Trump und der Protektionismus

Beim derzeitigen Handelsstreit zwischen den USA, China und der EU geht es um die “Regulation” von Waren- und Kapitalströmen, um Technologietransfers und um Verträge und Regeln für die multinationalen Unternehmen. Dabei wird die Souveränität der Nationalstaaten schon länger nicht nur durch die neoliberalen Privatisierungswellen reduziert, sie wird auch durch die Einbindung in die Prozesse der Globalisierung transformiert, Prozesse, welche sich durch verschiedene Formen des Wettbewerbs und der Kooperationen der Staaten untereinander auszeichnen, etwa spezielle bilaterale und zum Teil schon privatisierte Verträge, Handelsabkommen oder militärische Zusammenschlüsse, aber eben auch protektionistische Maßnahmen wie Zölle.

Auch zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems bedarf es bilateraler Verträge (Freihandelsabkommen etc.) zwischen den imperialistischen Staaten, aber auch zwischen ihnen und den Schwellen- und “Entwicklungsländern“. Hier aber geht die Tendenz eindeutig in Richtung Privatisierung. Im Jahr 2013 wurden ca. 3.200 bilaterale Handels- und Investitionsabkommen abgeschlossen, wobei 90% von ihnen auf sogenannte Investor-to-State-Dispute-Settlements (ISDS) entfielen, die es den transnationalen Konzernen ermöglichen, bestimmte Unterzeichnerstaaten in geheimen Gerichtsverfahren auf Schadenersatz zu verklagen. Deutschland hat mehr als 140 solcher Abkommen unterzeichnet, und alle enthalten ISDS-Vorschriften.

Schliesslich geht es beim internationalen Konkurrenzkampf je schon um die Herstellung attraktiver Standorte für Kapitalinvestitionen im jeweils eigenen Land, und das impliziert nicht einfach nur eine Wirtschaftspolitik, die sich um die Ansammlung und Konzentration des industriell produktiven Kapitals kümmert, sondern die auch den Import/Export von Kapital und weiteren Finanzierungsmitteln stets im Auge behält. Das internationale Recht, die informellen Zusammenkünfte der Staaten und die internationalen Institutionen werden zwar weiterhin durch die nationale Souveränität stark beeinflusst, obgleich von den westlichen Regierungen der partielle Verzicht auf die Ausübung der Souveränität in bestimmten Territorien, die man “Offshore-Zentren” nennt und von denen vor allem die international aufgestellte Finanzindustrie profitiert, längst konzediert worden ist.

Dass Trump das Abschlusscommunique des G-7 Gipfels gerade mal mit einem Tweet revidieren kann, zeigt die Wirkungsmächtigkeit solcher Kommunkationsformen an, die oft genug auf Fake-News beruhen. In diesem Zusammenhang wäre es dann nicht uninteressant zu untersuchen, was von der protektionistischen Politik der USA zu halten ist, wenn etwa von der US-Regierung behauptet wird, dass die langandauernde negative Handelsbilanz der USA auf schlechten Deals mit anderen Staaten beruhe. Der größte Teil des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits stammt mit 333  Milliarden US-Dollar aus dem Handel mit China. (Für das Defizit in der Handelsbilanz gibt es für die USA bisher keinen enstprechenden Ausgleich bei den Dienstleistungen und den Erträgen ihre Investitionen in China.) 

Zunächst einmal müssten die USA, nachdem das Land über Jahrzehnte mehr importiert als exportiert hat, als Staat längst insolvent sein. Bei den USA ist das nicht der Fall ist und das liegt daran, dass das Land immer noch die dominante ökonomische Macht im internationalen geo-okonomischen und geopolitischen Vergleich darstellt, vor allem durch das Ansaugen von ausländischem Geld und Kapital, aufgrund der militärischen Stärke und der Leitwährung Dollar. Die USA finanzieren die Importe also durch eine positive Kapitalbilanz. Sollte die US-Zentralbank FED den Leitzins in den nächsten Monaten noch einmal erhöhen, dann würde das diese Entwicklung noch verstärken undaufgrund höherer Renditen würde mehr Kapital in die USA fließen, während der starke Dollar sich auf die Exporte der USA negativ auswirkt. Über den Kauf von Staatsanleihen der USA oder über Geldanlagen bei US-Banken oder anderen Finanzunternehmen fließt Geld und Kapital in die USA, mit dem unter anderem die US-Bevölkerung ihre hohen Konsumausgaben finanzieren und die USA ihre Führungsposition bei den Rüstungsausgaben verteidigen können. Auch ihre Militärausgaben können die USA angesichts ihrer negativen Handelsbilanz eben nur durch den Zufluss von ausländischem Kapital finanzieren, oder, um es anders zu sagen, China und andere Staaten ermöglichen den USA ihre hohen Verteidigungsausgaben, indem sie ihnen Kredit gewähren. Damit stellt sich Trumps Rhetorik in einem ganzen anderen Licht dar.

