Organisation der Arbeit, die eine weitere Schwelle in der sozialen Konstruktion des Nihilismus überschreitet.

Als Bereich des Unbewussten, schreibt Beller in Anlehnung an Lacan, ist die Berechnung wie eine Sprache strukturiert, genauer gesagt wie eine Computersprache, die zwangsläufig ein ökonomisches Kalkül ist. Das ‘Computational Unconscious’ ist fixes Kapital, externalisiert und sedimentiert in Maschinen mit diskreten Zuständen, deren Programme und programmierbare Umgebungen zwar numerisch konstituiert sind, aber dennoch Elemente rassifizierter Abstraktion und vergeschlechtlichter Abstraktion enthalten. Der Computercode der deterritorialisierten universellen Kapitalfabrik und ihre siliziumbetriebenen Bildschirme verwischen die strukturellen Ungleichheiten, die kapitalistische Produktionskategorien und Rasse, Klasse und Geschlecht betreffen. Sie sind also in unseren Maschinen operativ verschwunden.

Beller spricht vom Computer als einer abstrakten Maschine, die sich, wie alle Abstraktionen, aus konkreten Umständen und Praktiken entwickelt hat; sie ist eine Idealisierung der Realabstraktion auf der Grundlage einer praktischen Verwirklichung. Dies wiederum in Anlehnung an Sohn-Rethels Begriff der Realabstraktion. Diese abstrakten Maschinen setzen Potentiale frei, die durch die Verbindung von Codierungen mit Stoffströmen und den Kurzschluss von Kommunikation und Kontrolle jederzeit in diversen konkreten Maschinenaggregaten aktualisiert werden können: Die abstrakte Maschine ist dabei keineswegs machtneutral, sondern schafft fortlaufend Potentiale für die Formulierung von Programmen, um die Strukturierung auch noch antagonistischer Machtkonstellationen zu betreiben und deren Aktualisierungen ermöglichen zu können.

Allerdings verweist Beller dann weiter auf ein Außen, obwohl die historisch materialisierte digitale Infrastruktur des Sozius permanent in und durch uns denkt. Das Ungedachte und Undenkbare als Äußerlichkeit des Kalküls ist dennoch eine notwendige Ergänzung. Das Unmögliche, das Ephemere, das gesellschaftlich Tote, das kolonial oder informatisch Ausgelöschte spukt weiter in der dominanten Simulation von Leben und Sein.

Für Beller ist die Frage der Berechnung eng mit der filmischen Produktionsweise verbunden. Er beruft sich dabei auf Vilém Flusser, der die Kamera als Black Box versteht, die ein Programm ist; folglich stellt die Fotografie bzw. das technische Bild ein “magisches” Verhältnis zur Welt her, insofern die Menschen die Fotografie als Fenster zur Welt verstehen und nicht als begrifflich organisierte, durch technische Konzepte erzeugte Information. Das bedeutet, dass das technische Bild selbst mit seiner Unterbrechung der linearen Zeit und seiner Auflösung des logischen Denkens als Programm für den Bios fungiert, und es legt nahe, dass die Welt seit langem unbewusst durch Berechnung und das technische Bild wahrgenommen wird. Wenn also die Rechenprozesse der Fotografie selbst eine Erweiterung der universellen Digitalisierung der Kapitallogik sind, dann hat dieses Kalkül in der visuellen Reorganisation des Alltagslebens für die Menschen seit fast zwei Jahrhunderten unbewusst seine Arbeit getan. Mit anderen Worten: Das Denken – Zahlen in Zahlen ausgedrückt und in Maschinen materialisiert – automatisiert das Denken als Programm. Das Programm, zum Beispiel das der Kamera, funktioniert als eine historisch produzierte Version dessen, was Katherine Hayles “unbewusste Kognition” genannt hat. Technologie (und damit Wahrnehmung, Denken und Wissen) kann nur dann vom Sozialen und Historischen – d.h. vom rassistischen Kapitalismus – getrennt werden, wenn sie beide durch ihre eigenen Operationen eliminiert.

Das Zusammenfügen der ökosystemischen Vielfalt von Kulturen, Sprachen, Geschichten und Lebensformen in ein einziges digitales Substrat beruht auf unzähligen Gewaltakten. Beller nennt dies die Gewalt der Abstraktion, die das, was einst differenzierbar war, austauschbar macht und dazu führt, dass das Kalkül des Rechnens in ein finanzielles Derivat, eine Position auf die Zukunft, verwandelt wird. In diesem Kontext ist der Humanismus für Beller eine koloniale Software, und die Kolonisierten sind und waren seine ausgelagerten Anbieter. Dieser Plattform-Humanismus ist nicht so sehr eine Metapher. Vielmehr handelt es sich um eine Tendenz, die durch den gegenwärtigen Plattform-Posthumanismus des computerisierten Kapitals perfekt verwirklicht wird. Wenn “die Anatomie des Menschen der Schlüssel zur Anatomie des Affen” ist, wie Marx wortgewandt das Telos des Menschen formulierte, fragt Beller: “Ist die Anatomie der Berechnung der Schlüssel zur Anatomie des ‘Menschen’?” Gleichzeitig ist es wichtig, mit Frantz Fanon festzustellen, dass die Menschen der so genannten Dritten Welt in gewisser Weise die europäischen Metropolen gebaut haben. Beller schreibt: “Zuerst auf den Zauberer von Oz auf dem Goldstandard reduziert und jetzt auf einen nackten, twitternden, orangefarbenen Clown auf dem digitalen Finanzstandard reduziert, hat die menschliche Figur in der digitalen Revolution ihren Pep verloren.”

In vielen Fällen ist der Mensch selbst zu einem Produktionshindernis geworden; er ist keine nachhaltige Form mehr. Ein Hoch auf das Dividuum, schreibt Beller, und wir verweisen hier auf unsere ausführliche Diskussion des von Deleuze/Guattari entlehnten Begriffs. Als Zeichen der Zeit verweist der Posthumanismus zum einen auf das Verschwinden vermeintlicher ontologischer Absicherungen und quasi-religiöser Legitimationsgedanken. Andererseits steht er für die Bewahrung einer Modalität der Entmenschlichung und des Ausschlusses, die das weiße Patriarchat legitimierte und normalisierte, indem sie dessen Werte als technologische (und kulturelle) Universalien erscheinen ließ. Beller geht sogar noch weiter und schreibt, dass die Menschen zum Futter für statistische Maschinen wurden und dass, wie Edwin Black in Bezug auf den Holocaust gezeigt hat, die Entwicklung dieser Technologie untrennbar mit Rassismus und Völkermord verbunden war.

Es ist bekannt, dass Claude Shannon eine allgemeine Theorie der Kommunikation vorschlug, die gleichgültig gegenüber dem Inhalt war – ein statistisches, mathematisches Modell der Kommunikation, während er gleichzeitig alle spezifischen Inhalte als irrelevant für die Methode der Übertragung selbst betrachtete. Wie der Gebrauchswert unter der Verwaltung der Warenform wurde die Nachricht zu einem Zusatz zum Tauschwert des Codes. Beller besteht darauf, dass die Regeln für die Gleichgültigkeit von Inhalten sowohl von spezifischen Inhalten als auch von einer spezifischen Form der Gleichgültigkeit abgeleitet wurden und dass die als Standardreferenz verwendete Sprache immer ein kulturspezifischer Sprachgebrauch war. Shannons Entprivilegierung des Referenten des Logos als Referent und seine Aufmerksamkeit nur für Signifikanten bedeutete eine Intensivierung des Abgleitens des Signifikanten vom Signifikat (Shannon entwickelte eine Rekonzeptualisierung der Sprache als Code (Zeichensystem) und als mathematischer Code (Zahlensystem). Diese Auslöschung des Realen (Wesen, Subjekt und Erfahrung) aus der Kodifizierung ermöglichte es Shannon, die mathematische Abstraktion von Regeln für die Übertragung beliebiger Nachrichten zum Industriestandard zu machen, auch wenn dies die Entmenschlichung der Kommunikation bedeutete – ihre Trennung von der Geschichte der Menschen. Die Geschichte der Menschen verfolgt jedoch weiterhin die mathematische Theorie der Kommunikation – eine weitere Bedeutung des computergestützten Unbewussten.

Die Bewegung vom Bild zum Code und zurück zu einem transformierten Bild (Bild-Code-
Bild′) ersetzt das “W”, das in Marx’ allgemeiner Formel des Kapitals für die Ware stand, wobei die Warenproduktion gegen Lohn die Bewegung vom Geld zu mehr Geld vermittelt. Beller beginnt seine Umschreibung der berühmten Marx’schen Kapitalformel G-C-G’ mit der Einführung des Selfies. Den daraus resultierenden Aufmerksamkeitsaggregations-Effekt versteht er auch als Symptom des fraktalen Faschismus. Das Selfie ist eine Wette, eine Projektion des eigenen Humankapitals (Foucault) als digitales Objekt, das auf dem Markt der Aufmerksamkeit angeboten wird. Die Bildschirmoberfläche ist dabei entscheidend für das, was erscheint und was nicht erscheint. Sie zeigt die Umwandlung der eigenen Lebensenergie in Information an, um mehr Information zu akkumulieren, die wiederum durch die Aufmerksamkeit anderer erzeugt wird. Zudem lässt sich diese Gesamtbeziehung zwischen Bild und Code selbst als Information (I) abstrahieren, und so schreibt Beller die allgemeine Formel für das Kapital um in G-I- G′.

Für Beller ist ein Ergebnis der ökonomischen und rechnerischen Konvergenz, die den Aufstieg der visuellen Kultur parallel zum Aufstieg des modernen Kredits und des synthetischen Finanzwesens belegt, die Finanzialisierung und zum Beispiel die abgeleitete Entwicklung namens Selfie: ein spezifischer Modus des Warenkalküls inmitten eines neuen Warenkalküls. Für Beller ist die Ware, wie eben auch das Selfie und das Bild im Allgemeinen, eine kontingente Forderung, ein Derivat, dessen zugrunde liegender Wert der Wert selbst ist.

