Stimmen aus der Gruft

MOMEM, deutsch mich nicht voll!

Wenn wir an die Geschichte des Techno, House, damit zwangsläufig auch Disco oder Hip-Hop denken, dann denken wir immer auch an das (Sub-)Proletariat, Queers & PoCs, an Verdrängte, Leute denen weder Raum noch Zeit gegeben wird, die sich diesen selbst aneignen müssen; safer spaces einrichten, heterotopische Orte, Temporäre Autonome Zonen mit eigenen Gesetzen. Meist nicht für alle zugleich, aber doch in unterschiedlichen Kombinationen. Wir denken dabei an Detroit, nicht weil dort der ‚Ursprung‘ von Techno ist, sondern weil Detroit als abgewrackte Gegend, als ehemalige Motorcity, sowohl auf (ehemals futuristische) fordistische Arbeit, als auch durch Krise verursachte Arbeitslosigkeit verweist; und beides davon in rassifizierter Form. Heute taugt Detroit – zumindest in Europa – als musealisiertes Ausstellungsstück, als Ort der Entstehung, als Aushängeschild für ‚gute Musik‘, kurz als Marke unter anderen. Überhaupt wird Lokalkolorit in elektronischer Musik, noch mehr als in den Rockmusiken vorher, als Marke verwendet: Detroit Techno, Chicago House, Berlin Techno, London, usw. usf. So auch ‚Sound of Frankfurt‘.

Was auch immer diese Lokalzuschriften bedeuten sollen, in den meisten Fällen die Beschreibung des hegemonial und kommerziell Erfolgreichen Sounds einer bestimmten Gegend und ihrer jeweiligen Phase(n). Selten bleibt was diesen Sound ausgemacht hat, die Erfahrungen von Menschen, die in Klang umgewandelt wurden, bestehen. Noch seltener kommen all jene Stimmen, die scheinbar keine Rolle gespielt haben zu Wort. So auch im Falle des ‚Sound of Frankfurt‘:

Nicht ohne Grund eröffnet das MOMEM (kurz für: Museum Of Modern Electronic Music, allein der Name ist geradezu lächerlich, denken wir doch zugleich ans Museum Of Modern Art) mit einem Konzert von Sven Väth, dessen aktuelles Album nicht viel mehr als ein müdes Lächeln und Gähnen auslöst, dessen Ruf auf einer Kombination aus Sprüchen, wie „1..2..3..Gude Laune“ und arrogantem, zugekokstem, Mackerverhalten aufgebaut ist. In gewisser Weise mag es auch treffend sein, so steht Frankfurt/Main neben vielen interessanten Events, gespeist aus der sozialen Spannung und so offen durch (Klassen- & Identitäts-)Widersprüche geprägten Stadt, eben auch für einen Wohlfühlsound und gekonnt-indifferenter Ignoranz. Es ist eben auch eine Stadt in der die Ellenbogen raus und nach unten Treten quer durch alle Schichten und Milieus zum Guten Ton der Stadt gehören, ebenso wie das Ausblenden dieser Zustände um nicht im angehäuften Dreck zu ersticken. Während in Berlin das abgefuckte aus der Hausbesetzerszene der 80er & 90er Jahre integriert und vermarktet wurde ‚Berlin Chic‘, wird in Frankfurt schon lange auf Stumpf ist Trumpf gesetzt und die in den 60er Jahren attestierte soziale Kälte einfach mit flacher Hohlheit übertüncht und zum kulturellen Aushängeschild einer Stadt erklärt: „Welcome to Frankfurt“, eine Stadt die außerhalb der eigenen Nabelschau wohl hauptsächlich durch Flughafen und die EZB bekannt ist.

