Werttheorie, Ideologie und Fetischismus

Werttheorie, Ideologie und Fetischismus

Dimitri Dimoulis, Jannis Milios

1. Die Frage des Fetischismus

Der Warenfetischismus ist ein “klassisches” Thema der marxistischen Literatur1. Er ist nicht nur ein zentraler Bezugspunkt für die Werttheorie und für die Analyse des bürgerlichen Rechts und Staates, sondern auch eine “große Konstruktion der modernen Philosophie”2. Die Theorie des Warenfetischismus ist ein relativ “einfacher” Teil des Marxschen Werkes und es gibt kaum Auseinandersetzungen bezüglich ihres Inhalts. Wenn dieser Begriff eine zentrale Rolle in der marxistischen Diskussion hat, das ist auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Analyse des Fetischismus mit politischen Streitgegenständen verbunden ist, also als Bezugspunkt verschiedener Strategien dient. Was eigentlich diskutiert wird, ist das Erklärungsvermögen und die Folgen des Warenfetischismus hinsichtlich der Ideologie und der Politik. Das erklärt den Umfang und die Leidenschaft der Diskussionen, die sich meistens um die wenigen Seiten dreht, die Marx dem Thema im 1. Band des Kapitals widmete.

2. Von den Fetischen der “Eigeborenen” zur einer marxistischen Kontroverse

2.1. Fetische der Ethnologie

Der Terminus “Fetisch” hat eine ziemlich lange Geschichte3. Die Kolonisatoren bezeichneten als “Fetische” die religiösen Objekte und Rituale der eroberten Völker bezeichnet4. Der Begriff “Fetischismus” erscheint zum ersten Mal 1760 im Werk von Charles de Brosses Du culte des dieux fétiches, in dem die Religionsformen der “primitiven Völker” analysiert werden. De Brosses versteht unter Fetischismus die Vergötterung von Objekten, Pflanzen und Tiere. Die Ignoranz und die Angst gegenüber der Natur führt zur Vergöttlichung natürlicher Elemente (“primitive Religion”). Das Unerklärbare wird von den “Primitiven” mit Objekten ihrer unmittelbaren Umgebung verbunden. Durch eine (unzutreffende) Symbolisierung/Erklärung versuchen sie verschiedene Phänomene in der “primitiven” Erfahrungswelt zu integrieren. Der Fetischismus wird als Kennzeichnen einer ersten Entwicklungsstufe der Menschheit betrachtet, an der das Denken der “primitiven” Völker stehen blieb.

Die bekanntesten Philosophen der Moderne und viele Ethnographen werden sich mit der Analyse der “Fetische” und der “primitiven Mentalität” befassen. Große Kontroversen werden entfacht in bezug auf die Fragen, ob der Fetischismus eine Entwicklungsphase aller Völker ist, ob er sich autonom in den verschiedenen Regionen entwickelte oder einen bestimmten geographischen Ursprung hat und ob er Fetisch die “Degeneration” der göttlichen Offenbarung der richtigen Religion ist oder er ein Beweis der Unfähigkeit der Primitiven, diese Botschaft zu verstehen, bildet. Gemeinsamer Punkt dieser Analysen ist die Definition des Fetischismus als einer Religion, die den Gegenstand des Kults gewissermaßen verwechselt, sowie die Idee, daß es eine Entwicklungshierarchie der Völker gibt, an deren Spitze sich diejenigen befinden, die dank der Kultur vom Fetischismus befreit worden sind. Demgemäß haben die europäischen Nationen den Übergang vom Konkreten zum Abstrakten vollzogen, d. h. von dem “sinnlichen” Abbild Gottes zur Verehrung seiner Idee.

Hier interessiert uns weder der exakte Inhalt diesen Theorien noch ihr Charakter als Legitimationsideologie des Kolonialismus, der “andere” Völker nicht verstehen will, sondern ihre gewaltsame Eroberung als “Zivilisationsakt” und “Fortschritt” zu rechtfertigen versucht. Unser Interesse ist hier rein methodologisch. Die ethnologisch-philosophischen Abhandlungen argumentieren aus der Perspektive des externen Beobachters, der dank seines überlegenen Wissens Gegebenheiten einer ihm “fremden” Zivilisation erklärt. Dieser Beobachter diagnostiziert das Aberglauben der “Unterentwickelten” und kann es auch erklären, weil er die Wahrheit über alle natürliche -und übernatürliche- Phänomene besitzt: Das “wahre” Wissen und die reife Zivilisation können die Vorurteile der “Fetischisten” auflösen (Iacono 1992, 63).

Existenz zweier Zivilisationstypen, externe Beobachtung eines rein “internen” Phänomens, Glauben an den geistigen Fortschritt, der das Aberglauben überwindet. Grundlage der ethnologischen Theorie des Fetischismus ist also die radikale Distanz/Differenz zwischen Subjekt und Objekt der Beobachtung, d. h. die Ausschließung der “Anderen” von der “zivilisierten” und vorurteilsfreien Menschheit.

2.2. Die Transformation des Fetischismus bei Marx (methodische Bemerkungen)

Marx kannte die ethnographischen Analysen des Fetischismus und hat den Begriff in diesem Sinne in einigen Jugendschriften benutzt (MEW 1, 89 f.; MEW 40, 532 f., 552). Sein Kapital –wie auch das Werk von Freud- haben eine besondere Bedeutung für die Fetischismusproblematik, weil sie die Perspektive der Ethnographen gewissermaßen umkehren. Beide versuchen den Fetischismus der eigenen Gesellschaft und Kultur zu analysieren, d. h. Formen des Fetischismus zu studieren, die sie selbst als “interne Beobachter” betreffen.

Die Philosophen und Ethnographen des Kolonialismus hatten auf die Methodenfrage zu beantworten, wie eine externe Beschreibung des Fetischismus zutreffend sein kann, also wie sie der “internen” Realität der primitiven Gesellschaft entsprechen kann. Marx und Freud müssten eine interne Beobachtung (also ein persönliches Erlebnis) als objektive (extern gültige) Analyse eines Verkennungsphänomens darstellen, d. h. ihre persönliche Erfahrung distanziert und kritisch widerzugeben (Iacono 1992, 75 und 78).