Die beschleunigte Mathematik des Kapitals, die seit langem Realabstraktionen (die Grundform des Geldes, aber auch fortgeschrittenere Formen des Geldes) kartiert und dann erzeugt, impliziert die reale Buchhaltung der sozialen Praxis, die die kontingente und doch kontinuierliche Hypostasierung von Netzwerken erfordert. Das Bild auf dem Bildschirm ist zum paradigmatischen Mittel geworden, mit dem das Kapital die Bioprozesse seiner Programme abwickelt, auch wenn der von den Konzernen gesponserte Staat mit seinen Gesetzen, seiner Polizei, seinem Militär, seinen Grenzen, Mauern und Banken weiterhin eine Rolle als Medium und Bildschirminfrastruktur spielt. Beller schreibt: “Diese neuen “Industrien”, die verschiedene Kombinationen zwischen der Mathematik und der Psychologie des Finanzwesens beinhalten, haben lange Zeit einen Marxismus beunruhigt, der – mit einigen brillanten frühen Ausnahmen wie Dallas Smythe, Guy Debord und Jean Baudrillard – größtenteils nur zu einer rudimentären, quasi newtonschen Konzeption der Warenform als Objekt und damit von produktiver Arbeit als entlohnter Arbeit. Wir haben im letzten Kapitel die Wege der vernetzten Emergenz jenseits dieser Subjekt-Objekt-Paradigmen gesehen. Die Newtonsche Konzeption der Ware nur als Objekt (eine Form, die, wie ich im vorigen Kapitel anzudeuten versuchte, selbst ein Derivat des zugrundeliegenden “Tauschwerts” war, wenn auch nicht als solches verstanden) war relativ unfähig, die beginnende Vernetzung entweder der Warenform oder ihrer Zusammensetzung durch vernetzte Formen produktiver Arbeit, manche entgeltlich, manche nicht, wahrzunehmen. Man könnte sogar sagen, dass es dieses Verhältnis von Risiko und Liquidität, das die durch Geld vernetzte gesellschaftliche Produktion und Reproduktion umspannt, war, das Marx zu erklären versuchte.”

Die Etablierung eines Bewertungsfeldes setzt bereits die Entstehung von Metriken voraus und bewirkt im Laufe der Zeit die Entstehung neuer Metriken sowohl zur Messung als auch zur Gewinnung. In Form von Bewertungen, “Likes”, Finanzderivaten auf die Volatilität und Algorithmen analysierbarer Metadaten werden Währungen geschaffen, und die Messung des “Affekts” ist ein Instrument der Finanzialisierung und Berechenbarkeit. Der veränderte Status der Arbeit, nun als Affekt, Aufmerksamkeit, Kognition, somatische Funktion, tugendhafte Fähigkeit und Stoffwechsel, erfordert eine höhere Ordnung der Abstraktion, die Informationen generiert. Diese Arbeit wird mit neuen Formen von Währungen – sozialen Währungen – belohnt.

Der traditionelle Marxismus besteht weiterhin darauf, dass nur das Objekt als Ware zu begreifen ist und dass etwas, das kein Objekt ist, letztlich nicht die Warenform annehmen kann. Die digital zusammengesetzten Derivate des synthetischen Finanzwesens widersprechen jedoch dieser Vorstellung von einem Warenobjekt, und man kann nun sagen, dass das Objekt ein Knoten in einem Netz von Beziehungen oder eine Schnittstelle mit der Sozialität ist, die als Objekt erscheint (die Knotenhaftigkeit eines Objekts ist eine zusammengesetzte Position). Ähnlich wie Negri spricht Beller vom Übergang des singulären Warenobjekts zur verstreuten und verteilten Ware (dem digitalen Objekt), dem Übergang von der Bewegung der Fabrikproduktion zur verteilten Produktion der Netzwerkware in der sozialen Fabrik. Die industrielle Produktion schafft in der Fabrik kommodifizierte Objekte, die auf Märkten verkauft werden, während die verteilte (digitale) Produktion digitale Objekte schafft, die im imaginären und sozialen Netzwerk der Fabrik effektiv abgeleitete “Objekte” sind und auf Aufmerksamkeitsmärkten verkauft werden. Die neuen verteilten Bild-Objekte sind untrennbar mit Franchising, Plattformen, Marken und anderen Formen der assoziativen Übertragung verbunden. Der Besitz eines Teils eines Netzes, sei es in Form einer Aktie, einer Infrastruktur, eines Tokens oder sogar einer “Ware”, kann als Netzderivat definiert werden, da er eine Rendite auf einen zugrundeliegenden Vermögenswert bietet, nämlich den Verkehr, der dem Netz als Ganzem zugute kommt. Eine Ware ist also ein Teil eines Beziehungsnetzes – ein Knotenpunkt oder, im normalen Sprachgebrauch, ein Objekt. Doch angesichts der heutigen digitalen Kompositionsfähigkeit ist selbst das traditionelle Warenobjekt ein Derivat, eine strukturierte, komponierbare Position auf den handelbaren Tauschwert, seinem Basiswert auf dem Markt. Der Tofu ist eine Schnittstelle mit der Monsanto-Plattform, sein momentaner Preis eine spezifische Wette auf Ihren positiven Netto-Cashflow.

Das Rohstoffderivat hat wie die Produkte der synthetischen Finanzwirtschaft ein Risikoprofil. Man kann sogar behaupten, dass das Derivat immer implizit in der Ware enthalten war – von dem Moment an, als das Kapital die doppelte Identität von Gebrauchs- und Tauschwert postulierte, war es in der Tat eine eingepreiste soziale Beziehung: Die Produktion und der Kauf einer Ware waren zu jeder Zeit ein kalkuliertes Risiko, und ihr Preis war ein Preis für alles Wissen, das in ihrer Information komprimiert war. IhreInformation signalisierte das Potenzial für Transaktionen, und im Prinzip beeinflusste jede Transaktion ihre Information. Die Intensivierung der kapitalistischen Produktion bedeutet eine Vervielfachung der Formen des Risikos und der Strategien des Risikomanagements.

In demselben Sinne, in dem in der Newtonschen Mechanik die Bewegung eines Objekts eine Ableitung seiner Geschwindigkeit ist, ist der Preis der Ware als Objekt selbst eine Ableitung der allgemeinen Bewegung der kapitalisierten Objektproduktion. Bei Fisher und Scholes wurde die Volatilität des Preises formalisiert (und selbst bepreist). Man zahlte, um sich einen zukünftigen Preis für x in einem volatilen Markt zu sichern, und der gezahlte Preis war eine Absicherung gegen Volatilität, eine Liquiditätsprämie.

Wir sprechen immer noch von drei Klassen von Wirtschaftsobjekten: Klassische Ware, Kredit und Derivat, während wir bei synthetischen Wertpapieren immer noch von abgeleiteten Objekten, von Derivaten, sprechen. Nehmen wir an, die Produktion bzw. der Umlauf eines physischen, wirtschaftlichen Produkts (klassische Ware wie Kleidung, Lebensmittel, Computer usw.) wird direkt durch einen Kredit beeinflusst bzw. ausgelöst, und dieser wiederum kann durch den Preis seines synthetischen Replikanten (Derivate) massiv beeinflusst werden. Kann man die bisherige hierarchische Ordnung der drei Klassen von Wirtschaftsobjekten wirklich beibehalten? Ein Tisch mag ein Ding zum Essen sein, aber wenn man Faktoren wie die zu zahlenden Zinsen für die Kredite des Tischherstellers, Optionen und Versicherungen auf den Holzpreis und schließlich Währungsschwankungen den entsprechenden Produktionsfaktoren überlagert, und dies im Rahmen der Produktion weiterer Güter und Dienstleistungen, dann steht dennoch ein globales Bankett des Geldkapitals über dem äußerst bescheidenen Tisch (als physisches Objekt). Die Preise der klassischen Waren sind nun eng mit den Preisen der Finanzanlagen korreliert, so dass die Preise der klassischen Waren nicht mehr allein durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage und die notwendige gesellschaftlich abstrakte Arbeitszeit bestimmt werden können. Vielmehr fließt die erhöhte Risikobereitschaft bei der Anlage von Finanzanlagen in die Preisbestimmung ein, und zwar bei Anlegern, die auf diversifizierte Rohstoffindizes spekulieren.

Zu Recht hält Beller die strikte Unterscheidung zwischen Zirkulation und Produktion für fragwürdig. Das Netzwerk der Zirkulation vervielfacht die Schnittstellen für die Anlässe der Wertproduktion. Längst haben vernetzte Beziehungen das soziale Feld kolonisiert, die “Digitalität” und die “soziale Fabrik” geschaffen und den Arbeitstag maximal zu einer nahezu totalen Lebensbesetzung ausgedehnt. Dieser Zustand – in dem Netzwerkwaren als Netzwerkderivate fungieren und in das semantische Feld eindringen, so dass praktisch alle sozialen Aktivitäten der Maximierung der Kapitalrendite gewidmet sind, wie gering sie auch sein mag – beschreibt die medio-logischen Verschiebungen, die notwendig sind, um den Postfordismus der Autonomia Operaia, Foucaults “Unternehmer des Selbst” und Randy Martins “Finanzialisierung des Alltags” zu verwirklichen. Die computerisierte Produktionsweise führt zum “derivativen Zustand”. Eine wichtige Schnittstelle ist hier das programmierbare Bild.

Die Entwicklung von Optionen (im Warenhandel, in der Mode und im Finanzwesen) ermöglicht es den Käufern, eine “Wette” auf die Währung ihrer eigenen Lesart des Marktwerts abzuschließen: ihre “Bedürfnisse”. Gleichzeitig integriert die Konstruktion von Optionen den Bereich der Gesellschaft als einen weiten Raum der Innovation, einen Raum für die Produktion neuer Bedürfnisse und für Arbitrage. Die Raum-Zeit und Virtuosität der sozialen Fabrik: Google, Nanotechnologien, Satelliten, Drohnen, Glasfasertechnik, Hedgefonds, Ambient Computing, Algo-Trading, Kryptowährungen und dergleichen bedienen die unzähligen Optionen, damit die Produkte der sozialen Fabrik effizient verteilt und konsumiert werden können, um weiter Kapital zu produzieren.

Die digitalen Metriken, Medien des Risikomanagements, die auch Modi zur Erweiterung der Logistik der Quantifizierung und Bewertung sind, entstehen direkt aus den neuen verteilten Formen der Warenproduktion in der sozialen Fabrik. Sie erweitern die Logik des Marktes und die kulturelle Logik – ein Teil ihrer “Bedeutung” besteht darin, dass sie selbst Werkzeuge sind, um die kapitalistische Kultur, d.h. das Risiko, zu steuern. Letztlich erfordern sie die Verlagerung von exponentiell komplexeren Bahnen und Berechnungen des Kapitals in die Nanosekunden-Operationen von Maschinen mit diskreten Zuständen.

Marx schreibt, dass Dinge, die an sich keine Waren sind, wie das Gewissen oder die Ehre, von ihren Besitzern zum Verkauf angeboten werden können und somit die Form von Waren qua Preis annehmen. Formal gesehen kann also ein Ding einen Preis haben, ohne einen Wert zu haben. Der Ausdruck des Preises ist in diesem Fall imaginär, wie bestimmte Größen in der Mathematik. Andererseits kann sich hinter der imaginären Preisform auch ein reales Wertverhältnis oder eine abgeleitete Preisform verbergen. Marx’ Vergleich des Verhältnisses von Preis und Wert mit realen und imaginären Zahlen besagt, dass ein Preis/Wert “real” oder “imaginär” sein kann und nach mathematischen Regeln behandelt wird, d. h. er ist Gegenstand mathematischer Operationen, die zu praktischen Ergebnissen führen.