Die Öffnung der Pforten zur Hölle im April wird parallel angekündigt mit einem geradezu unverkrampft[1] deutschtümelndem Blödsinn:

>>Christian Arndt ist Kulturwissenschaftler, Journalist und Musikverleger aus Frankfurt. Der Experte auf dem Gebiet Technokultur in Deutschland hat kürzlich das Buch “ELECTRONIC GERMANY” herausgebracht. Er ist damit nicht alleine auf weiter Flur. In den letzten Jahren sind einige hervorragende Bücher über die deutsche Technogeschichte erschienen, beispielsweise “Klang der Familie – Berlin, Techno und die Wende” oder “Lost and Sound: Berlin, Techno und der Easyjetset”. Wie die Titel vermuten lassen, legen diese Werke den Fokus auf die Partyhauptstadt Berlin. Arndt findet einen anderen Ansatz. In “ELECTRONIC GERMANY” verortet er die Anfänge des Technos nicht in Berlin oder etwa Detroit sondern in Frankfurt. Für kurze Zeit war die Mainmetropole die nationale und internationale “Technohauptstadt”. […]<<[2]

So liest es sich also, wenn Deutsche, nicht nur in der Finanzwirtschaft Europas, sondern auch in der Kulturlandschaft der Welt wieder den Ton angeben wollen. In der Konkurrenz der Städte muss Frankfurt natürlich mal nationale und internationale Technohauptstadt gewesen sein, immerhin ist es ja jetzt eine andere deutsche Stadt, Berlin, und früher, ja, davor, da gab‘ es ohnehin keine Geschichte. Heraus kommt die immer schon gewesene Vorherrschaft des sprach- & wortlosen Plauderns der feelgood Cocktailparty bubble. Und das hat in diesem Fall leider sehr wenig mit Queerness, Subversion oder SaferSpaces zu tun, sondern mit Networking, Marketing und Exploitation.

Gegenüber diesem Geschichtsrevisionismus vom Feinsten wird die Geschichte doch ein wenig anders erzählt, wenn wir aktuelle Protagonistinnen aus der USA befragen. Die Meisten von ihnen erzählen eine doppelte Geschichte, ja, sie wurden in Europa ‘groß’, sie konnten plötzlich Geld mit dem verdienen was sie machten, schließlich gesellte sich ‘white capital’ hinzu, welches in den USA in den 80ern & 90ern zu großen Teilen noch von ihren Veranstaltungen fernblieb. Allerdings erzählen sie auch, fast ausnahmslos die Geschichte, wie sie abgezockt wurden, bei ihren Gagen, den Tantiemen, in den Clubs oder bei den Labels. Und damit sind wir genau an dem Punkt was berechtigt Post-Colonial genannt wird, die Ausbeutung, die einmal in Gang gesetzt wurde, wird wiederholt, nachdem sie Formal, und auf der Ebene der Repräsentation, abgeschafft wurde (Auch hier, an alle Queers, die gerade eine kurze Welle haben, vergesst nicht aus der Geschichte zu lernen, denn bereits jetzt bricht die Änderung der Transsexuellengesetze in Deutschland in sich zusammen.). Dementsprechend sagt dann DeForrest Brown, Jr. dazu folgendes:

>>Last year you began representing the campaign to “Make Techno Black Again.” Can you speak a little bit about the roots of that idea, and its relationship to the original music you create as Speaker Music?

“Make Techno Black Again” began as a meme made by Luz Fernandez who co-runs a sustainable gender-fluid apparel line called HECHA / 做 with my partner Ting Ding. The meme grew into a limited collection of hats produced by Luz and Ting, and as they were preparing for a reissue and redesign, I got involved as a representative and was commissioned to interpret that project as a mix. In the statement for the mix, I wanted to highlight the less formal elements of techno and explore its structure with a much-needed openness that diverges from the understanding of the European dance-music culture industry. There is no four-on-the-floor beat factored into the piece, but there is a loose stereophonic conducting, and real-time beat-matching that occurs through techniques of dubbing and resampling that I hope made the mix pulsate in a way that’s reflective of the energy inside of techno. To quote my written statement: “The ‘Make Techno Black Again’ mix is a tribute to the extended thoughts and techniques that went into the composition of Detroit techno […] designed to be a self-reflective and non-linear tour of Detroit techno as a machine of momentum and an expansion of Black music with the aid of newly acquired technology.”