Geht nun Trump mit seiner protektionistischen Politik weiter auf Konfrontationskurs mit anderen imperialistischen Staaten, die quasi als Geldgeber für die USA fungieren, dann kann es durchaus zu einem Abfluss von Geld aus den USA kommen, wenn bspw. China massiv US-Staatsanleihen auf den Markt wirft, wobei mit der Entwertung der US-Staatsanleihen aber auch China Probleme hätte. Diese Art der Vernetzung zeigt sich auch im Handel mit Waren, insofern Importe nicht mehr nur aus dem Land, das am Ende der Produktionskette steht und damit als Herkunftsort gilt, stammen, sondern oft auch Teile enthalten, die zuvor in anderen Ländern, eben auch in den USA, hergestellt worden sind.

China rückt auch hinsichtlich der Importzölle auf Stahl und Aluminium ins Visier, wobei Trump behauptet, dass die Stahl- und Aluminiumindustrie der USA durch Importzölle geschützt werden müsse. Der internationale Stahlmarkt ist Teil des je schon stattfindenden Wirtschaftskrieges zwischen den imperialistischen Staaten, der sich aber noch verstärkt. China hat seinen Weltmarktanteil am Stahl seit dem Jahr 2000 von 15 Prozent auf 50 Prozent erhöht, während die Stahlproduktion der USA in der derselben Zeit von 16 Prozent auf 7 Prozent gesunken ist. Dabei sichert China die Auslastung seiner Stahlwerke durch massive Subventionen ab und hält damit den Preis für chinesischen Stahl niedrig, wobei das Land mehr Stahl produziert, als es selbst verbraucht und die Überschüsse, um weitere Marktanteile zu erringen, zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt wirft. Die USA, Europa und einige andere Länder haben als Reaktion  mehr als hundert Strafzölle auf Stahlexporte aus China verhängt.

Es bleibt wiederum zweifelhaft, ob gerade für die USA Importzölle auf Stahl die adäquate Reaktion auf die chinesische Dumpingstrategie darstellen, denn nur 3 Prozent der US-Stahlimporte kommen derzeit aus China, der Großteil kommt aus Kanada und Brasilien. Und ein weiterer Nachteil könnte sich hier für die US-Industrie ergeben. Für manche Produkte werden bestimmte Stahllegierungen benötigt, die in den USA gar nicht hergestellt werden. Importzölle bewirken hier (wie auch bei Aluminium), dass sich die Herstellung von Produkten, die von Stahl- und Aluminiumverbindungen abhängig sind, in den USA verteuert. Davon sind nicht nur die Beschäftigten in den jeweiligen Unternehmen, sondern auch die Konsumenten (infolge eines Rückgangs der Produktion infolge des Preisanstiegs) betroffen.

Insgesamt ist die sich verschärfende Konkurrenz zwischen den USA und China ein Symptom der Verschiebung der ökonomischen Machtverhältnisse, einerseits der Abstieg einer dominanten Macht, die aber am Anspruch unter dem Motto „America first“ festhält, und einem „emerging state“, der im Vergleich zu den entwickelten kapitalistischen Ländern weiter aufholen will.

Zugleich verschärft sich die Konkurrenz zwischen den USA und Europa, insbesondere Deutschland. Dabei hat Trump mehrmals bekräftigt, dass der Export deutscher Autos in die USA die eigene Automobilindustrie zerstöre. Verschwiegen hat er, dass ca 40 Prozent der in den USA registrierten deutschen Autos aus Fabriken stammen, welche die deutschen Automobilunternehmen in den USA errichtet haben, womit sie in den USA ca. 35.000 Arbeitsplätze geschaffen haben (mit den Beschäftigten in der Zulieferindustrie der Automobilbranche ca 100.000 Arbeitsplätze). Zudem gehen 60 Prozent der von deutschen Automobilunternehmen in den USA produzierten Autos in den Export, womit die negative Handelsbilanz der USA verbessert wird, mit der Trump ja gerade die Notwendigkeit der Einführung bzw. Erhöhung von Zöllen begründet. Die Produktivität der US-Autoindustrie kann einfach mit der der europäischen Unternehmen mithalten.

Zum anderen holt Trump aber mit der Verhängung von neuen Zöllen nur nach, was die EU längst praktiziert. Und insbesondere der Exportweltmeister Deutschland setzt weiter auf eine aggressive Handelspolitik, während der Binnenmarkt, Infrastruktur, Bildung und Gesundheitswesen vor sich hin dümpeln. Die Exportüberschüsse in Höhe von sagenhaften 250 Milliarden Euro pro Jahr dienen hier nur dem inländischen Kapital.

Foto: Stefan Paulus

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