Mit der Quantentheorie lässt sich dies weiter ausführen. Der Preis kann als ein probabilistisches dynamisches System modelliert werden kann. Die einfachste Art von Kraft, die man in Betracht ziehen kann, ist eine lineare Rückstellkraft, wie bei einem Federsystem. Der Preis folgt nicht deterministischen Schwingungen folgt, wobei die Quantenversion einer Feder – der quantenharmonische Oszillator – eine Lösung anzeigt. In einem Modell kann die Wahrscheinlichkeit einer Transaktion zwischen einem Käufer und einem Verkäufer durch eine komplexwertige Wellenfunktion dargestellt werden, die sich um die imaginäre Achse dreht. Der Oszillator hat ein ganzzahliges Energieniveau, das der Anzahl der repräsentativen Transaktionen in einer Zeitperiode entspricht. In seinem Grundzustand, also dem Fall ohne Transaktionen, entspricht die Preisunsicherheit der Geld-Brief-Spanne, die ein Basisniveau der Volatilität ergibt. Geht man davon aus, dass Transaktionen über die Geld-/Briefspanne das Energieniveau des Oszillators erhöhen, sollte das Energieniveau einer Poisson-Verteilung mit einem Durchschnitt von etwa 1/4 folgen (dieser Parameter kann jedoch angepasst werden). Anstatt den Preis als im Gleichgewicht befindlich zu betrachten, sieht das Quantenmodell Transaktionen daher als durch schwankende Ungleichgewichte zwischen Käufern und Verkäufern verursacht an, was zu einem Zustand führt, den man sich als eine Art konstante Schwingung vorstellen kann.

Es sei daran erinnert, dass die Verwendung imaginärer Zahlen, die von Leonhard Euler im achtzehnten Jahrhundert und von Carl Friedrich Gauß im neunzehnten Jahrhundert entwickelt wurde, die Existenz des Higgs-Teils vorhersagte. Ob der Higgs-Teil real ist oder nicht, ist in gewisser Weise nebensächlich, da die Mathematik, vermittelt durch die Technik ihres eigenen Entwurfs, die “Natur” in Szene setzt, um mathematische Effekte zu erzeugen, die von Natur aus konsistent und überprüfbar sind. (Die Ableitung von Werten ist sowohl ein Messinstrument als auch ein Produktionsmittel im Finanzwesen). Mathematiker verwenden imaginäre Zahlen, um reale Lösungen zu erzeugen. Zweifellos funktionieren diese Lösungen, aber wie Gödel und Derrida gezeigt haben, ist interne Konsistenz hier keine “Wahrheit” im klassischen Sinne.

Man könnte an dieser Stelle aber auch auf Laruelle verweisen. Die generische Methode funktioniert, indem man aus den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen oder Philosophien eine minimale Invariante extrahiert, wie die imaginäre Zahl aus der Infinitesimalrechnung, die Welle aus der Quantenphysik, das Transzendentale aus der Philosophie, das Kapital aus der Ökonomie und so weiter. Diese Invarianten müssen überlagert werden, oder anders gesagt, sie müssen als theoretische Gegebenheiten in den Modus der Überlagerung eingeführt werden.

Beller schreibt nun die allgemeine Formel für das Kapital als G-I-W-I’-G’ um. G steht dabei natürlich für Geld, C für Code und I für Bild/Information. Der Code ist hier keine stabile Einheit, sondern ein diskretes Moment in den Bewegungen des diskreten Zustands eines Computers – wir könnten sagen, aller vernetzten Computer und des Weltcomputers. Ersetzen wir Marx’ Ware “W” durch I-C-I′, so registrieren wir die Sublimierung der Warenform durch die Matrix der Information. In der Formel G-I-C-I′-G′ steht die erweiterte Schreibweise I-C-I′ für die integrierte, produktive Tätigkeit, die früher mit “W” bezeichnet wurde. Der Bildcode der Netzwerkware ersetzt das, was früher als Ware verstanden wurde. In einer Erweiterung und Marxisierung von Flussers Begriff des Universums der technischen Bilder zeigt Beller, dass in der Digitalen Kultur 2.0 die Warenproduktion durch Bilder vermittelt wird; Datenvisualisierung ist eine Transaktion in der Bewegung vom Geld zum Bildcode und zurück. Sie ist ein vernetzter Prozess von vektoriellen Verbindungen.

In Wirklichkeit kann I-C-I′ viele Iterationen und Festlegungen nach sich ziehen; es handelt sich um permanente Veränderungen, die durch aufmerksamkeitsbezogene, kognitive, metabolische oder andere Arten von Inputs ausgelöst werden. Nehmen wir an, wir halten diese Arten von Inputs einen Moment lang fest. In diesem Fall scheint es, dass Recycling überall im Kreislauf oder Netzwerk stattfinden kann, während es zwischen dem Geld G′ und dem Intervall, das zuvor durch die Ware “W” angezeigt wurde, abläuft. Das heißt, in jedem Moment entlang des Kreislaufs von der monetarisierten Kapitalinvestition bis zum monetarisierten Gewinn ist eine wertschaffende Transaktion möglich, jede Bewegung oder Veränderung erzeugt neue Daten, und jeder neue Zustand ist eine potenzielle Schnittstelle mit produktiver Arbeit, Affekt und Aufmerksamkeit. Der Zugang zu diesen Daten kann bepreist werden. Automatisierte “Arbeit”, d. h. Arbeit, die nur von Computermaschinen (oder sogar gewöhnlichen Maschinen) verrichtet wird, ist immer Maschinenamortisation. Die maschinelle Amortisation ist ebenfalls ein Produktionskostenfaktor, aber sie ist für Beller keine Gewinnquelle. Hier vermeidet Beller die Frage eines Maschinenüberschusses.

Die Produktion ist heute oft auf mehrere Standorte verteilt: z.B. Hunderttausende von Software-Autoren, Zehnmillionen von historisch entwerteten (meist weiblichen, meist asiatischen) Händen, Milliarden von Bildschirmen, die von Milliarden von Operator-Funktionen bedient werden. Kurz gesagt, diese Innovation ist lediglich eine Arbitrage über die Arbeitskosten pro informatischem Bit. Waren, die nun vollständig algorithmisch sind, sind nahtlos miteinander verbunden, als Nutzwerte und Tauschwerte und als die Realisierung von Nutzwerten als Mittel zur Produktion weiterer Tauschwerte durch die rechtliche und praktische Organisation von proprietären Wegen zusammen mit der riesigen Datenbank des Weltcomputers.

In der Bewegung von der Fabrik zur sozialen Fabrik müssen Waren nicht mehr in Objektform materialisiert werden (diese “Waren” sind jetzt Kombinationen von Marken, Bildern, Franchises und anderen finanzialisierten informatisch-semiotischen Vektoren); sie existieren und werden als integrierte Preis-Assemblagen produziert. Einiges von dem, was (von uns) gekauft und mit unserer Bildschirmzeit gemacht wird, ist die Nutzung der Plattformen selbst (ihr Nutzen ist unsere Bezahlung, unsere soziale Währung), aber, wie das gebrandete Selbst und die fraktale Berühmtheit zeigen, gehen Nutzen und Logik über die Domäne einer bestimmten Plattform eine gemeinsame Verbindung ein, die sich mit der kulturellen Logik der Berechnung zusammensetzt. Das gebrandete Selbst, die fraktale Berühmtheit und andere Plattformerleichterungen sind Teil der Kontrolle, die durch “Digitalität als kulturelle Logik” ausgeübt wird. Abgesehen von dem, was wir als soziale Währung erhalten, ist auch der Rest unserer Arbeit als Daten sedimentiert. Sie wird absorbiert, gesammelt, erfasst, abgegriffen, akkumuliert – kurz, durch die primitive Anhäufung von Metadaten gestohlen – und dann gebündelt und an Investoren, Aktionäre oder Werbetreibende verkauft oder von Regierungen, Polizei und Geheimdiensten beschlagnahmt. Unsere Modifikation des diskreten Zustands der globalen Datenverarbeitung wird durch Arbeit entlohnt oder unentgeltlich als verstreute Lebenstätigkeit in “weicher” sozialer Währung geleistet: Lebensfähigkeit, Know-how, Verblüffung, Verbindungen, Likes usw. – generierte Modifikationen dessen, was Beller den Code nennt, der durch unsere Nutzung, ja durch unser Leben in vernetzten Medienmaschinen entsteht…

Für Beller ist die technologische Logik eine karzerale Logik der Einschließung, eine koloniale Logik, die das Bewusstsein als ständiges Reservat darstellt. Kommunikation ist Diebstahl. Die Institution des Bewusstseins ist ein Produkt des Diebstahls und eine Form des Diebstahls.

Die Anzahl und Art der Intervalle von G bis G′ haben eine exponentielle Ausdehnung. Die vollständige Neuverdrahtung von Raum-Zeit und Semiotik – auf allen operativen Ebenen und durch den prägnanten Stil der Protokolle eines einheitlichen Betriebssystems mit den unendlichen Ziffern der KI – verdrängt die altmodische Metaphysik (wie auch die alte Welt selbst), indem sie Methoden der Verzweigung und Inkorporation durch Aufzählung, die Zuordnung von Zahlen zu jeder Qualität, einsetzt. Die rechnergestützte Produktionsweise hat sich tief in die Welt eingemischt. Die allgemeine Prozedur, die erforderlich ist, um von G zu G′ zu gelangen, ist nun die rekursive Schleife des Bild-Codes der Berechnung. Das Bild als Datenvisualisierung wird sowohl verarbeitet als auch manipuliert – es ist eine Baustelle für die Veränderung des Codes. Obwohl wir vielleicht sagen sollten, dass die Information aus dem Bild der Ware hervorgegangen ist, können wir jetzt sagen, dass das Bild ein Aspekt der Information ist. Das Lesen eines Textes, höchstwahrscheinlich auf einem Bildschirm, ist ein Spezialfall der Bildverarbeitung, und selbst wenn man auf Papier liest, ist der Charakter des Mediums Papier und dessen, was darauf erscheint, durch die Medienökologie, in der es sich jetzt befindet, radikal verändert. Wir verbinden uns mit Bildern und werden als Bilder wahrgenommen, sowohl durch psychische als auch durch maschinelle Technologien.

Derivate im Kontext von Finanztransaktionen eröffnen Räume einer Transaktion innerhalb einer Transaktion (Transaktionen, die ihrerseits gebündelt und verkauft werden können, wie beim Preis von Euro in Dollar oder bei der Verbriefung, dem Tranchieren und dem Weiterverkauf von Immobilienkrediten). Die Logik des Derivats ist ein Kalkül aus mehreren Transaktionen, das einen komplexen Prozess auf einen Preis reduziert. Das Finanzderivat wird zu einer Möglichkeit, Informationen auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeiten einer Reihe möglicher Variationen in einer strukturell begrenzten informatischen Matrix zu organisieren und zu strukturieren. Die Tatsache, dass sich der Risikopreis in Bezug auf ein bestimmtes Finanzereignis von einem Moment zum anderen ändert, zeigt sowohl den Nutzen als auch die Grenzen jedes Vorhersagemodells. In ähnlicher Weise schrieb LiPuma in seinem letzten Buch, dass der Tauschwert des Derivats keineswegs eine Funktion der abstrakten Arbeit ist, sondern vielmehr der Ausdruck einer sozialen Abstraktion (des Risikos), die in einem bestimmten Zeitintervall erzeugt wird. Darüber hinaus beruht der Wert des Derivats auf den im Vertrag kodifizierten Informationen und Bedingungen; er liegt nicht in einer auf abstrakter Arbeit basierenden Ware, sondern in der Arbeit, die erforderlich ist, um die Interkonnektivität des weltweit zirkulierenden Kapitals herzustellen. Das Verständnis der Instrumentalität des Finanzderivats, das als Spekulationsinstrument oder zur Absicherung einer Rendite eingesetzt werden kann, erlaubt es uns, weiter zu denken und mit Beller festzustellen, dass auch die Werbung als ein weiteres Instrument des Risikomanagements betrachtet werden kann. So wie die Finanzindustrie die Mathematik auf die Psychologie anwendet, wendet die Werbeindustrie die Psychologie auf die Mathematik an, um den Anlegern ihre eigene Legitimität und ihr produktives Potenzial zu zeigen und die Psyche der Verbraucher an die Werbung zu binden.