The hat transfers information in a direct and discrete way — as memes and other forms of propaganda tend to. As I develop my music and conceptual work, the hat works as a kind of formative ground for signaling and hopefully collectivizing Black people who are and aren’t aware of this section of our history, as well as triggering white and European people with an entry point to a new perspective. 2019 has felt like an aggressive year towards historical revision for me. It has been a joy following Nikole Hannah-Jones’ 1619 Project, which has provided so much information for the American (and hopefully global) public to chew on. The disgusting and psychotic beginnings of America, and its system of oppression-fueled industrial capitalism through the selling and torturing of human bodies in the Transatlantic slave trade, needs to be examined from every angle possible as a matter of public safety and awareness. It must be known that the savagery which went into the enslavement of Africans is directly tied to every aspect of what we call “everyday life.”

The history of techno — and the most potent influence of my music practice as Speaker Music — is deeply embedded in the circumstances of the development of the American workforce and production market. The logical step after slavery was to move to assembly line labor, as it could replicate the same functions and results of slave labor within somewhat humane and governmentally regulated conditions. I’ve been working on a book called Assembling a Black Counter-Culture for Primary Information, which has given me room to elaborate on techno as it stems from the term “technocracy” (or “the governmental control of society and industry by elite of technical experts”). To factor labor and monopoly capitalism into the history of techno, I worked through the writings of auto worker and political activists James Boggs, particularly “The Negro and Cybernation” and The American Revolution: Pages from a Negro Worker’s Notebook. His “on-the-ground” experience with the assembly-line manufacturing process worked well in conjunction with [original Detroit techno artist] Juan Atkins‘ reading of Alvin Toffler’s book, The Third Wave, which covers America’s transition from assembly line production to the data-driven information industry we know today. In the book, Toffler refers to “techno rebels,” who would use technology in unconventional ways against the intention of the technocratic elite. For a talk at Unsound Festival in Krakow Poland, I spoke on this idea of techno as a means of re-interpreting our technological present, and tried to offer very sober examples of how white European notions of progress naturally filter out Black involvement while extracting as much from Blackness and Black people as possible. With Speaker Music, I want to close this production loop, and advance with a premise of Black radicalism.<<[3]

Wiederholt wird die selbe Geschichte, die die Popmusik seit Beginn durchzieht[4]:

Wer war der King of Rock? Elvis? Ich könnte Lachen; lediglich ein Weiß angestrichener und straightifizierter Abklatsch von Big Mama Thornton und Little Richard.

Die Beatles? Wären nichts ohne ihre (weiblichen) Fans. Und wie hätten sie wohl geklungen ohne die Cookies, The Marvelettes, Glady Horton oder Tina Turner?

Gefahren eines queeren, subalternen, proletarischen, jüdischen, nicht-christlichem, nicht-weißen, nicht-binärem Abwehren und die Vermarktung auf einen langweiligen Abklatsch umlenken, mit dem sich ohne Gefahr identifiziert werden darf. Jede Spitze abschleifen, den Stein solange durch die Wogen wiegen lassen bis er komplett abgerundet ist, alle Ecken und Kannten verloren hat.

Dabei sind es nicht nur diejenigen, die Vermarkten, die Eigentümer von Clubs und Labels, sondern auch die einzelnen Artists selbst, die Mitspielen:

Der trott geht weiter, statt zu Widersprechen, Sabotieren oder zu Versuchen ein Außen aufzubauen, wird geschwiegen, integriert und darauf spekuliert wenigstens einen kleinen Teil vom ohnehin schon gammeligen Kuchen abzubekommen. Wer heute noch einen Stück vom Kuchen isst, wird morgen ggf. kein Stück mehr abkriegen, oder es der nächsten Person entreißen.