Der erste Versuch war schon wegen seiner apologetischen Zielsetzung zum Scheitern verurteilt. Der zweite hat sich als besonders fruchtbar erwiesen, muß aber ständig auf die klassische Frage beantworten: Sollen wir den Lügner glauben, der sich als Lügner ausgibt? Welcher ist “der neutrale Ort des internen Beobachters”? (Iacono 1992, 82). Auf diese Frage gibt der Marxismus verschiedene Antworten durch die Dialektik von Sein und Bewußtsein, durch die epistemologischen Analysen zur Parteilichkeit und durch die Analysen zur Funktion und Überwindung der Ideologie.

In bezug auf dem Fetischismus ist eine doppelte Antwort möglich. Erstens kann gesagt werden, daß dank seines Ursprungs der Fetischismusbegriff externe Bezüge enthält, auch wenn er intern benutzt wird. Durch die Übertragung des Begriffs von der Studie der primitiven Gesellschaft auf die “interne” Analyse der Gesellschaft des Beobachters wird die externe Referenz beibehalten, was dem internen Beobachter erlaubt, die “Illusionen”, die die Mitglieder einer Gesellschaft notwendigerweise in ihren gesellschaftlichen Beziehungen erleben, distanziert, d. h. mit dem Blick des Ethnologen zu betrachten. Die zweite Antwort ist, daß Marx die rein interne Beobachtung durch die Anwendung einer komparativen Methode überwindet. Er vergleicht den Kapitalismus mit anderen Gesellschaftstypen, in denen anstelle des Warenfetischismus eine “Transparenz” der gesellschaftlichen Beziehungen gibt; dieser Vergleich gibt Marx “externe” Anhaltspunkte für ein besseres Verständnis des Fetischismus.

Dadurch wird jedoch das Problem der “neutralen Stelle” des internen Beobachters nicht gelöst, d. h. es wird keine Antwort auf die Frage der Objektivität gegeben. Wie kann der Beobachter “gleiche Distanz” zur seiner und zu den anderen Gesellschaften halten? Marx versucht das Dilemma extern/intern zu überwinden, indem er durch den Vergleich gleichzeitig innerhalb und außerhalb seiner Gesellschaft steht. So kann er den Funktionsmechanismus des Fetischismus analysieren, ohne ihn “persönlich” zu überwinden: Er zeigt nämlich warum der Fetischismus ein notwendiger Ausdruck bestimmter gesellschaftlichen Beziehungen ist, d. h. ein reeles Symbolisierungssystem bildet (Iacono 1992, 89-91, 99-100, 111). So erweist sich die interne Analyse als doppelt extern: Einerseits behält der Begriff “Fetischismus” etwas von der Distanz des externen Beobachters der “Eingeborenen” und andererseits wird er durch die komparative Methode nicht nur metaphorisch, sondern auch “analogisch” angewandt5.

2.3. Fetischismen der Marxisten

Mit Ausgangspunkt die Analysen von Lukács werden wir hier die Argumente der marxistischen Fetischismus-Kontroverse rekonstruieren und kritisch beurteilen. Dann werden wir uns dem Marxschen Werk wenden und abschließend einige Bemerkungen zu den Beziehungen der Fetischismusproblematik mit der Ideologie und der Politik formulieren.

2.3.1. Die fetischistisch “entäußerte” Gesellschaft (Lukács)

2.3.1.1. Subjekt/Objekt Dialektik und Bewußtsein

Der Warenfetischismus ist ein zentraler Begriff des Werks Geschichte und Klassenbewußtsein von Lukács (1923). Seine Thesen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen6:

a) Theoretischer Stellenwert des Fetischismus. Die Erklärung aller Aspekte einer kapitalistischen Gesellschaft ist “in der Lösung des Rätsels der Warenstruktur” zu suchen. Diese Struktur ist das “Urbild” jeder Existenzform der Objekte und jeder Form der Subjektivität und wird so beschrieben: “eine Beziehung zwischen Personen (erhält) den Charakter einer Dinghaftigkeit (…), die in ihrer strengen, scheinbar völlig geschlossenen und rationellen Eigengesetzlichkeit jede Spur ihres Grundwesens, der Beziehung zwischen Menschen verdeckt” (170 f.). Das Verständnis der Ideologie im Kapitalismus und der Voraussetzungen ihrer Beseitigung setzt das Verständnis des Fetischcharakters der Ware “als Gegenständlichkeitsform” und als Grundlage des “Subjektsverhalten(s)” voraus (171). So gilt der Warenfetischismus als Quintessenz des Marxismus, als Grundlage der Theorieentwicklung und der Bestimmung einer Politik, die den Übergang zum Sozialismus ermöglicht7.

b) Struktur des Fetischismus. In allen Gesellschaften, wo es “Herrschaft der Ware” (172) gibt, wo sich also die Warenform “als universelle Form” durchsetzt (173), erfolgt die “Verdinglichung” der gesellschaftlichen Entwicklung und des menschlichen Bewußtseins (174). Lukács beschreibt das “Grundphänomen der Verdinglichung” (174) unter Heranziehung der bekanntesten Zitaten aus dem Fetischismus-Kapitel des Kapitals. Dem Menschen wird die eigene Arbeit “gegenübergestellt (…) als etwas Objektives, von ihm Unabhängiges, ihn durch menschenfremde Eigengesetzlichkeit Beherrschendes” (175). Aus objektiver Sicht werden die Waren dem Menschen gegenübergestellt als “eine Welt von fertigen Dingen und Dingbeziehungen” als “sich von selbst auswirkende Mächte”. Aus subjektiver Sicht nimmt die menschliche Tätigkeit die Warenform: sie wird “verdinglicht” und den Gesetzen einer “menschenfremden Objektivität” unterworfen (175).

