Neue, alte Herren in Griechenland Teil 2 – Der Widerstand formiert sich

Bisher sind auf die Ankündigungen der neuen rechten Regierung in Griechenland (1), Exarchia „aus der Hand der Anarchisten zu befreien“, noch wenig konkrete Taten gefolgt. Zwar patrouillieren in der Innenstadt öffentlichkeitswirksam schwerbewaffnete Bulleneinheiten, ansonsten erfolgten aber bisher noch keine größeren repressiven Operationen. Ob dies der „traditionellen Ruhe“ im heißen Athener Hochsommer geschuldet oder anderer Genese ist, sei an dieser Stelle dahin gestellt.

Die Ankündigung, das Universitätsasyl abzuschaffen, ein Erbe des Widerstandes gegen die faschistische Obristen Diktatur der 70iger, löste einiges an politischen Widerspruch aus, unter den Gegner des Vorhabens finden sich sowohl die ehemalige Regierungspartei SYRIZA als auch die letzte stalinistische Partei von Bedeutung in Europa, die KKE. Eine erste Demonstration gegen das Vorhaben fand jedoch eher wenig Zuspruch und blieb für griechische Verhältnisse ungewohnt friedlich. Trotzdem wurde die Entscheidung über eine Umsetzung des Vorhabens erst einmal auf Mitte der kommenden Woche vertagt.

Turbulenter ging es nach einer Gerichtsentscheidung zu, die die lebenslange Haftstrafe für den Bullen, der Alexis Grigoropoulos am 6. Dezember 2008 ermordet hatte, in eine Freiheitsstrafe von 13 Jahre umwandelte. Die Entlassung des Bullen aufgrund guter Führung, etc. erfolgte dann nur kurz nach der Gerichtsentscheidung, was für den Mittwoch dieser Woche zu einer Mobilisierung zu einem Protestmarsch in Exarchia sorgte. Die Ankündigung, sich am Abend an dem Platz zu versammeln, an dem Alexis gestorben ist, sorgte für ziemlich viel Wirbel in den griechischen Medien. Der Abend selber sah dann eine Demonstration von vielleicht um die tausend Leute, die durch das Viertel zogen. Im Anschluss an diese Demonstration griffen Jugendliche am mehreren Stellen die Bullen mit Molotows an, diese Angriffe waren zwar offensichtlich gut vorbereitet worden, hielten sich aber im Rahmen dessen, was in Exarchia zu solchen Anlässen „üblich“ ist.

Im Viertel, dass seit einigen Tagen verstärkt von verdeckt operierenden zivilen Aufklärungseinheiten heimgesucht wird, sind seit einigen Tagen zahlreiche Plakate verklebt worden, auf dem mehrere besetzte Projekte zum Widerstand gegen mögliche Polizeioperationen aufrufen. Der Text lautet sinngemäß:

“Angesichts staatlicher Unterdrückung werden wir weder kapitulieren noch Waffenstillstand schließen. BAU DER BARRIKADEN DER SOLIDARITÄT gegen den bevorstehenden repressiven staatlichen Angriff . NO PASARAN!”

Yannis Youlountas schreibt auf seinem Blog http://blogyy.net über die Entwicklung:

„Stillschweigend von den westlichen Medien ignoriert bereitet sich der südöstlichste Staat Europas am Übergang zu den Kontinenten Afrika und Asien darauf vor, über einen der mystischsten Orte des Widerstands und der Solidarität herzufallen. In den letzten Jahren hat der in Griechenland aufkommende Wind des Widerstandes viele andere grenzüberschreitende soziale Bewegungen inspiriert. Aufgekommene Parolen, wie zum Beispiel „Nicht mehr als Sklave leben“ wurden im Kampf gegen das „loi travail“ in Frankreich oder durch die Gilets Jaunes in jüngerer Zeit wiederholt aufgegriffen. Auch in andere Länder wie Spanien, Indonesien und Italien fanden die griechischen Parolen und Begrifflichkeiten Widerhall. Noch mehr als Worte und Ideen ist es zweifellos das Beispiel von Exarchia selbst, das für sie die größte Bedrohung darstellt. Die Staaten wollen negieren, dass wir sie überhaupt nicht brauchen. Direkte Demokratie, Konsensprozesse, die völlige Verweigerung von Autorität und Hierarchie, gegenseitige Hilfe, Selbstverwaltung oder Selbstorganisation sind Beispiele, die konkret und für die Existenz des Staates an und für sich gefährlich sind. Selbst in dieser alten Welt, die nur auf der Theorie des ‘Endes der Geschichte’, der Behauptung ‘es gäbe keine Alternative’ und einem Auswuchs von Überwachung und Unterdrückung beruht. Aber der Staat weiß es genau: Eine andere Welt ist nahe. Eine andere Welt, ohne den Staat. Eine andere Zukunft. Deshalb werden wir definitiv nicht gehen.“

Ohne Zweifel werden diese Tage und Wochen, die einem möglichen Angriff auf das antagonistische Milieu in Athen (2) vorausgehen, für ganz praktische Vorbereitungen genutzt, über die Stillschweigen zu herrschen hat. Die griechischen Gefährten haben aber unmissverständlich dazu aufgerufen, dass auch wir uns auf die möglichen repressiven Operationen gegen sie vorbereiten, um einen möglichst hohen Druck aufzubauen. Sie bitten darum, Solidaritätsaktionen, bevorzugt an den repräsentativen Vertretungen des griechischen Staates im Ausland durchzuführen und ihnen Berichte und Bildmaterial zu diesen Aktionen zukommen zu lassen.

NO PASARAN

(1) (https://non.copyriot.com/neue-alte-herren-in-griechenland-teil-1-der-repressive-angriff/

(2) https://non.copyriot.com/griechenland-die-jagd-auf-die-anarchisten-ist-eroeffnet/

Sebastian Lotzer am 4 August 2019, der Resi Lucetti für die Übersetzungsarbeit dankt, ohne die dieser Artikel nicht entstanden wäre

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