Mit einem Restanflug von Identität: Gudde Abbo!

Bei jedweden anfallenden Magenproblemen, Brechreiz nicht vergessen, und nächstes mal vorher angucken was man frisst. „Destroy 2000 years of Braukunst“ stand in dem immer noch leerstehenden und vor mittlerweile vielen Jahren mit der Begründung, dass dort ein Kindergarten gebaut würde, geräumtem Institut für Vergleichende Irrelevanz am Kettenhofweg 130.

An Orten, wie diesem, so wie vielen anderen auch in Frankfurt, lebte Techno, House, Hip-Hop, Punk, weiter, wir brauchen es nicht idealisieren, auch dort und anderswo, immer mit Problemen von Sexismus, Rassismus, Klassenunterschieden, o.ä., und doch mit einem Anspruch auf eine andere Welt, mit einem kurzen Aufblitzen eben jener:

>>Eine emanzipierte Gesellschaft jedoch wäre kein Einheitsstaat, sondern die Verwirklichung des Allgemeinen in der Versöhnung der Differenzen. Politik, der es darum im Ernst noch ginge, sollte deswegen die abstrakte Gleichheit der Menschen nicht einmal als Idee propagieren. Sie sollte statt dessen auf die schlechte Gleichheit heute, die Identität der Film- mit den Waffeninteressenten deuten, den besseren Zustand aber denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann. Attestiert man dem Neger, er sei genau wie der Weiße, während er es doch nicht ist, so tut man ihm insgeheim schon wieder Unrecht an. Man demütigt ihn freundschaftlich durch einen Maßstab, hinter dem er unter dem Druck der Systeme notwendig zurückbleiben muß, und dem zu genügen überdies ein fragwürdiges Verdienst wäre. Die Fürsprecher der unitarischen Toleranz sind denn auch stets geneigt, intolerant gegen jede Gruppe sich zu kehren, die sich nicht anpaßt: mit der sturen Begeisterung für die Neger verträgt sich die Entrüstung über jüdische Unmanieren. Der melting pot war eine Einrichtung des losgelassenen Industriekapitalismus. Der Gedanke, in ihn hineinzugeraten, beschwört den Martertod, nicht die Demokratie.<<[5]

In guter deutscher Tradition, werden die Widersprüche, aus der Geschichte Frankfurts verdrängt, unter den Teppich gekehrt und vergessen:
Vergessen sind die gewaltsamen Räumungen von Hausbesetzungen für alternative Szenen oder von illegalen Raves. Vergessen ist das Aushungern der Off-Szene zugunsten von etablierten KünstlerInnen[6], das Macht- und Finanzgefälle. Vergessen, dass mit Mille Plateaux & Force Inc. zwei große Labels aus der Ecke Frankfurts existier(t)en, sich explizit dem Kommunismus verschrieben und zur Aufhebung von Staat & Kapital verschworen haben. Vergessen ist die Nachttanzdemo[7], die über zwei Jahrzehnte in Frankfurt stattgefunden hat und von Party- oder Kunstkollektiven, so wie linksradikalen Gruppen getragen wurde, bis sie spätestens 2008 unter dem Einwirken der Staatsgewalt[8] ausweichen und andere Strategien entwickeln musste. Vergessen ist, dass geradezu ironischerweise über lange Zeit, durch die Einschränkungen von autonome Zentren, das Café KoZ zu einem öffentlichen Ort wurde an dem die heutigen ‚Nachwuchstalente‘, um im Jargon zu bleiben, probieren und spielen konnten, da niemand das Risiko eines Experiments im Cluballtag hinnehmen würde; an dem sich heterogene Massen treffen konnten, da der Platz leer war, und es keinen Eintritt oder racial profiling am Eingang gab. Vergessen sind die vielen Drogenrazzien. Vergessen jeder einzelne Hieb mit dem Knüppel, das Irren im Pfefferspraynebel, das abgezockt werden durch Clubbetreiber[9], das ignoriert und vergessen werden. Vergessen.