Im Kapitalismus wird die Warenform verallgemeinert und macht die menschliche Arbeit zu einer “Abstraktion”, die sich in Waren objektiviert und als “Ding” verkauft wird (175, 193). Das Resultat ist “eine ständig zunehmende Rationalisierung, eine immer stärkere Ausschaltung der qualitativen, menschlich-individuellen Eigenschaften des Arbeiters” (176 f.). In der Ökonomie, der Wissenschaft, der Politik und der Philosophie setzen sich die “Kalkulation” und die “Quantifizierung” durch, die jedes menschliche Element tilgen und die wahre Beschaffenheit der Welt verdecken (176 f., 187 ff., 195 ff., 291 ff.)

c) Konsequenzen des Fetischismus. Der Mensch arbeitet als willenloses, “mechanisiertes und rationalisiertes Detailwerkzeug” (179, 291) und seine Eigenschaften werden “als bloße Fehlerquellen” bewertet (178). An allen gesellschaftlichen Gruppen wird eine einheitliche “Struktur des Bewußtseins” aufoktroyiert (191)8. Die Tätigkeit des Arbeiters wird zur bloßen “kontemplativen Haltung” gegenüber dem geschlossenen Maschinensystem, das alles niveliert (179). Der Mensch ist nur noch ein “einflußlose(r) Zuschauer” (180), ein “mechanisches Triebrad” (313). Mit der Durchsetzung des Kapitalismus dringt die “Verdinglichungsstruktur” immer tiefer in das Bewußtsein des Menschen ein (185); sie prägt sämtliche zwischenmeschliche Beziehungen, die nach dem Modell des Warenaustausches aufgebaut werden, während das Individuum seine Eigenschaften und Fähigkeiten als Objekte betrachtet, die er nach der Marktlogik “veräußern” kann (194). Der Mensch wird als Ware objektiviert, sein Bewußtsein kommt dem “Selbstbewußtsein der Ware” gleich (294 f.).

Parallel dazu “entstellt” der Fetischismus selbst die Gegenständlichkeit der Ware (184): Er quantifiziert die Objekte “zu fetischistischen Tauschwerten” (299). Sämtliche gesellschaftliche Phänomene erfahren somit einen Transformationsprozeß in Richtung der Verdinglichung (187, 299). Unter fetischistischen Bedigungen werden die Menschen zu Objekten und die Objekte verlieren ihren natürlichen gegenständlichen Charakter durch die Quantifizierung.

d) Politische Perspektiven. Ausgangspunkt ist die These, daß die Verdinglichung ein Synonym der “tiefste(n) Entmenschlichung” und der “Korruption” bildet (268, 301) (und nicht etwa der Klassenherrschaft und der Ausbeutung). Auch wenn die “Verdinglichung aller Lebensäußerungen” sämtliche Gesellschaftsklassen im Kapitalismus betrifft, wird sie in ihrer extremen Form vom Proletariat erlebt, das zum bloßen Objekt degradiert wird (268, 291, 294 f., 300). Das Proletariat beginnt die wirkliche Geschichte zu erkennen durch die “Selbsterkenntis der eigenen gesellschaftlichen Lage”, d. h. durch die Feststellung, daß seine Verdinglichung (“unmenschliche Subjektivität”) im Kapitalismus notwendig ist (282, 307). Das hat in den Augen von Lukács eine besondere politische Bedeutung. Der Sklave, der seinen unfreien Zustand erkennt, kann seine Situation (Objekt der Erkenntnis) nicht ändern, während der Proletarier, der seine Entmeschlichung versteht, seine Lage wohl ändern kann: Er entdeckt, daß in der verdinglichten Hülle ein “lebendiger Kern” liegt, er erkennt, daß in der Wirklichkeit nur Beziehungen zwischen Menschen gibt; so wird der fetischistische Charakter der Waren mit sämtlichen Illusionen der kapitalistischen Gesellschaft entdeckt (295/6, 309). Dann wird das Proletariat in der Lage sein, die bürgerlichen (quantitativen) Denkstrukturen “praktisch zu durchbrechen” und die Gesellschaft als eine dialektische Einheit aufzufassen (297, 301, 338). Wenn das Bewußtsein des Proletariats zum Bewußtsein der ganzen Gesellschaft erhoben wird (313), dann wird auch die “kapitalistische Durchrationalisierung des gesamten gesellschaftlichen Seins” verhindert (299). Die quantifizierten Sachen werden als wandelbare Prozesse und Beziehungen erscheinen (“Umwälzung der Gegenständlichkeitsformen” -321, 339). Als “identische(s) Subjekt-Objekt der Geschichte” wird also das Proletariat die herreschenden Beziehungen verändern (339).

2.3.1.2. Aporien des Idealismus

Die Zentralität, die Lukács der Problematik des Fetischismus zumißt, ist aus mehreren Gründen problematisch. In erster Linier beruht sie auf einem ahistorischen Idealismus: Es wird angenommen, daß der Mensch als Träger einer “Essenz” geboren wird, daß ihm “menschliche” Handlungs- und Denkweisen immanent sind, die von der objektiven Struktur der Kapitalismus “entäußert” werden und sich unter dem Einfluß der Struktur des Warenaustausches “verdinglichen”.

Die Betrachtung des Fetischismus als Ursache der “Entäußerung” zeugt nicht nur von Essentialismus, sondern auch von Reduktionismus: Sämtliche gesellscaftliche Vorgänge werden auf die fetischistische Wahrnehmung des Austausches zurückgeführt. Das gesellschaftliche Leben wird auf ein “Prinzip” reduziert, das in diesem Fall nicht die “materielle Basis” ist, wie der marxistische Ökonomismus behauptet, sondern die Form in der die Produktionsverhältnisse von ihren Trägern wahrenommen werden. Die Nicht-Berücksichtigung der Vielfältigkeit der gesellschaftlichen Praktiken (Geschichte, Klassenkampf, Ideologieerzeugung) ist für die Schematisierungen von Lukács verantwortlich, z. B. für die Auffassung, daß der Arbeiter die “kontemplative Haltung” eines Beobachters des Maschinensystems übernimmt oder daß jede Denkform mit den Quantifizierungen des ökonomischen Kalküls verbunden wird.

