Logistifizierungen

Pandemie und Unplanbarkeit

… Auch wenn das experimentelle Regieren wie Staatshandeln erscheint, das Maßnahmen nicht immer und zwangsläufig im Namen der Wirtschaft durchsetzt, ist es doch mit einer sich transformierenden und dominant werdenden ökonomischen Wachstumsdynamik absolut kompatibel. Denn Wachstum löst sich gerade von Zukunft und Prävention – und damit vom Fortschrittsversprechen liberal-demokratischer Nachkriegsordnungen, das die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts im Sinne einer kapitalistischen Ökonomie prägte. Inmitten der pandemischen Phase wird offensichtlich, dass Unplanbarkeit für manche Wirtschaftsbereiche keineswegs ein Hemmnis darstellt. Im Gegenteil werden Unvorhersehbarkeit und Kontingenz gerade für eine mit und nach der Krise erstarkende kapitalistische Wirtschaft maßgebend. Die zunehmende Kalkulation mit Unsicherheit zeichnet sich bereits deutlich in einer Verschärfung von prekären Lebens- und Arbeitsverhältnissen ab. In einer extremen Verdichtung und Beschleunigung erfahren wir mit der Corona-Pandemie, was „normal“ wird. Nicht vorbereitet zu sein, ist seit Jahrzehnten Teil neoliberaler Ökonomie und Politik, in der die Versorgung des öffentlichen Gesundheitswesens abgebaut, im Sinne privatwirtschaftlicher Profitlogiken umgebaut und die Vorsorge in der Verantwortung der Einzelnen gelegt wurde. Es war weder von staatlicher noch von ökonomischer Seite von Interesse, vorbereitet (gewesen) zu sein: zu viele Kosten, zu viel Stillstand der Zirkulation, zu viel Lagerung. Das Risiko einer Just-in-time-Bekämpfung der Epidemie wurde und wird in Kauf genommen. Das ist einer der zentralen Gründe, weshalb wir es im Umgang mit Covid-19 mit einer „individualisierten just-in-time-Epidemiologie“[18] und Politik zu tun haben, die in experimentierender Weise „auf Sicht“ fährt …

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