Außerdem hängt in der Werbung die “Wette” auf die Wirkung der Marktkräfte von der formalisierten (und zunehmend algorithmischen) Organisation der Psyche und Semiotik durch das programmierbare Bild ab. Diese neuen “Industrien”, die mit verschiedenen Kombinatoriken zwischen Mathematik und Psychologie arbeiten, haben nur wenige brillante Ausnahmen im Marxismus beunruhigt, wie Dallas Smythe, Guy Debord und Jean Baudrillard. Größere Teile des Marxismus hielten an einer rudimentären, quasi newtonschen Konzeption der Warenform als Objekt und damit der produktiven Arbeit als Lohnarbeit fest. Wahrnehmung, Begehren, Imagination und dergleichen, die Fähigkeiten, die Beller als Grundlage der Aufmerksamkeitstheorie zu beschreiben versucht, spielten im Arbeitswertmarxismus kaum eine Rolle. Ein Vergleich dieser beiden “Industrien”, der Derivatfinanzierung und der Werbung, die unterschiedliche Komplexe von G bis G′ verbriefen, zeigt, dass Risikomanagement und Risikomanagementtechniken den Unwägbarkeiten subjektiver Akteure und intersubjektiver sozialer Dynamiken Rechnung tragen, indem sie eine Spanne schaffen. Derivate füllen eine Periode, in der Reichtum als Folge von Volatilität geschaffen wird, als Streuung oder Ausbreitung dessen, was sie als imaginäres Zentrum von Spreads darstellen. Die Gestaltung der Derivate bestimmt die Hebelwirkung dieser Volatilität, hier die Konvexität, was bedeutet, dass die Preisschwankungen des Basiswerts und des Derivats nicht symmetrisch sein müssen. Eine Schwankung des Basiswertpreises kann zu einer überproportionalen Schwankung des Derivatpreises führen. So kann eine geringe Veränderung des Basiswertpreises zu einem enormen Anstieg des Derivatpreises führen; es sei daran erinnert, dass in der Subprime-Krise eine geringe Anzahl von Zahlungsausfällen zu großen Verlusten für die CMOs führte.

Derivate sind Instrumente zur Steuerung der Volatilität, Kalküle informatischer Erfassung, die durch Bildschirme vernetzt sind und aus verschiedenen Arten von Verträgen bestehen. Sie sind nichts anderes als neue Kapitaltechniken für die “Ernte” des allgemeinen Reichtums. Als solche sind sie bereits in der Plantage, der Fabrik und der deterritorialisierten Fabrik der Massenmedien enthalten. Die Plantage hatte die Sklaverei und die Peitsche institutionalisiert. Die Fabrik fügte den imperialen Staat, seine Polizei und die Uhr hinzu, und die sozialen Medien fügten Delirium, Raserei, verallgemeinerte Psychose, Metadaten und den Bildschirm hinzu. Baumwolle und Zucker erforderten andere Methoden als Waschmaschinen und Automobile. Bilder verlangten auch eine Neukonfiguration der Protokolle von Organisation, Kontrolle und Wertschöpfung – alles geprägt von Skaleneffekten und zunehmender Marktvolatilität, die sich in Ungleichheit niederschlägt. Für Beller konvergieren monetäre Medien und deren Entwicklung zur Strukturierung von Kredit/Schulden und sozialen Medien mit der Entwicklung neuer Metriken von Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeitsmärkten; sie funktionieren über Berechnung und sind somit ökonomische Medien. Ökonomische Medien bedeuten hier die Konvergenz von monetären und semiotischen Medien als Berechnung, orchestriert durch den Weltcomputer des rassistischen Kapitalismus. Die Illiquidität des größten Teils des Planeten sichert heute die Liquidität der Finanzwelt. Was letztlich verwaltet wird und der Macht unterliegt, ist der Zugang zu Liquidität.

Ein Facebook-“Like” hatte 2013 Berichten zufolge einen Dollarwert von bis zu 214,81 Dollar. In der Folge hat Facebook immer mehr Optionen und Algorithmen eingeführt, um die Werbewünsche der Nutzer sichtbarer zu machen und ihre Aufmerksamkeit granularer zu monetarisieren. Im Allgemeinen führt die bloße Berührung eines Pads oder Bildschirms zu einer Änderung der Funktionalität, die neue Zugänge, Verbindungen und Informationen hervorbringt, und zunehmend auch zu Geld. Neue Metriken der “Wertschöpfung” sind überall zu finden. Facebook plant heute die Einführung von Libra, einer Kryptowährung, die einen noch nie dagewesenen Zugang zu den Finanzpraktiken von Milliarden von Nutzern ermöglichen wird.

Selbst der indische Bauer, der den Preisschwankungen auf dem Weltmarkt ausgesetzt ist, wird zum Portfoliomanager für seine Ernte. Anstatt für den örtlichen Müller anzubauen, stellt jede Kultur für diesen Landwirt eine Position gegenüber dem Weltmarkt dar, d. h. jede Kultur ist der Volatilität ausgesetzt, und der Anbau mehrerer verschiedener Kulturen ist eine Möglichkeit zur Absicherung der Volatilität. Somit kann die scheinbar traditionellste aller Tätigkeiten als gleichzeitig finanzialisiert und informatisiert verstanden werden. Für Beller ist der Anbau eines bestimmten Lebensmittels nichts anderes als der Start eines Programms in einer Welt der Programme.

Für Beller setzt der Semikapitalismus, ähnlich wie Bifo Berardi, die Erzeugung von Bedeutung/Sprache und die Finanzialisierung voraus; er “bewaffnet” Bedeutung und bringt sie auf den Markt. In Kapitalisierung Vol. 2 haben wir dagegen darauf hingewiesen, dass es problematisch ist, Finanzderivate mit Sprache zu verbinden, da sie durch eine Reihe von a-signifizierenden Semiotiken (Guattari) qua Diagrammen, Zahlen und anderen mathematischen Werkzeugen strukturiert sind.

Information als “Bild” und “Bedeutung” eröffnet ontologisch vorgängige Momente für neue und vernetzte Prozesse und Verarbeitungen im Weltcomputer. Azoulays Vorstellung von der Bedeutung eines fotografischen Ereignisses als “unendlich” bezieht sich paradigmatisch auf den verteilten Austausch, der heute in den sozialen Medien stattfindet: Azoulay bietet eine Theorie an, die die komplexe Beziehung zwischen Bild, Zeichen und Zahl voraussetzt und die uns hilft zu erkennen, dass die Anatomie der sozialen Medien in der Tat der Schlüssel zur Anatomie der Fotografie ist. Und auch die Fotografie ist heute ein Derivat, dem die ephemere Realität zugrunde liegt, die wiederum die Grundlage für die Exposition kontingenter Ansprüche ist. Die Änderung ihrer Kompositionsregeln verändert die Exposition gegenüber dem in einem solchen Fall endemischen Risiko. Dies bedeutet, dass die Fotografie in einem Netzwerk existiert. An dieser Stelle verweist Beller erneut auf Randy Martin und sein Verständnis eines sozialen Derivats, das es erlaubt, eine Art Volatilität zu steuern und gemeinsam etwas zu riskieren, um mehr von dem zu bekommen, was man will, eine “Wette” auf die Volatilität, die jedoch von den Subalternen ausgehen kann. Der Fotograf war schon immer ein Knotenpunkt in einem Netzwerk unbestimmter Vorgaben. Das Netzwerk zu rekonfigurieren, die Ontologie des fotografischen Bildes und der Fotografie als Praxis zu überdenken, so Beller, könnte aber auch bedeuten, die daraus resultierenden Praktiken zu überarbeiten und damit die durch technische Bilder erzeugten Rollenabstraktionen abzuschaffen. Mit der Fotografie, d.h. einer Intervention in die vektorielle Bewegung von I-C-I′ (Bild-Code-Bild′), die die Produktion von I′ innerhalb eines bestimmten Bereichs statistisch vorhersehbarer Parameter durchführt, Parameter, die z.B. durch Zionismus, Siedlerkolonialismus, militärisch-industrielle Macht, vertikale finanzielle Integration und die Kunstwelt bestimmt werden, ist auch eine Unterbrechung des G-G′-Kreislaufs möglich. Es ist eine Unterbrechung des nahtlosen Datenflusses, eine Krise der Inwertsetzung, ein “Hack”.

Historisch und aktuell markiert die Kamera eine dreifache Abstraktion von der Wirklichkeit: vom handgezeichneten Bild (Höhlenmalerei macht aus vier zwei Dimensionen) über die geschriebene Linie (Hieroglyphen, die das zweidimensionale Bild aufbrechen und es eindimensional, also linear, zur geschriebenen Linie machen) bis hin zum materialisierten Kalkül des fotografischen Apparats (lineare alphanumerische Schrift, einschließlich Mathematik, Optik und Chemie – als Programm zur Herstellung von Fotografien in die Materie verlängert). Durch die Produktion von “technischen Bildern” mittels dieser dreifachen Abstraktion verändert die Fotografie das lineare Denken sowie die Struktur der Zeit und damit das Verhältnis von Geschichte und Wirklichkeit grundlegend, so dass der Mensch in den Bereich des programmierten Bildes, “das Universum der technischen Bilder”, programmiert wird. Die technischen Bilder sind selbst das Produkt des automatisierten Denkens von Programmen, die die Welt durch das Denken in Zahlen abstrahieren. Das fotografische Bild ist kein Fenster zur Welt. Es ist programmatische Information. Milliarden von kybernetisch vernetzten Kameraautomaten steuern heute das Programm der Kamera und bewirken die Auflösung des linearen Denkens, der Sprachbeherrschung und der Subjektform, während wir an der Autonomisierung der Fotografie teilnehmen. Das fotografische Programm ist Fotokapital, eine Erscheinung des Weltcomputers.

Mit der Konsolidierung von Bild, Code, Finanzen und staatlicher Macht kehrt sich heute die Priorität von Bild und Benutzer vollständig um, da das menschliche Sensorium zum Eingabegerät für die Befehlssteuerungsfunktion der Berechnung wird, während der menschliche Körper zum Avatar des Algorithmus wird. In Zukunft werden einige Menschen die “Aufgabe” haben, Roboter-Attentäter vor ethische Dilemmata zu stellen.