Ebenso reduktionistisch ist die Betrachtung der Ideologie als eines falschen Bewußtseins, das von der Form des Warenaustausches automatisch erzeugt wird (Verschleierung des wahren Charakters der Produktionsverhältnisse). Der Kapitalismus “erzeugt” den Fetischismus, um die Ausbeutung zu verschleiern. Somit wird der Fetischismus als die größte und praktisch einzige ideologische Macht im Kapitalismus betrachtet, eine Schematisierung die mit der utopischen Hoffnung verbunden wird, daß das messianische Proletariat die Wahrheit erkennen wird und als wahres Subjekt der Geschichte das Bestehende umwälzen. Für diejenigen, die nicht auf das Wunder der dialektischen Sprünge glauben, die Lukács in der Tradition des jungen Marx erhofft9, bleibt vollkommen unerklärt, wie denn das “absolute Ding” sich von der enormen Last der “fetischistischen” Ideologie befreien kann und den Kapitalismus dank einer Erkenntis beseitigen wird.

Die theoretische Schwäche des Ansatzes ist offensichtlich, da der Übergang vom Warenfetischismus zur Umwandlung sämtlicher Vorgänge zu entäußerten Dingen vollkommen unerklärt bleibt. Der idealistische Rahmen ist jedoch gegen Verifizierungsversuche immun und läßt kaum Raum für empirische Einwände, wie der Hinweis auf die Entwicklung der Wissenschaft und der Politik, die nicht durch das Schema der Verdinglichung und der Dekadenz erklärt werden kann10.

Lukács betrachtet die Fetischismusanalyse als “Kern” der marxistischen Theorie. Wenn die Produkte der Arbeit über den Menschen herrschen und zwar unabhängig von seiner Klassenlage, wenn der Mensch zur Ware wird, dann fungiert der Marxismus als Theorie der Intepretation und der Entlarvung eines “automatisch” entshehenden falschen Bewußtseins. Und die Theorie der Ideologie beschränkt sich auf die Offenbarung eines Geheimnisses: Das Subjekt wird zwar zu Ware umgewandelt, es kann jedoch zu “sich selbst” zurückkehren, indem es dank einer Revolutionierung der Wahrnehmung, seinen wahren, menschlichen “Kern” neu entdeckt11.

2.3.2. Der Fetischismus des Rechts (Paschukanis)

2.3.2.1. Fetischismus, bürgerlicher Staat und Recht

Der sowjetische Rechts- und Staatstheoretiker Eugen Paschukanis nimmt als Ausgangspunkt seiner Analyse bezüglich der Form des bürgerlichen Rechtssystems eine Feststellung12: Wenn das Recht als System gesellschaftlicher Beziehungen definiert wird, das den Interessen der herrschenden Klasse entspricht und sie durch eine institutionnell organisierte Gewalt garantiert, dann wird zwar der klassenspezifische Inhalt der Rechtsformen gezeigt (Entsprechung zu den Interessen einer Klasse und nicht zu einem allgemeinen Interesse bzw. zu den Zwecken des Friedens, der Gerechtigkeit usw.). Es wird jedoch keine Antwort auf die entscheidende Frage gegeben, “warum dieser Inhalt eine solche Form annimmt” (59).

Paschukanis stellt somit die Unzulänglichkeit, oder zumindest den unzureichenden Charakter der Definition des Rechts als eines Zwangsystems fest und entwickelt eine konsensuale Auffassung des Rechts (Müller-Tuckfeld 1994), die sich weitgehend auf die Analyse des Warenfetischismus stützt:

a) Kern des Rechtssystems. Das spezifische Merkmal des bürgerlichen Rechtsystems ist, daß es “private isolierte Subjekte” betrifft, d. h. die Personen/Subjekte, die Träger von Rechten und Ansprüchen sind (77).

b) Das Recht als “privates” und kapitalistisches Recht. “Die Rechtsform mit ihrem Aspekt subjektiver Berechtigung wird in einer Gesellschaft geboren, die aus isolierten Trägern privater egoistischer Interessen besteht”, in einer Gesellschaft, die durch die “Vereinbarung zwischen unabhängigen Willen” funktioniert (80). Das öffentliche Recht wird unter Nachahmung der Struktur des privaten Rechts ausgesteltet, obwohl ersteres die Interessen der herrschenden Klasse organisiert und keine Rechte des Individuums garantiert. Das Recht kann nur die Gestalt des individuellen Interesses und Willens nehmen und somit bildet das öffentliche Recht eine “Widerspiegelung” des privaten (80, 83 f.). Parallel dazu funktioniert der bürgerliche Staat als eine Abstraktion, die “gänzlich mit der abstrakten objektiven Norm (verschmiltzt)” (118) und die Struktur des Rechtssubjekts widerspiegelt (123 ff.)13.

Daraus ergibt sich, daß Paschukanis unter “Recht” nur das Recht der kapitalistischen Gesellschaften versteht, das sich auf die Gestalt des “individuellen” Warenbesitzters stützt. Ausgeschlossen werden somit aus dem Begriff “Recht” die Normsysteme anderen Produktionsweisen, die die Kategorie des Subjekts als gemeinsamen Status potentiell allen Menschen nicht kannten (96 ff.)14.

c) Rechtsfetischismus. Es stellt sich die Frage, warum der Kapitalismus eine Kategorie von Lebenswesen zu abstrakten und gleichen Rechtsubjekten umwandelt (93). Paschukanis folgt auch hier die “private Perspektive” und stellt fest, daß die Analyse der Subjektform sich auf die Analyse der Warenform stützen muß, die den Prozeß der Umwandlung der sozialen Beziehungen zu Beziehungen zwischen Dingen aufzeigt (89 f.). Das Rechtssubjekt geht aus dem Akt des Austausches hervor, wo der Mensch seine absolute wie auch abstrakte Willensfreiheit zum Ausdruck bringt. Als Subjekt ist der Mensch Eigentümer von Dingen, d. h. von austauschbaren Waren. So wird der Rechtsfetischismus geboren, der den Warenfetischismus ergänzt. Letzterer läßt die Dinge als natürliche Wertträger erscheinen; ersterer läßt die Subjekte, die die Dinge in Bewegung setzen, als ebenso natürliche “Herrschaften” erscheinen, als Träger einer Art von Souveränität, die das Rechtssystem garantiert.