Der Muff verschwindet jedoch nicht, nur weil man sich die Augen zu hält und eine schöne Melodie trällert. Der gammelige Kuchen stinkt trotzdem, dabei hilft es auch nicht ihn mit Zuckerguss zu überstreichen. Und nicht nur weil dieser bereits angefangen hat zu schimmeln, sondern weil die Zutaten die benutzt wurden um ihn zu Backen bereits jenseits des Verfallsdatums waren. Wer will diese Bäckerei noch? Abwracken und nützliche Reste aufklauben ist das einzige was lohnt.

Dass so etwas, wie das MOMEM, entsteht ist dabei kein Zeichen für die lebendige Viralität von Techno & House oder wie man im Newspeak sagen würde von ‚Clubkultur‘. Stattdessen, wie die etlichen Rockmuseen die es mittlerweile gibt, ein Zeichen, dass die verrottende Leiche nun mumifiziert und ausgestellt[10] wird. Wie das Kapital, das von Krise zu Krise wandelt, wird nun Retrophänomen um Retrophänomen, aus dem Sarg hervorgezehrt, bunt angepinselt und durch den Jahrmarkt getrieben. Während dessen Geschichte exorziert und redigiert wird: Gestrichen wird die Ausbeutung (durch eben jene Urenkel der Kolonialherren, die heute von sich mit strahlendem Lächeln behaupten zur Vorhut einer liberalen Welt zu gehören), die Rassifizierung, die middle passage, die Notwendigkeit von queeren Spaces (um nicht zusammengeschlagen oder gelyncht zu werden), ausgetrieben der Widerstand und die Hoffnung auf ein anderes und besseres Leben, so wie die Einschreibung des bestehenden Falschen in diese Waren[11]. Das was Sie/Ihr Kultur nennt, trägt den Makel der Unterdrückung & der Gewalt, in dessen Fortschreibung sich das MOMEM einschreibt. Sie zusammen mit ihren Entstehungsbedingungen zu zerstören, ist die einzige logische Schlussfolgerung.

Zu Beginn der Pandemie schrieb das „Kommittee zur Aufhebung der Künste“ mit voller Verachtung für Beuys und Kunstbetrieb(-samkeit) im „_art manifesto“[12]:
>>_kunst entgegnet der Beuys‘schen Behauptung „jeder Mensch [sei] ein Künstler“, das „kein Mensch ein*e Künstler*in sein muss“<<.
In die gleiche Richtung stieß Stefanie Sargnagel mit ihrer Aussage: >>Über das prekäre Künstlerleben zu jammern, empfinde ich in vielen Fällen als Luxusproblem. Niemand muss Künstler:in werden.<<[13]
Das Bedeutet zugleich Kunst ist in vielen Fällen Lohnarbeit, wie jede andere, und genauso Stumpf (im Produktionsprozess als auch ihr Produkt), als auch Künstler_innen suchen es sich im Kapitalismus aus von ihrer Kunst leben zu wollen, jeder andere Mensch muss auch von irgendetwas leben.
Wer darin anfängt auch noch jedes dahergelaufene, trendige & woke Thema für seine_ihre eigene Vermarktung zu instrumentalisieren: Klima, Black Lives Matter, Queers (neuerdings Trans* & non-binaries), Ukraine, etc. Beweist damit nicht so sehr sein_ihr politisches Bewusstsein, noch ihre empfindsame Menschlichkeit, sondern viel mehr mitläuferische Betriebsblindheit und eine Kälte gegenüber dem tatsächlichen Elend einzelner Menschen:

>>Ich glaube allerdings, dass Versuche, politischen Protest mit der popular music, also mit der Unterhaltungsmusik zusammenzubringen, deshalb zum Scheitern verurteilt sind, weil die ganze Sphäre der Unterhaltungsmusik, auch wo sie irgendwie modernistisch sich aufputzt, so mit dem Warencharakter, mit dem Amüsement, mit dem Schielen nach dem Konsum verbunden ist, dass also Versuche, dem eine veränderte Funktion zu geben, ganz äußerlich bleiben, und ich muss sagen, wenn also dann irgendjemand sich hinstellt und auf eine im Grunde doch schnulzenhafte Musik dann irgendwelche Dinge darüber singt, dass Vietnam nicht zu ertragen sei, dann finde ich, dass gerade dieser Song nicht zu ertragen ist, weil er, indem er das Entsetzliche noch irgendwie konsumierbar macht, schließlich auch daraus noch etwas wie Konsumqualitäten herauspresst.<<[14] Die Unterscheidung zwischen Ernster und Unterhaltungsmusik mag dahingehend heute hinfällig sein, ist in Zeiten des post-populären, doch längst die gesamte kulturelle Sphäre zu einem Spektakel geworden.
Statt das langweilige und selbstgefällige Spiel eines Kunstbetriebs, und der Kunst als Arbeit, weiter mitzuspielen, wäre es an der Zeit, dass Künstler_innen endlich wieder anfangen, nicht alles zur Kunst machen, sondern die Lohnarbeit und die mit ihr einhergehenden Ausbeutungsverhältnisse als solche abschaffen zu wollen. Eure Spiele der Repräsentation, sind nichts als eine Augenwischerei und ein heuchlerisches vergewissern auf der richtigen Seite zu stehen, während das Leiden fortbesteht. Der künstlerische Einheitsbrei der letzten Jahre entspricht dem inhaltlichen Einheitsbrei der Politik; euer Pseudo-Individualismus ist keine Befreiung, sondern nur das neuste Gewandt des liberalen Faschismus[15]. Eure Einrichtung in einer Welt der MOMEMs, der Telekom Electronic Beats‘, der Red Bull Music Academies, Boiler Rooms und welche anderen Schauerlichkeiten einem noch einfallen können, ist, wie so oft, keine Erfolgsgeschichte im Sinne der Emanzipation aller Menschen, sondern eine (der Umstrukturierung) des Kapitals.


[1]Frank Apunkt Schneider „Deutschpop halt‘s Maul! – Für eine Ästhetik der Verkrampfung“

[2]https://www.feelslikehessen.de/blog/technoliterturteil1

[3]https://afropunk.com/…/speaker-music-is-helping-make…/

[4]Vgl. Sasha Geffen „Glitter Up The Dark – How Pop Music Broke The Binary“

[5]Th. W. Adorno „Minima Moralia“

[6]Das Sternchen oder Doppelpunkt werden absichtlich weggelassen, man könnte meinen das generische Maskulinum wäre hier noch ebenso angemessen, wie vor 100Jahren.

[7]http://nachttanzdemo2008.blogsport.de/

[8]https://vimeo.com/2116966

[9]Hier bleiben wir beim generischen Maskulinum.

[10]With a shoutout to Lenin.

[11]„When you are powerless, something can happen to you and afterwards it has not happened. For you, it happened, but somehow they remember it differently, or don‘t remember it at all. You Can tell them, but it slips their minds. When you are powerless, everything you do seems to be in vain. […] Your road seems dark. Your path is not clear […]“ (Hari Kunzru „White Tears“)

[12]https://derayling.copyriot.com/_art-manifesto

[13]https://taz.de/Schriftstellerinnen-und-ihre-Nebenjobs/!5839635/

[14]Theodor W. Adorno on political protest and popular music, 1968, 3sat

[15]Vgl. Maurizio Lazzarato „Capital Hates Everyone – Fascism or Revolution“

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