Für Beller weisen die kybernetischen Verzweigungen der Datenverarbeitung auf neue produktive Schnittstellen sowohl für den “Beobachter” als auch für den “Beobachteten” auf verschiedenen Ebenen hin. Das meiste, was wir sehen, was wir verarbeiten und was wir heute tun, ist informatische Arbeit für das Computerkapital: Wir sind in und durch die computergestützte Produktionsweise eingeschrieben. Diese Logik ist zwar schwer zu erkennen, aber sie ist in der Tat ziemlich rigoros. Dennoch erscheint sie den meisten als ein Chaos, das nur teilweise als organisiert erkannt werden kann, etwa durch atavistische Triebe. Der Funktionalismus des Sozialen und das Scheitern einer anderen Sozialität gehören zu den Ergebnissen dessen, was Stiegler eine Proletarisierung der Sinne und des damit verbundenen kurzfristigen Denkens nennt, und ist die Ursache für das, was Berardi als Burnout, Depression und die Psychopathologien der Gegenwart diagnostiziert.

Die frei fließende Souveränität neoliberaler Kapitalsubjekte wie Modularität, Containerisierung und Sequenzierung ist für Beller einerseits aus den Praktiken der Sklaverei, Kolonisierung und Ghettoisierung hervorgegangen, andererseits verfeinert sie solche Herrschaftsformen. Für Beller ist der Rassismus des Neoliberalismus immer nur einen kleinen Schritt vom Faschismus entfernt.

Beller erkennt keine klare Unterscheidung mehr zwischen technischem Bild und Code und will zeigen, dass die Verkomplizierung endemisch ist für Rechenmaschinen und Denkgeschichte. Software ist letztlich untrennbar mit der medialen Umgebung verbunden, in der sie funktioniert, und hat daher keine starre Grenze oder ein diskretes Wesen. Die Instanzen der Datenvisualisierung des kybernetischen Rechnens sind “Momente” in der Ausdehnung des Informationsuniversums. Friedrich Kittler hat diese Logik der Einbettung und Einbettungslogik auf die Spitze getrieben und erklärt, dass es so etwas wie Software nicht gibt, weil sich alles letztlich auf Spannungsunterschiede reduziert. Genauer gesagt: Es gäbe keine Software, wenn Computersysteme nicht von einer Umgebung aus Alltagssprachen umgeben wären, d.h. Computer sind wie andere Medien immer auch Metaphernmaschinen. Und so ist Image-Code-Image′ (geschrieben als I-C-I′ in der Formel G-I-C-I′-G′), wie die Ware “W” davor in G-W-G′, auch eine Art Hypostase – ein diskreter Moment im instrumentalisierten Fluss der Welt. Die Variablen I und C, die immer von anderen Variablen markiert werden, sind vernetzte Momente im Informationsfluss, die durch Quantenhypostasen vermittelt werden, d.h. Punkte vernetzter Schnittstellen. Diese Vermittlungen, die mit G-I- abgekürzt werden können, wobei “I” für Information steht, können heute sowohl von Maschinen als auch von Menschen mittels sensorischer, affektiver, aufmerksamkeitsbezogener, kognitiver oder metabolischer Arbeit geleistet werden, und sie können immer vernetzt sein. Für Beller kann der G-I-g`G-Fluss durch eine diskrete Zustandsmaschine erfasst werden und stellt die prägnanteste und allgemeinste Form der vernetzten Produktion und Reproduktion des rechnerischen rassifizierten Kapitals dar.

Das Bild auf dem Bildschirm kann also nicht endgültig von dem Code getrennt werden, der es wiedergibt, und auch die aktuelle Organisation der Visualität kann nicht vom Code/Bild getrennt werden. Die Mona Lisa, ob im Louvre oder auf dem Bildschirm, ist nicht mehr nur ein Gemälde; sie ist vielmehr ein Knotenpunkt und eine Schnittstelle in einem riesigen Informationsnetzwerk, genau wie jedes Subjekt selbst. Die Umgebung der Alltagssprache, die die Software “umgibt”, ist Teil der Software. Diese Kolonisierung von Sprache und Bild zeigt die Umwandlung von “menschlichen” Interessen in G′. Für Beller ist dies die eigentliche Subsumtion.

Angesichts der Dominanz der Bilder in allen gesellschaftlichen Bereichen und der vollständigen Digitalisierung der Bilder und ihrer Subsumtion unter das Regime der kapitalistischen Informatik wird deutlich, dass die rechnerische Produktion auf den verschiedenen digitalen Tretmühlen zur allgemeinen Form der produktiven Tätigkeit im Intervall zwischen G und G′ wird. Wie Ratten (aber im Gegensatz zu ihnen, wenn sie sich auf den Plattformen ständig narzisstisch Meinungsblüten zuschreiben), drehen wir die digitalen Zahnräder und malen diskrete Zustände aus. Durch unsere Verhandlung von Bildern (aufmerksam, abgelenkt, psycho- oder neurologisch, semiotisch, metabolisch, unbewusst, usw.) und dem Abgebildeten halten wir einen Code aufrecht, ohne es zu wissen. Auf der Suche nach der durch den Bildschirm vermittelten Souveränität, der Macht des Programmierers, sind wir in das Computernetzwerk eingebettet und führen ständig Berechnungen durch, ohne es zu wissen, um die Programmierung weiter zu speisen. Wir sind Informationssubstrate, die versuchen, die algorithmische Menge zu verwalten.

Wie Flusser bemerkt, sind heute alle Aktivitäten darauf ausgerichtet, fotografiert zu werden. Alles ist ein Mittel der Fotografie, und die Bedeutung wird durch die Kamera gegeben. Der fotografische Apparat subsumiert somit den Menschen, und wir bewegen uns in dem, was Flusser das “Universum des technischen Bildes” und Beller die “Medienumgebung” oder das “Weltmediensystem” nennt. Im Gegensatz zu Flusser versteht Beller das Programm des technischen Bildes als ein extrem räuberisches Funktionieren im rassekapitalistischen Modus, als eine Erweiterung der kapitalistischen Agenda, der kapitalistischen Vermittlung und damit der Logistik der Kommodifizierung und Entlohnung. Mit anderen Worten: Die Programme, die das Visuelle aufspalten, richten nicht nur eine Logistik der Aneignung ein, sondern sie etablieren auch eine Ausbeutung, die ständig droht und aktiv versucht, den gesamten Reichtum durch eine radikale Überdeterminierung in Bezug auf unsere Praktiken und Potenziale an das Kapital zu übertragen.

Flusser ist sich bewusst, dass Kameras die Welt als Information darstellen. Für das Auge ist die Informationsverarbeitung meist nicht mehr sichtbar. Selbst wenn die Zeit bei einer Börsentransaktion auf einem Graphen in Echtzeit um den Faktor 40.000 verlangsamt wird, sind die Transaktionen für das Auge kaum zu verfolgen, geschweige denn zu erklären. Und das beim Handel mit nur einer Aktie. Die Anzahl der Transaktionen, die mit Lichtgeschwindigkeit ablaufen, zeigt, dass Berechnung, Kommunikation und Finanzspekulation ein und dieselbe Bewegung geworden sind. Diese integrierten Funktionen arbeiten algorithmisch und eignen sich nicht für verwertbare Darstellungen; so scheinen sie den visuellen Bereich und vielleicht sogar darüber hinaus die menschliche Kognition effektiv kurzzuschließen. Die Information ist ein Derivat des Bildes, das seinerseits ein Derivat der Sprache ist. Beller spricht von maschineller Kognition, die visuelle und sprachliche Kognition für Milliarden aufeinander folgender Maschinenzyklen orchestriert. Wie zur Bestätigung von Virilios These in Speed and Politics wird davon ausgegangen, dass die Überschreitung der konventionellen Beschränkungen der Raumzeit durch Abstraktionsregime ein Mittel zur Ausübung von Macht innerhalb der konventionellen Raumzeit ist.

Im Industriezeitalter monetarisierte ein Unternehmen die Spanne zwischen den Einnahmen und den Kosten einer technischen Verbesserung zur Steigerung der Effizienz, ging also zu einem geeigneten Zeitpunkt ein Risiko ein und investierte dann in eine neue Technologie. Nach der Investition in eine neue und effizientere Technologie kostet es weniger, eine Einheit von x zu produzieren, und das Unternehmen kann davon profitieren. Das Unternehmen kann dies ausnutzen, indem es zu einem Preis verkauft, der nahe am alten Preis liegt, zumindest so lange, bis die Technologie verallgemeinert wird und der Marktpreis von x auf seine wahren Durchschnittskosten fällt. Doch heute sind die Spreads komplexer. Die Grundstruktur, die die Innovation motiviert, ist nach wie vor die Arbitrage: Durch Innovation in der Produktionseffizienz “kauft” der Produzent die Produktion des Gutes für weniger Geld pro Einheit und verkauft sie auf einem Weltmarkt, auf dem das Wissen, das in den innovativen neuen Maschinen materialisiert ist, noch nicht global zu allen Produzenten durchgesickert ist. Daraus ergibt sich, dass der Preis aus der Sicht des Käufers ein Derivat des Wissens ist, das eine Bewertung des Risikos, die Ausübung einer Option, beinhaltet. Wenn sich das innovative Wissen im gesamten System durchgesetzt hat, tendieren die Dinge zum Gleichgewicht, und das “Gesetz des einen Preises” gilt ohne Arbitrage. Das Kapital wird sich immer dorthin bewegen, wo die Profitrate und damit der Grad der vertikal integrierten Ausbeutung am höchsten ist.

Systemisch gesehen ist das Ergebnis dieser Arbitrage die allgemeine Rendite – der Zinssatz auf G. Was also auf den Finanzmärkten verkauft wird, sind unter anderem Optionen auf das Kommando über Arbeit und Zeit, über metabolische Zeit. Von G zu G′ zu gehen, einen monetären Zins zu realisieren, bedeutet, immer mehr Stoffwechselzeit für das gleiche Geld kaufen zu können. Dabei muss der Preis der Stoffwechselzeit immer weiter gesenkt werden, so dass die notwendige Arbeit (die Arbeit, die notwendig ist, um die Kosten für das Überleben des Arbeiters zu decken) einen immer geringeren Anteil an der Gesamtarbeitszeit einnimmt. Die verschiedenen Branchen und Plattformen konkurrieren so, dass sie die zukünftige Stoffwechselzeit zum niedrigsten Preis auf den Markt bringen.

Beller wies darauf hin:

Das Leben der Bildschirmbenutzer stehlen.
Das Leben von Zielpersonen stehlen.
Unterzeichnung von Bevölkerungen, um die Staatsverschuldung oder den Verkauf von Waffen zu erhöhen.
Strategien zur allgemeinen Senkung der Lebenshaltungskosten

Die “Nutzer”, die Bewohner des Weltcomputers, werden mehr und mehr die Last der Rollenabstraktion tragen und generell immer weniger zu erwarten haben.