Die gesellschaftlichen Beziehungen nehmen somit eine doppelt rätselhafte Form. Sie erscheinen als Beziehungen zwischen Waren und zugleich als Beziehungen zwischen Subjekten (95 ff.). Abstrakte Arbeit, abstraktes Subjekt, abstrakte Rechtsnorm, abstrakte Staatsgewalt. Das ist der spezifisch kapitalistische, homogenisierende Mechanismus der Bildung des bürgerlichen Rechts durch “Ableitungen”15, deren materielle Grundlage der Austauschakt ist16.

d) Absterben des Rechts. Diese Prämissen erlauben Paschukanis seine berühmte radikale These aufzustellen: Solange die Waren-, oder Wert-, oder Marktbeziehungen bestehen werden, wird auch das Rechtsystem bestehen. In Ländern, wo das Proletariat die Macht eroberte, wird das Absterben des Rechts nur unter der Bedingung möglich, daß die ökonomischen Beziehungen, die sich auf Rechtsverträge stützen und die gerichtliche Konfliktschlichtung erfordern, beseitigt werden (110 ff.). Auch hier ist die Paralellität des Ökonomischen mit dem Juristischen offensichtlich. Sowohl der Warenfetischismus als auch das bürgerliche Recht und seine “Subjekte” fallen mit dem Kapitalismus begrifflich und zeitlich zusammen.

2.3.2.2. Ökonomismus oder strukturelle Erklärung?

Die Analogie zwischen der Ware als “natürlichen” Wertträger und dem Subjekt als “natürlichen” Willensträger (und mit dem Staat als abstraktes Makrosubjekt) stützt sich auf die Annahme, daß es strukturelle Ähnlichkeiten kausaler Form gibt, die zur Erklärung des Rechtssystems herangezogen werden können. Paschukanis beruft sich somit auf das klassische marxistische Schema Basis/Überbau und sucht in der ersten das “Geheimnis” des zweiten. Paschukanis wird des öfteren des Ökonomismus bezichtigt, da er die “relative Eigenständigkeit” des Rechts außer Acht ließe17. Diese Kritik ist kaum überzeugend. Paschukanis behauptet nicht, daß das Rechtsystem keine Eigenständigkeit hat, oder daß die “Basis” die jeweiligen Inhalte des Rechts (Gesetze, Gerichtsurteile, Lehre usw.) bestimmt. Er will nur zeigen, wie die Struktur einer Gesellschaft (d. h. ihre Funktionsprinzipien, die den begrifflichen Kern einer Produktionsweise ausmachen) ein Normensystem erfordert, das bestimmte Prämissen ausdrückt und sie zwangsweise durchsetzt: freie und gleiche Subjekte, Vertrag, Ausgestaltung des öffentlichen Rechts als Widerspiegelung des privaten, freier Willen.

Dieses Normsystem funktioniert auf der Basis von “freien Vereinbarungen” zwischen “souveränen” Subjekten und wird von Paschukanis “Recht” genannt. Um seine Notwendigkeit im Kapitalismus aufzuzeigen, untersucht er die strukturelle Ähnlichkeit seinen Prinzipien mit der Form des verallgemeinerten Warenverkehrs. Durch diese kausale Verbindung (die Funktionsprinzipien des Rechts sind eine Widerspiegelung der Produktionsstruktur) überwindet Paschukanis die Zwangstheorie, wonach das Recht das Produkt eines herrschaftlichen Willens sei und letztendlich mit Gewalt die Interessen der herrschenden Klasse garantiert. Paschukanis erklärt die strukturellen Gründen, die das Recht “konsensual” gestalten und darüber hinaus Konsens erzeugen: Beide seien auf die Entsprechung zwischen den Funktionsprinzipien des Rechtssystems und denjenigen der Produktionsstruktur zurückzuführen, d. h. auf die fetischistischen Vorstellungen, die den Subjekten von den ökonomischen Gesetzen auferlegt werden.

Es ist sicherlich möglich, eine viel breitere Definition des Rechts aufzustellen, sodaß es auch Normensysteme anderen Produktionsweisen umfassen kann. Die enge Auffassung von Paschukanis (Kapitalismus = bürgerliches Recht = Recht) will zeigen, daß ein “Recht” mit den Strukturmerkmalen des bürgerlichen Rechts vor dem Kapitalismus nicht gab und nach ihm auch nicht geben wird: Seine Quelle ist eine geschichtlich bestimmte Ausgetsaltung der Vergesellschaftlichung (Produktionstätigkeiten, politische Struktur, Ideologie), die über den Mechanismus des Warenverkehrs läuft. Laut Paschukanis hat das (bürgerliche) Recht einen geschichtlich einzigartigen Charakter aufgrund seiner Form und wir können hinzufügen, daß ebenso einzigartig die Universalität seiner Anwendung ist18.

Somit entgeht Paschukanis die idealistische Falle, eine allgemeine und rein formelle Definition des “Rechtsbegriffs” zu geben19. Die formelle Definition hat zwei Konsequenzen. Erstens erscheint das jeweilige Rechtssystem als konkreter geschichtlicher Audruck der rechtlichen Normierung, das in jeder Gesellschaft notwendig sei (ubi societas ibi ius)20. Zweitens wird das Recht mit der “Gerechtigkeit” verbunden: Um einen einheitlichen Begriff des Rechts trotz der großen empirischen Unterschiede der sozialen Regelsysteme verschiedenen Gesellschaften aufzubauen, muß ein gemeinsames Element aufgefunden werden, daß geeignet sei, als Basis der Definition zu dienen. Als solches wird meistens die abstrakte Idee der Gerechtigkeit (oder der Moral oder der “guten Ordnung”) betrachtet. Somit erscheint aber das bürgerliche Recht als die beste, “effizientere” und “menschlichere” Form des Rechts, weil es sich im Unterschied zu den früheren (barbarischen, hierarchischen, primitiven) Rechtssystemen auf universelle und rationale Prinzipien stützt: Freiheit, Gleichheit, Gewaltenteilung, Privatautonomie, “humane” Strafen21. Aus dem Idealistismus entgehen auch nicht die “realistischen” Theorien zum einheitlichen Zweck/Ursprung des Rechts (“Geist” eines Volkes, Ausdruck des kollektiven Willens in einer Gesellschaft, Willen des Gesetzgebers, Entscheidungen der Rechtsanwender) und nicht einmal die kritische Auffassung, wonach Essenz des Rechts die Macht/Gewalt sei, die sich durchsetzen vermag22. Die letztgenannte These begründet das Paradigma “Recht = Macht” und zeigt den Ursprung und die materielle Basis eines Normensystems auf. Sie kann jedoch nicht die spezifischen Funktionen des bürgerlichen Rechtssystems erklären, wie Paschukanis richtig bemerkte.