Die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Kapitalinnovationen der vernetzten Gewinnung und Verwertung und den spezifischen Code-Anwendungen senkt den durchschnittlichen Preis des Lebens weiter. Karzeralgesellschaften, Besetzungen, Siedlerkolonialismus, Encamps, Enteignungen – das sind keine strukturellen Anomalien des digitalen Kapitalismus. Vielmehr sind sie die nachhaltigen Ergebnisse des Finanzkapitals und als solche nicht nur das Backend von Finanzderivaten, sondern Requisiten des computergestützten Rassenkapitalismus.

Beller führte 1993 erstmals den Begriff “filmische Produktionsweise” ein und kam zu vier Schlussfolgerungen:

Das Kino bringt die industrielle Revolution ins Bild.
Schauen heißt arbeiten.
Die Aufmerksamkeitstheorie des Wertes aktualisiert die Theorie des Wertes.
Der asymmetrische (ausbeuterische) Austausch findet gegenüber der Leinwand statt.

Das Internet als Produktionsmittel ist nun sowohl Voraussetzung als auch Paradigma für die bildschirmvermittelte soziale Fabrik. Aufmerksamkeitsarbeit oder metabolische Zeit kann als informatische Arbeit aufgefasst werden. Es sollte nicht überraschen, dass das Eindringen in die Privatsphäre und die Vorstellungskraft zu den neuen Bedingungen der sozialen Produktion und Reproduktion gehören.

Was wir heute sehen, ist der Vormarsch einer zunehmend granularen Grammatikalisierung der Aufmerksamkeit und nervöser Prozesse, die das, was zu notwendiger Arbeit wird, in einer Weise extrahieren, die nicht mehr im traditionellen Sinne entlohnt wird. Die Menschen werden mit Likes, Endorphinen, sozialem Know-how und anderen Affekten abgespeist und im besten Fall mit Berühmtheit, Zugehörigkeit, Macht und Intimität belohnt. Es scheint, dass die Form des Geldes und die soziale Anerkennung ebenfalls konvergieren; Berühmtheit und Marke beginnen, sich gegenseitig zu artikulieren, insofern sich das eine in das andere übersetzt, beides zunehmend liquide Vermögenswerte. Plattform- und netzwerkbasierte Währungskäufe sind jetzt auch Formen der Befriedigung. Hier sieht Beller auch den Prototyp im sozialen Bereich für das, worum es beim Aufstieg der Kryptowährungen geht. Kryptowährungen sind ein neues Medium, sowohl eine Form von Geld als auch ein soziales Netzwerk. Wie beim Verhältnis von Geld und Information scheint uns auch hier die Konvergenzthese nicht begründet und sollte vielmehr differenziert und auf die Verschränkung der Begriffe verwiesen werden.

Wir bewegen uns heute permanent in einer technopsychischen Landschaft und suchen nach Risiko und Ertrag für unsere investierten Kapazitäten. Wir kennen nun zunehmend die verschiedenen kognitiven Subtypen, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten versuchen, die kapitalistischen Konvergenzen von Arbeit und Spiel, immaterieller Arbeit, Aufmerksamkeit, Prosumer, kognitivem Kapitalismus, Semi-Kapitalismus, Virtuosität, Neuropower usw. zu verbinden. Diese Begriffe stehen für die Arbeit, die wir riskieren, die Ware, die wir auf dem unbeständigen Markt der Beschäftigung anbieten. Weniger bekannt ist die Konvergenz von Lohn als Geld und Anerkennung. Beide werden zu Iterationen des allgemeinen Äquivalents und damit austauschbar für die menschliche Zeit, zu quantifizierten und qualifizierten Token, die uns im Austausch als Entschädigung für unsere Bemühungen angeboten werden. Hier beginnen wir, die finanzielle Aneignung der Expressivität zu sehen und auch die Möglichkeit einer radikalen Form des Finanzwesens als Ausdrucksmedium.

Stieglers Arbeit über politische Ökonomie und Enteignung verweist auf die “Grammatisierung der Geste” durch die Industrie und der audiovisuellen Wahrnehmung und Kognition durch das, was er “Retentionssysteme” oder Medientechnologien nennt. Diese Grammatisierung von Wahrnehmung und Kognition durch Medien und Plattformen macht die Libido nutzbar und bewirkt die “Proletarisierung des Nervensystems”.

Die Formel G-I-G′ impliziert die Konvergenz von Information und Werbung, eine Angleichung der Interessen. Angesichts der postmodernen Verschärfung des Verschwindens des Referenten des Zeichens kann man sagen, dass alles für etwas anderes und damit auch für sich selbst wirbt. Diese prägnante Formel ließe sich noch weiter reduzieren auf eine präzise Deduktion dessen, was nichts weniger ist als der herrschende Imperativ der postfordistischen Gesellschaften.

Vom Standpunkt des Kapitals aus wird die Rolle der Überschussbevölkerung darauf reduziert, als Substrat für Bildproduktion und Semiose zu dienen, und zwar nicht nur in Fabriken, Handwerksbetrieben, Subsistenzlandwirtschaft und informellen Ökonomien, sondern auch als hungernde Horden, als “irrationale”, kriminalisierte oder überflüssige Bevölkerung, als Subjekt-Objekte für Bombardierungen, als verzweifelte Flüchtlinge und sogar als Leerstelle in der Idee der Welt – als Ort des sozialen Todes. Die Menschen werden (über Diskurse und Bildschirme) dazu gezwungen, militärische Produktion, nationale Politik, Internierungslager und Gefängnisse, bürgerliche Vorstellungen, Museumsausstellungen, Unternehmensstrategien und Marktprognosen zu organisieren. Diese Auslöschung und Wegwerfbarkeit durch Einschreibesysteme, die jegliche Bedeutungsproduktion absorbieren, ist auch eine Errungenschaft der Werbung, die dem rassistischen Computerkapitalismus eigen ist. Das Argument ist, dass im Kontext der Virtuosität und der Enteignung des kognitiv-sprachlichen Moments durch das rassifizierte Computerkapital die Sozialität selbst zur Werbung geworden ist. Diese Situation repräsentiert – ja erzwingt – eine derivative Logik, eine Logik, in der jede Handlung eine Absicherung ist, eine Art Risikomanagement zur Maximierung der Rendite. Neben der Fraktalisierung des Faschismus, in der sich das Handeln als ein Profil manifestiert, das die Aufmerksamkeit anderer auf sich gezogen hat, ist die Werbung längst in das Bild und die Datenvisualisierung eingedrungen. Alle Zeichen werden zu Punkten potenzieller Kathexen, zu derivativen Positionen eines zugrundeliegenden Wertes, der soziale Währung und letztlich Wert ist. Wir arbeiten an den Worten und Bildern, aber als Zahlen gehören sie jemand anderem. Die Medien selbst sind zu Formen des Kapitals geworden, und unser Gebrauch von ihnen bedeutet, dass wir an der Schaffung von Werten arbeiten, die das Kapital aufwerten.

Selbst das Unberechenbare und Unmögliche soll berechenbar werden, indem es in den Bereich der mathematischen Berechnung gezogen wird, während das Unbegreifliche rational und damit gesellschaftlich gemacht wird, was letztlich ökonomisch ist – das betrifft nicht nur die Wissenschaft, sondern markiert den Weg des rassistischen Kapitalismus hin zum rechnenden rassistischen Kapitalismus. Indem das Leben als berechenbares Programm, das Sein als Zahl behandelt wird, wird diese Überführung der Qualität in die quantitative Vernunft gerade dadurch erreicht, dass qualitative Formen als Informationen behandelt werden. Eine solche Behandlung setzt voraus, dass vielfältige und mannigfaltige Phänomene, sogar noch die Mannigfaltigkeiten als heterogene, disjunkte und differentielle Komplexe von Singularitäten, als Information dargestellt werden. Gleichzeitig gibt es viele Risikomanagement-Strategien zur Externalisierung von Rauschen und zum Ausschluss von Eventualitäten und unerwünschten Ereignissen, natürlich unter Verwendung eines Kostenkalküls über Strategien, die die Kosten der Überwachung und der präventiven Überwachung einbeziehen.

Beller nennt den Preis ein Kalkül. Die Auferlegung inhaltlicher Gleichgültigkeit ist eine Bedingung für seine Funktion, die Umwandlung von Qualitäten in Quantitäten, damit die Welt berechenbar wird. Selbst die moderne Soziologie, die heute eine ökonomische Theorie sein soll, ist in ein ökonomisches System eingebettet, oder, anders gesagt, die soziologische Theorie ist ein ökonomisches Modell, das von der Ökonomie modelliert wird, weit davon entfernt, Antisoziologie oder Differenzierungsintervention zu sein. Die herrschende Theorie ist eine Landkarte, die für ein Territorium steht, und sie enthält Berechnungen, die für das Kapital produktiv sein müssen, auch als Diskurs. Dies gilt umso mehr, wenn Informatik und sozialkybernetische Praktiken, die in Echtzeit verarbeiten, im Spiel sind. Die Wirtschaftstheorie, vom Spektrum der disziplinären Ökonomie bis zur Unternehmenspolitik, wird Teil einer groß angelegten Strategie der Wertgewinnung aus dem sozialen Körper. Die Theorie selbst ist von der Logik der finanziellen Optimierung kolonisiert worden, was bedeutet, dass das ständig aktualisierte Ergebnis einer Reihe von Experimenten, die am sozialen Körper durchgeführt werden, monetarisiert wird. Theorien, seien es akademische, staatliche oder unternehmerische Projektionen, fungieren sowohl als Motor als auch als Kamera, d.h. sie sind nicht nur Repräsentationen, die interpretative Skripte in Form von abstrakten Konzepten liefern, sondern sie sind oft auch Datenvisualisierungen, Index und somit ein programmierbares Bild. Theorie ist in gewissem Sinne eine Kamera. Sie ist eine Maschine, die durch Praktiken der Abstraktion funktioniert und Praktiken der Abstraktion hervorbringt. Der Diskurs wird zu einer Unterroutine des Bildes, das eine Unterroutine der Berechnung ist, die wiederum eine Unterroutine des rassistischen Kapitals ist.

Die Kamera wiederum ist auch ein Motor, denn eine unbestreitbare Tatsache der gegenwärtigen Epoche ist, dass, in Flussers Worten, “Kameras die Welt zugunsten von Kameras organisieren”, oder, in Begriffen von Bellmers Weltcomputer, die gesamte Matrix der Repräsentation instrumentalisiert wird, um die Produktion von Mehrwert durch die Vernetzung der extraktiven Schnittstellen der Medieninfrastrukturen sicherzustellen. Die Maschinen der Abstraktion erzeugen Schnitte und Bündel, Bilder und Algorithmen, die sowohl Programme für Arbeit als auch Derivate von Arbeit sind. Sie vernetzen die Warenproduktion und ermöglichen die Extraktion des Mehrwerts an der Schnittstelle. Auf den höchsten Ebenen sind es die Finanziers und Staatsführer, die Derivatverträge über die Zukunft ganzer Völker abschließen.

Für Beller ist der Entwicklungsweg der Information, ihre inhaltliche Gleichgültigkeit, ihre Quantität, ihre Vorhersehbarkeit eins mit dem rassistischen Kapital. Beller fasst zusammen: 1) Die Information entsteht als Ausdruck der Wertform. 2) Die Informationstheorie verfolgt die “inhaltsindifferente” Vorstellung des Kapitals. 3) Information ist ein Mittel zum Preis, der selbst ein Derivat des Wissens ist. 4) Information ist die vierte Bestimmung des Geldes (neben Maß, Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel).

Es handelt sich um ein fortlaufendes Kalkül des finanziellen Risikos, das einen Preis hat, ja ein Preis ist und alle Preise in Derivate des Wissens verwandelt: selbst die Externalitäten, die verschiedenen Formen der Verstümmelung und des sozialen Todes (Wilderson) sind Teil des Kalküls, Teil des Kalküls dessen, was immer als soziales Kalkül betrachtet wird. Die Kodifizierung von Rasse, Geschlecht, Nation und allen Formen von Differenz ist nicht mehr nur die Sache von Vermarktern oder Algorithmen; sie ist Teil eines totalisierenden Systems der Überkodierung, das eine Wahrscheinlichkeitsverteilung und ein allgemeines Kalkül für die Kosten-Nutzen-Analyse aller möglichen Formen von Gewalt in Kraft setzt.

Es ist daher nicht zu weit hergeholt, sich vorzustellen, dass die relative soziale Macht eines jeden Individuums auf der Erde in einer einzigen Zahl (seinem Preis) ausgedrückt werden kann, und wenn es einen Markt für einen solchen Index gäbe, würde er verwendet werden. In Wirklichkeit wäre ein solcher Preis eine Spanne, ein Bereich von Werten (ein sich bewegender Index).

Für Beller ist die Bewegung der Information nicht vom Preis getrennt:

Sie ist selbst eine Preisbewegung.
Sie ist das Ergebnis von Finanztransaktionen.
Sie wird künftige Transaktionen in Übereinstimmung mit einem Preiskalkül formen.

In der Tat ist die Information als eine Reihe von rechnerischen Zustandsänderungen innerhalb einer Reihe von diskreten Transaktionen zu verstehen, die in Einsen und Nullen (diskrete Zustände) unterteilt sind, die etwas aussagen, aber in Wirklichkeit Finanztransaktionen sind. In diesem Sinne ist die Information buchstäblich ein Derivat des Wissens – ihre Kosten sind eine Prämie, die zur Aufrechterhaltung der Liquidität gezahlt wird.

Beller bleibt bei der Bestimmung der Beziehung zwischen Information und Preis eher vage. Mal spricht er von beiden als Kalkül, dann integriert er die Information in die Bewegung G-I-G, dann spricht er von der Dominanz der Information, dann vom Preis als Derivat. Wenn die Information in der Formel G-I-G an die Stelle der Ware tritt, dann ist sie immer noch ein Äquivalent der Ware, das in Geld realisiert werden muss, nicht das Geld selbst.

Kommen wir zu unserem Begriff des Derivats: Im Falle des Derivats, das keine Ware ist und keinen transparenten Wert im Hier und Jetzt hat (für uns ist das Derivat auch kein Geld, sondern spekulatives Kapital), ist der einzige Maßstab, der die Transaktion motiviert, die Berechnung seines zukünftigen Wertes. Das Derivat zielt auf eine Zukunft, und es kann nur eingepreist werden, weil die Marktteilnehmer von einer Geld-Brief-Spanne ausgehen, insofern sie sich über den Nettowert des Derivats einigen, aber in ihren Erwartungen und spekulativen Berechnungen über den zukünftigen Wert des Derivats auseinandergehen. Das Weglassen des Risikos zählt nur quantitativ, als Berechnung eines Preises, dem eine Zahl zugeordnet wird. Bei diesem Verfahren werden die Risiken von den Bedingungen ihrer Realisierung getrennt, was bestimmte Auswirkungen hat: Das Risiko kann nun in Form der Volatilität definiert und als Wahrscheinlichkeit der relativen Varianz des Derivatpreises gemessen werden. Die Volatilität selbst wird in einer Produktionslogik gemessen. Derivate profitieren nun von der Volatilität, die sie aktiv erzeugen. Wenn eine Ware verkauft wird, noch bevor sie ein weltliches Ding ist, dann infiltrieren Derivate die Zirkulation in die Produktion, gerade indem sie der Ware schwankende und kontingente Werte zuschreiben. Die Spekulation auf eine vom Derivat getriebene Ware (Immobilien) ist eine Spekulation auf die Spanne zwischen der Richtungsabhängigkeit der Preise und der von den Derivatmärkten erzeugten Spanne.

Der Tauschwert des Derivats ist also keineswegs eine Funktion der abstrakten Arbeit, sondern vielmehr Ausdruck einer sozialen Abstraktion (des Risikos), die in einem bestimmten Zeitintervall erzeugt wird. Außerdem setzt der Wert des Derivats Informationen und die im Vertrag kodifizierten Bedingungen voraus. Er liegt nicht in einer auf abstrakter Arbeit beruhenden Ware, sondern in der Arbeit, die erforderlich ist, um die Vernetzung des weltweit zirkulierenden Kapitals herzustellen. Im Gegensatz zu den von der Finanztheorie hypostasierten Märkten werden die Preise auf den heutigen Märkten ständig neu kalibriert. In der Tat gibt es keinen Preis als die Spanne zwischen Angebot und Nachfrage. Diese Spanne muss ständig ausgeglichen werden, wenn die Märkte überhaupt existieren und liquide bleiben sollen: Der Marktpreis ist der Input, nicht der Output, in jedem denkbaren Preisbildungsmodell. Die Händler überschreiben den Markt ständig auf eine Art und Weise, die die Modelle nicht zu erfassen vermögen.

Die Objektivierungen sind in den sozioökonomischen Strukturen vorhanden, die ihrerseits von den Finanzmärkten geprägt werden: Das Derivat, der Markt, die Logik des spekulativen Kapitals, die Finanzialisierung der Haushalte durch Verschuldung, die Erscheinung des Risikos als soziale Vermittlung, die Existenz neuer Formen der Zeitlichkeit, eine zunehmend abstrakte Form struktureller Gewalt, die Dominanz der Zirkulation über die Produktion. Die Finanzmärkte nutzen all diese Strukturen, um Bilder, Informationen, Währungen und Vermögenswerte aller Art zu monetarisieren. Konstitutiv für diese Wirtschaft ist heute also die Zirkulation von spekulativem Kapital, darüber hinaus die Nutzung der neuen Informationstechnologien, um die Kapitalströme zu formen und zu beschleunigen und schließlich die technologisch unterstützte Produktion von Wissen voranzutreiben, das die Marktteilnehmer in ihren Entscheidungen informiert, spekulativ und global rund um die Uhr zu handeln. Liquidität wird oft als Synonym für die sozialen Beziehungen verwendet, die es den Akteuren ermöglichen, das kollektive Unternehmen zu konstruieren.

Zurück zu Beller. Überall dort, wo Informationen mit dem Markt in Berührung kommen, findet eine Monetarisierung statt; es ist die Marktanalytik, die die Kosten von Informationen und damit bestimmte Instanzen von Informationen selbst in Derivate auf das zugrunde liegende Wissen verwandelt. Ob es sich um einen Instagram-Post oder ein YouTube-Video handelt, Informationen sind das Derivat eines jeden Prozesses. Informationen haben einen Preis, und die Kosten jedes Indexes können im Verhältnis zur Gesamtheit der Informationen und der sozialen Gesamtheit berechnet werden. Informationen zu protokollieren heißt also, Geld zu programmieren. Informationen auf Plattformen zu stellen bedeutet, Geld zu programmieren, um bestimmte Dinge unter bestimmten Bedingungen zu tun. Programmieren: die Organisation von Ressourcen, um kybernetische Maschinen dazu zu bringen, Aktionen auszuführen, die andere kybernetische Maschinen vorhersehbar steuern, um eine Risikoposition auf dem Markt aufzubauen. Wir investieren in die Datenerfassung von Sonnenflecken oder Gesichtern. Die Digitalisierung kann nun als Finanzialisierung durch die Umwandlung der wahrgenommenen Welt in Informationen verstanden werden, wobei informatische Kapazitäten für die Quantifizierung von Qualitäten und die Erfassung des menschlichen Ausdrucks in all seinen Formen genutzt werden.

Zusätzlich zu der Potenz des Geldes, die Semiotik und alle bedeutenden sozialen Aktivitäten zu kolonisieren, zeigt Beller, dass digitale Instanziierungen von Information auch als Orte der Arbeit, als Orte der Extraktion dienen – als programmierte und programmierbare Bilder. Geld als Maß, als Tauschmittel, als Kapital und als programmierbare Form – mit anderen Worten: Geld als informatisch qualifizierte Instanz des Wertes. Für Beller entwickelt und offenbart der Aufstieg des Digitalen die vierte Bestimmung des Geldes als Information. Zu unserer Kritik siehe oben.

Die Informationsverarbeitung ist die Erweiterung des Kalküls, das “hinter unserem Rücken” (Sohn-Rethel) abläuft, die Realabstraktion, die sich aus der praktischen Tätigkeit ergibt, die unser Austausch und unsere frenetischen Transaktionen sind. Dieser Austausch wurde früher als reine Finanztransaktion betrachtet, aber die Kolonisierung der Repräsentation durch die Information erweitert die Finanztransaktion auf das Semiotische und Metabolische und veredelt alle Aktivitäten des sozialen Lebens mit dem Geld. Die großen Fortschritte, von denen einige Sektoren profitieren, sind gleichzeitig Praktiken der Barbarei, die für ihre akquisitorische Expansion die tiefere Trennung der Menschen von ihrem Produkt erzwingen, das letztlich die Welt ist, die sie machen. Jede qualitative Ausdrucksquantifizierung, was immer sie in Echtzeit auspreist, beinhaltet Optionen auf ein zugrunde liegendes Wissen: Optionen, die auf den Kapitalmärkten verkauft werden. Die Optionalität des Geldes induziert seine Volatilität, die seine Informationsverarbeitung ist, obwohl diese an Prozessoren gebunden bleibt: Soziale Agenten, die Optionen ausüben, sind die realen Substrate der Berechnung des rassistischen Kapitals. Für Beller ist es aber auch diese vierte Bestimmung der bereits medial gebundenen Qualifizierung und der scheinbar reinen Quantifizierung des Wertes, in der ein ungeahntes revolutionäres Potential liegt. Denn Information, auch wenn sie rein quantitativ erscheint, braucht Plattformen. Die posthumane Sichtweise privilegiert informationelle Muster gegenüber der materiellen Instanziierung, so dass die Verkörperung in einem biologischen Substrat eher als ein Unfall der Geschichte denn als eine Unvermeidlichkeit des Lebens angesehen wird (Hayles).