Der von Paschukanis gewählter Standpunkt ist also nicht ökonomistisch -es sei denn, wir verstehen unter Ökonomismus jede Analyse, die die juristischen und ideologischen Phänomene mit den Produktionsverhältnissen verbindet-, sondern stützt sich auf eine berühmte Bemerkung von Marx in den Grundrissen (1856/57): “Gleichheit und Freiheit sind also nicht nur respectirt im Austausch, der auf Tauschwerthen beruht, sondern der Austausch von Tauschwerthen ist die productive, reale Basis aller Gleichheit und Freiheit. Als reine Ideen sind sie blos idealisirte Ausdrücke desselben; als entwickelt in juristischen, politischen, socialen Beziehungen sind sie nur diese Basis in einer andren Potenz” (MEGA II/1.1, 168).

Diese Auffassung wird mehrmals von Marx im Kapital und in der Kritik des Gothaer Programms wiederholt, wo die juristischen Begriffe der Freiheit und der Gleichheit “als innere Wiederspiegelung der Warenproduktion und des Warenverkehrs” (Balibar 1997, 194) betrachtet werden23. So werden die Prinzipien des Rechtssystems als Ideologie betrachtet, die im Kapitalismus genauso notwendig ist, wie die religiösen Anschauungen im Feudalismus.

Diese Widerspiegelungsthesen können zu einer ökonomistischen Lektüre führen, wenn wir annehmen, daß jede Basis den ihr zugehörigen “Überbau” erzeugt, d. h. wenn wir den Bildungsprozeß des Überbaus ahistorisch betrachten (automatische Anpassung des Überbaus zu einer Basis). Das impliziere nämlich, daß die “Basis” in einem ideologisch-politischen Vakuum bzw. im Rahmen eines ihr feindlichen Überbaus entsteht24. Wenn wir dagegen die Bildung der kapitalistischen Gesellschaften als Produktion von Recht und Ideologie verstehen, die synchronisch zur gewalttätigen Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse erfolgt, dann zeigt die These von Marx und Paschukanis, warum die Bildung eines Rechtsystems mit flächedeckender Anwendung und auf der Basis der “freien” Austauschverhältnissen zwischen gleichen Rechtssubjekte theoretisch (und geschichtlich) untrennbar mit Kapitalismus als ökonomisches System verbunden ist. Und dadurch können die apologetischen Auffassungen zum Charakter des bürgerlichen Rechts (Fortschritt der Menschheit, Zivilisierung, Rationalisierung der Staatsapparate zwecks der Garantie eines allgemeinen Interesses usw.) überwindet werden.

Die ökonomistische Ableitung des Rechtsystems aus einer “Basis” kann also vermieden werden, wenn die Struktur der Ware nicht als ein “einfacher” (und von der kapitalistischen Produktionsweise geschichtlich und theoretisch unabhängiger) Ausgangspunkt genommen wird und wenn das “fetischistische Recht” nicht auf die Eigenschaften der Ware zurückgeführt wird. Die Analyse von Marx und Paschukanis bildet eine begriffliche Abstraktion und stellt keine geschichtlich-genetische Ableitung des Überbaus dar. Sie beschränkt sich darauf, der Basis (“materielle Grundlage”) ein logisch-funktionelles Primat einzuräumen, das jedoch geschichtlich niemals existierte.

In Anlehnung am begrifflichen Schema des Warenfetischismus analysiert Paschukanis als Rechtsfetischismus die Auffassung, daß es freie/gleiche Subjekte gibt, die die Sachen beherrschen und ihre Freiheit durch die Gestaltung ihren Beziehungen ausdrücken. Paschukanis bietet somit eine Analyse des Fetischismus, die sich nicht mit oberflächlichen Analogien begnügt. Er behauptet nicht, daß das Recht durch die tägliche Praxis zum Fetisch erhoben wird (das Funktionieren des Rechtssystems schaffe die Illusion, daß Paragraphen und parlamentarische “Papiere” die übernatürliche, “fetischistische” Macht haben, die Welt zu bewegen) und daß dadurch der Klassencharakter des rechtsschaffenden Willens verdeckt wird (“Gesetz ist Gesetz”; “aufgrund des Gesetzes”). Paschukanis will die Auswirkungen des Rechtsfetischismus für die Bildung und Reproduktion der kapitalistischen Beziehungen aufzeigen. Es handelt sich um die Durchsetzung eines Beziehungsmodells, das der Struktur des Warenaustausches entspricht und das Vorhandensein rechtlicher Regelungen voraussetzt. Diese “reiche” Konzeption des Fetischismus erlaubt Paschukanis die Spezifizitäten des bürgerlichen Rechts aufzuzeigen25.

2.3.3. Die Verwerfung der Fetischismusproblematik (Althusser-Schule)

Gemeinsames Merkmal der bereits dargestellten Auffassungen ist, daß sie die Marxsche Analyse des Fetischismus am Anfang des Kapitals akzeptieren und in zwei Richtungen weiterführen26. Die Perspektive von Lukács ist universalisierend. Der Warenfetischismus erscheint als ein Entäußerungsprozeß, der eine falsche Vorstellung bezüglich der Austauschbeziehungen erzeugt und sämtliche gesellschaftliche Tätigkeiten umfaßt (Verdinglichung der Subjektivität, Quantifizierung des Denkens). Der Fetischismus wäre also die Ursache einer Struktur, die die “echten” gesellschaftlichen Beziehungen zerstört. Vom tief “entmenschlichten” Proletariat wird die Bewußtwerdung erwartet, die die Struktur der Entmenschlichung aufheben wird.

Die Perspektive von Paschukanis ist analogisch. Sie verbindet die Funktionsprinzipien des Austausches im Kapitalismus (Wert, Äquivalenz) mit denjenigen des Rechtssystems (Subjekt, Willen) und zeigt die Notwendigkeit des (bürgerlichen) Rechtssystems im Kapitalismus. Der Rechtsfetischismus sei keine Konsequenz des ökonomischen, sondern eine Struktur, die analog zu ihm gebildet wird. Auch Paschukanis vertritt die Ansicht, daß der Kapitalismus “nivellierend” wirkt (Homogenisierung der Sachen als “austauschbaren” Waren und der Menschen als freien/gleichen Willensträger). Im Gegensatz zu Lucács will jedoch Paschukanis nicht die “Verdinglichung” kritisieren. Er analysiert die Resultate einer symbolischen (und tief politischen) Ordnung, die die Produktionsverhältnisse nach bestimmten Codes ausgestaltet. Er löst das “Geheimnis” der Rechtsform und betont, daß ohne die “fetischistische” Konfiguration des kapitalistischen Austausches das bürgerliche Recht undenkbar wäre. Dies begründet den politischen Unterschied zu Lukács. Paschukanis sieht die Notwendigkeit einer Synchronie bei der Abschaffung des Rechts/Staates und des Marktes durch den Klassenkampf und versteht, daß vom “nivellierenden” Schema des Fetischismus keine politische Konsequenzen für den Prozeß des Übergangs gezogen werden dürfen.

Diametral entgegengesetzt zu diesen Ausdehnungen der Problematik des Warenfetischismus steht ihre Verwerfung seitens der “Althusser-Schule”, die sich vor allem in einem in den ’70en Jahren veröffentlichten Text von Balibar sowie in einer postum publizierten Arbeit von Althusser aus demselben Jahrzehnt zum Ausdruck kommt.

2.3.3.1. Warenfetischismus als Idealismus I (Balibar) 27

Im Rahmen einer (auto)-kritischen Ergänzung des kollektiven Werkes Lire le Capital, unternimmt Balibar eine “kritische Analyse des Definition” des Fetischismus und seiner Stellung im Marxschen Werk (213).

a) Der Fetischismus als bürgerlich-idealistische Theorie. Marx analysiert den Fetischismus, ohne die Begriffe “Kapital”, “kapitalistische Produktionsweise” und “Reproduktionsprozeß des Kapitalismus” eingeführt zu haben. Ohne diese Elemente ist jedoch unmöglich, den Wirkungsrahmen des Fetischismus zu bestimmen (bürgerliche Ideologie, Kaufverträge und sonstige Voraussetzungen des Zirkulationsprozesses) (218/9, 221). Die Analyse des Fetischismus im 1. Kapitel des Kapitals basiert auf den ideologischen Kategorien des Rechts und der klassischen politischen Ökonomie (Person/Sache, Freiheit/Zwang, natürlich/gesellschaftlich, Plan/Markt) (219). So wird die ideologische Verkennung als ein automatisches Ergebnis der Warenzirkulation betrachtet, wobei die Ware als Subjekt oder Grund der ideologischen Verkennung dargestellt wird (227).

b) Theoretische Bedeutung des Fetischismus. Die Marxisten, die die Fetischismusproblematik übernehmen, entwickeln idealistische Anthropologien (Lukács), während die Materialisten (Lenin) dem Fetischismus keine Bedeutung zugemessen (220). Dies ist auf zwei Gründen zurückzuführen. Aus philosophischer Sicht ist der Fetischismus ein Hindernis der materialistischen Analyse der Ideologie, weil er mit der Problematik der Geburt eines Subjekts verbunden ist, d. h. das Subjekt als eine wissenschaftliche Kategorie betrachtet, die die ideologischen Phänomene im Kapitalismus erklärt. So wird der Fetischismus “enthousiastisch” von der Strömung der “Entfremdung” aufgenommen (das Bewußtsein des Subjekts sei für das gesellschaftliche Geschehen bestimmend) und auch von formalistisch-strukturalistischen Ansätzen verwendet, die sich ebenso auf die Problematik des Subjekts stützen (die Stelle des Subjekts im Produktionsverfahren führt zur Bildung bestimmter Vorstellungen und Illusionen: 225-229, 231).

Aus methodischer Sicht behaupten die Anhänger der Fetischismusproblematik, daß die Analysen des Kapitals Kontinuität aufweisen: Alles wird von der ursprünglichen “einfachen” Abstraktion der Ware abgeleitet durch die allmähliche Entwicklung seinen konkreten Attribute. Im Verlauf der Analyse des Kapitals ändert jedoch Marx den Gegenstand seiner Untersuchung. Er bezieht sich nicht mehr auf der Ware und der allgemeinen Wertform, sondern auf dem doppelten Charakter der Arbeit und auf dem Austauschprozeß (222/3). Aus diesem Grund sei der Fetischismus Ausdruck einer “vormarxistischen philosophischen Problematik” (224). Er kann höchstens als “propädeutische ‘Dialektik'” fungieren (220), d. h. als interne Kritik der apologetischen Verwendung der ökonomischen Kategorien (223).

c) Fetischismus gegen Ideologie. Eine echte Kritik hat jedoch extern zu erfolgen im Rahmen einer Theorie der Ideologie, die Marx selbst nicht entwickelt hat (227). Die materialistische Theorie der Ideologie muß das Funktionieren “autenthischer ideologischer sozialer Beziehungen” berücksichtigen, die durch den Klassenkampf entstehen, sich in ideologischen Apparate zum Ausdruck kommen und von den Produktionsverhältnissen in letzter Instanz bestimmt werden (225).

d) Politische Konsequenzen. Die Theorie des Fetischismus stellt das Ende der Ideologie und die gesellschaftliche Transparenz als automatisches Resultat der Abschaffung der Marktbeziehungen dar. Das führt zu einer falschen Betrachtung des revolutionären Übergangs zum Kommunismus als Aufhebung der “Entäußerung”, die von der Transformation der ökonomischen Basis unmittelbar ergeben wird (229).