Bilder sind abgeleitete Formen. Sie sind eine Form der Währung. Und wir arbeiten für sie und mit ihnen. Wir sind Marktmacher und Marktteilnehmer. Strukturell gesehen erfordern sie den Einsatz von Aufmerksamkeit im Austausch für eine Rendite aus dem Sozialen. Sie sind Instrumente der Liquidität und des Risikos. Die Menschen vergessen (oder wussten es nicht), dass sogar nationale Währungen in Wirklichkeit Derivate ganzer Volkswirtschaften sind; in unseren Köpfen nehmen wir die Nation als selbstverständlich hin und sehen den Wert des Dollars nicht an eine Reihe möglicher Zukünfte gebunden. Nichtsdestotrotz wetten wir, ob es uns gefällt oder nicht, auf eine nationale Wirtschaft, wenn wir ihre Währung halten.

Bildschirme verwandeln sich in deterritorialisierte Fabriken, in Schnittstellen der Wertschöpfung und der Wertgewinnung, und sie werden durch die maschinelle Umwandlung von Ausdruck in Information vermittelt. So werden diejenigen von uns, die eine Version der Welt oder von uns selbst ausdrücken wollen, zusammen mit denen, die dazu gezwungen werden, zu Arbeitern in den deterritorialisierten Fabriken der Medien. Ohne die These vom Interface als Arbeitsplatz können wir die weltgeschichtliche Bedeutung des Aufstiegs von Bildschirmen und Bildschirmkulturen nicht denken…

Das Bild ist ein Derivat und auch ein Arbeitsplatz. Das Derivat ist hier ein Attraktor, der eine besondere Form der Aufmerksamkeit auf sich zieht. Als Instrument des Risikos bindet es Aufmerksamkeit und andere Ressourcen an eine Erzählung oder ein Bild oder andere strukturierte Ereignisse, die zum Risiko einladen. In diesem Prozess werden die Maschinen der Informationsarbeit der Computermedien oft zu unserem Nachteil entlohnt oder ihre Ergebnisse werden einfach gestohlen. Wir alle sind Informationsderivate, die Wetten auf das Soziale eingehen. Einige von uns kooperieren, indem sie pflichtbewusst Bilder konsumieren und Beiträge in den sozialen Medien verfassen, einige von uns singen ihre Klagen in Büchern, Filmen, Gedichten und Musik, andere dominieren Aufführungen und Klatsch, und einige von uns versuchen abzuschalten, sich abzumelden, zu verschwinden oder krank zu werden, während diejenigen, die die Netzwerke kontrollieren, entweder durch Finanzen, Waffen, Staaten, Banken, Überwachung, oder Kommunikationsinfrastrukturen (die ohnehin alle miteinander verbunden sind) obszöne Macht ausüben, während sie mit kalter Gleichgültigkeit auf den Wellen sozialer Volatilität surfen und mit ihren potenziell kriminellen Handlungen, bei denen sie jede Qualität, sei es ein Joghurt, eine Waffe oder ein Porno, der Quantifizierung und computergestützten Berechnung unterwerfen, völlig ungestraft bleiben. Mit jedem unserer Rufe nach Befreiung werden die Reichen nur noch reicher. Aber es gibt eine Sache, die die Holzköpfe des neuen Kapitalo-Finanzfaschismus nicht verstehen, und sie werden es auch nie verstehen: “Der Andere der Anderen ist immer der Andere.” (Eduardo Viveiros de Castro) Zumindest eine Singularität, und das ist das revolutionäre Kollektiv, wird der neoliberalen Plage immer entkommen und widerstehen.

Unterdrückt von den Regimen der Repräsentation und der Wahrheit, die uns durch finanzielle Berechnungen auferlegt werden, durchstreifen wir den informatischen Raum der gerasterten Bilder und verarbeiteten Welten auf der Suche nach einem grünen New Deal und/oder einer roten und grünen Revolution für unsere Aufmerksamkeit, unsere Bestrebungen, unsere Träume – unsere Kreativität, unsere Arbeit. Jeder, der behauptet, Technologie sei neutral, kann heute leicht als Faschist identifiziert werden.

Die großen Autoren, Broker, Aufmerksamkeitsmakler, Handelsplattformen aller Art profitieren von unseren Investitionen, von unseren (ästhetischen oder finanziellen) Bemühungen, ein wenig mehr aus der prekären Weltwirtschaft herauszuholen. So wie Finanzderivate die Marktrichtung absichern und mit monetärer Volatilität handeln können, können Social-Media-Derivate die politische Richtung absichern und mit sozialer Volatilität handeln. Aus diesem Grund macht Mark Zuckerburgs vorgetäuschte “Neutralität” ihn zu einem Unterstützer der weißen Vorherrschaft und des Faschismus.

Wir bieten dem Kapital Zinsen, wir sorgen für seine Liquidität, während wir uns der Enteignung widersetzen und versuchen, unser Los zu verbessern. Die Qualitäten unserer Interessen werden auf den Märkten der Aufmerksamkeit monetarisiert. Dies ist das Ergebnis unseres Begehrens. Die algorithmische Überdeterminierung und Funktionalisierung aller Formen von Aufmerksamkeit nimmt zu. Die Konvergenz der Medienformationen mit der Berechnung, so dass heute fast alle Medien effektiv Computermedien sind, markiert auch eine tiefe und granulare Konvergenz mit der finanziellen Berechnung – eine immer präzisere Mobilisierung der Maschinen und Metriken der Erfassung. Es handelt sich um eine maschinelle Konvergenz von Kalkulation, Finanzen und Werterfassung, die wiederum die Effizienz von Maschinen und ihrem Wissen steigert: das Wissen und die Kapazität, die in und als Anlagekapital sedimentiert sind. Mit dem Algorithmus, mit der KI, bedeutet “Computerkapital”, dass fast alle sozialen Aktivitäten letztlich in Beziehung zu einem umgebenden Wertkalkül gesetzt werden, wobei die meisten, wenn nicht alle Bewohner des Planeten gezwungen sind, das Spiel von ihren statistisch überdeterminierten, algorithmisch und informatisch kodierten Plätzen aus zu spielen. Der Weltcomputer.

“Computational Racial Capital” bedeutet, dass die Kodifizierung sozialer Differenz zu einem immer zentraleren Bestandteil der kapitalmedialen Strategien der Wertaneignung geworden ist. Auch die Rassifizierung ist ein ständiger Prozess der Kodierung und Umkodierung. Jedes Signal wird für die Gewinnmitnahme optimiert. Der Ausdruck ist zu einer Absicherung geworden, zu einer Wette, zu einem Spiel mit dem Spread, das durch die Volatilität des Sozialen organisiert wird; er ist zu einem Derivat geworden – einem Mittel zur Einführung von Liquidität (einer gewissen Konvertierbarkeit von Lebenszeit in soziale Zugehörigkeit). Es geht um die Verwaltung von Menschen und Völkern als Schreibfläche, als Ware, als Quantität, und damit heute als berechenbare Information. Die Polizei tut es, die Gläubiger tun es, die Politiker tun es, die Schulen tun es, die Augen, Ohren, Nase und Rachen tun es.

Wie die Verbriefung von Hauskrediten durch die Hypothekenindustrie, die ihre eigene rassische Logik hat, Kredite bündelt und Tranchen und Schnittstellen konstruiert, schneidet und bündelt das Mediensystem Menschen, komponiert und rekombiniert soziale Körper und schreibt Terminkontrakte über ihre verschiedenen Spaltungen, die wiederum auf den Finanzmärkten verkauft werden.

Plattformen quantifizieren Informationen, deren Substrate durch Vernetzung mit spezifischen Kapazitäten und Grenzen der Interaktivität und Konvertierbarkeit verbunden sind. Sie entstehen, hier konzeptualisiert als soziales, symbolisches, finanzielles und vernetztes Konstrukt, mit dem Aufkommen der Computertechnik. Für Beller bietet das Aufkommen sicherer, verteilter und dezentraler Computer, die vielleicht bald kollektiv gehalten werden und von unten programmierbar sind, auch neue Möglichkeiten für die subalterne Autorschaft von Zukünften. Mit Ausnahme der sozialen Derivate (Sprach-, Bild- und leistungsbasierte Wetten auf soziale Volatilität) werden Derivate heute jedoch “von oben” geschrieben und dienen als eine Art Kommandokontrolle und Vorhersagemarkt für die Berechtigten, der die Anpassung des Risikos und die Ernte der Volatilität selbst ermöglicht. Wenn man diese Bedingungen der Derivate aufhebt, könnten für Beller jedoch kommunistische Futures und Derivate entstehen. Die Antwort der Massen auf die Globalisierung der Information als kapitalistische Finanzialisierung war und wird die Forderung sein, ihre eigene Zukunft zu gestalten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Robert Meister.

Gegenwärtig läuft fast die gesamte Kommunikation über finanzialisierte Medien, oder sie ist so nah an den Finanzmedien, dass sie direkt im Einfluss- und Extraktionsbereich der Finanzwelt stattfindet. Das Derivat ist nicht nur eine wirtschaftliche Form, sondern auch eine Art des Risikomanagements, das sich aus einer überall quantifizierten und von der Volatilität der kapitalistischen Märkte beherrschten Welt ergibt. Es ist ein Dispositiv, das es technisch, psychologisch und semiotisch funktionieren lässt. Für Beller muss man die Subtilität des kybernetischen Kapitalismus und die Sozialität des Derivats begreifen, wenn man die kapitalistische Gewalt überwinden will. Daraus leiten wir ab, dass das organisatorische Ausmaß der Weltfinanzialisierung eine revolutionäre Politik erfordert, die mindestens so nuanciert und subtil ist wie der Weltmarkt und die globale Integration der Produktion in Raum und Zeit. Lebensstilentscheidungen, selbst scheinbar radikale, sind der Aufgabe nicht gewachsen, weil der Markt sie bereits festschreibt und sie leicht zu vermarkten sind. Im Gegensatz dazu muss auf der Ebene der Wertschöpfung, der Aggregation und der Verteilung eingegriffen werden, und zwar mit den weltbildenden Fähigkeiten der Expressivität, der Inspiration und der Imagination. Es ist das Betriebssystem des Sozio-Semiotischen, das verändert werden muss, die Verquickung von Meinung, Expressivität und Finanzen durch die derzeitige Konfiguration der Medien. Wir können nicht weiter zulassen, dass die Reichen die Volatilität ernten, dass unsere Prekarität und die Billionen-Dollar-Rettungspakete für die Reichen es zulassen, dass ihr Risiko auf uns abgewälzt wird. Die meisten der vorherrschenden Modi des Aufmerksamkeitsregimes – Hollywood, Politik, “Nachrichten”, Instagram und Bildschirmtechnologien – sind Verkehrsformen des fraktalen Faschismus, der die Konsolidierung der Berühmtheit auf Kosten des Publikums anstrebt, das auf der Suche nach seinen eigenen Formen der sozialen Liquidität in den Identitäten seiner Stars und Mikroberühmtheiten, Filmstudios und Medienplattformen aufgeht.

Nach oben scrollen