2.3.3.2. Warenfetischismus als Idealismus II (Althusser)

Im Jahre 1978 unterzog Althusser der marxistischen Staatstheorie einer kritischen Bewertung. Diese Studie stellt mehrere “Sackgässe” des Marxismus fest28 und unternimmt eine Dekonstruktion der Fetischismusproblematik.

a) Der Fetischismus als juristische Ideologie. Der Marxsche Fetischismus gründet sich auf der These, daß in den Warengesellschaften die Beziehung zwischen menschlichen Arbeiten als Beziehung zwischen Sachen erscheint. Dies setzt voraus, daß die Beziehungen zwischen Menschen und/oder Menschen und Sachen an sich -d. h. ohne die fetischistische Ideologie- transparent seien, weil sie direkt sind. Diese Voraussetzung kann jedoch nur in der juristischen Ideologie begründet werden, die in allen rechtlich geregelten Beziehungen die “Transparenz” der Eigentumsbeziehung projiziert (die Sache gehöre offensichtlich dem Subjekt-Eigentümer). In der juristischen Ideologie werden die zwischenmenschlichen Beziehungen mit den Beziehungen zwischen Sachen gleichgesetzt: Zwei Warenmengen kommen in der Beziehung des Äquivalentenaustausches, weil zwei Menschen sie auszutauschen entscheiden -und umgekehrt. Der Sachenaustausch ist mit dem Austausch zwischen Subjekten gleichbedeutend (487 ff.).

b) Fetischismus gegen Ideologie. Der Marxsche Fetischismus ist im Grunde genommen ein logisches (und ideologisches) Spiel mit beliebig austauschbaren Termini: Es ist unmöglich zwischen Reellem und Imaginärem, zwischen Unmittelbarem und Vermitteltem zu unterscheiden. Das Subjekt und das Objekt werden je nach Beweisbedürfnis anders aufgefaßt. Der ideologische Zirkel kann gebrochen werden, wenn wir die juristischen Kategorien, die auf dem Gegensatz Sache/Person beruhen, verlassen, d. h. wenn wir die Kategorien verwerfen, die im 1. Kapitel des Kapitals zur Begründung des Fetischismus herangezogen werden. Die Marxsche Analyse zeigt nicht die Mechanismen der Produktion des Fetischismus auf, die mit der Tätigkeit der Staatsapparate zusammenhängen und “Mystifizierungen” erzeugen, die viel komplexer und politisch effizienter als die “fetischistische” Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen als Beziehungen zwischen Sachen sind. Anders ausgedrückt, ist die ideologische Funktion, die die geschichtlichen Gegebenheiten als natürlich erscheinen läßt, mit dem Staat und nicht mit dem Warenaustausch verbunden (ebda).

c) Gründen des marxistischen Idealismus. Auf die Frage warum Marx sich auf das Fetischismus”spiel” einläßt, gibt Althusser drei Antworten (490-492):

– Eine politische Erklärung ist, daß Marx dadurch zeigen wollte, daß die kapitalistische Gesellschaft ihren Mitglieder als natürlich, notwendig, gerecht und ewig erscheint, obwohl sie nicht anderes als eine geschichtliche Formation ist, die eines Tages vergehen wird. Als Tendenz, das Bestehende als natürlich zu betrachten (495), trägt der Fetischismus dazu bei; durch die Entlarvung der fetischistischen Struktur wollte Marx das Gegenteil beweisen. Dies reicht jedoch nicht aus, um den Marxschen Exkurs zum Fetischismus zu erklären, da er an vielen Stellen seines Werkes die These der Vergänglichkeit und den wahren Charakters des Kapitalismus viel besser dargelegt hatte, sodaß dieses Spiel zwischen Wahrheit und Schein nicht notwendig wäre, um die Geschichlichkeit gesellschaftlicher Vorstellungen aufzuzeigen.

– Plausibler ist die Erklärung, daß Marx den Warenfetischismus als Grund der Illusion derjenigen Ökonomen analysieren wollte, die die gesellschaftlichen Beziehungen als Beziehungen zwischen Sachen darstellen. Der hohe Preis dafür war eine Darstellung der Arbeit als Essenz, die unterschiedliche (reelle und imaginäre, materielle und soziale) Attribute bekommt, wobei die materiellen Elemente der Produktion als “Erscheinungsformen” der Arbeit-Essenz betrachtet werden. Als Grundlage der Fetischismustheorie dient somit die tief idealistische These, daß die sozialen Beziehungen eine “materielle Erscheinungsform” haben.

– Die beste Erklärung ist jedoch, daß Marx am Anfang des Kapitals die “Schwäche” zeigte, “einfache” und beeindruckende Argumente auf der einzigen Basis des Wertbegriffs zu benutzen. Marx hat sich nämlich entschieden, das Kapital “mit der einfachen (und transparenten) Abstraktion des Werts” zu beginnen (491). Die Fetischismusanalyse sei aber falsch, weil sie verfrüht sei. Im ersten Kapitel kann Marx nicht über den Kapitalismus, die Klassen und den Staat reden, d. h. über diejenigen Kategorien, die die Illusionen und die Fetischismen der Ökonomen und der herrschenden Ideologie erklären. Der Philosoph Marx blieb somit am Anfang des Kapitals in den bürgerlich-juristischen Kategorien gefangen, die mit den Begriffen des Werts und der Warenform zusammenhängen.

d) Politische Konsequenzen. Die Fetischusmusanalyse erlaubt den Marxisten sich vom Ökonomismus zu befreien. Sie fungiert jedoch als Basis für humanistische Positionen oder für die spontaneistischen Thesen der proletarischen Subjektivität. In beiden Fällen bildet die Theorie des Fetischismus einen Sonderfall der Theorie der “Entfremdung”, also einer grundfalschen philosophischen Tendenz (487).

2.3.4. Der “andere” Fetischismus: Gramsci

Gramsci erwähnt den Fetischismus in zwei Passagen der Gefängnishefte. Die erste Passage (Gramsci 1977, 1769-1771) analysiert die Beziehung zwischen Individuum und Gruppe. Wenn die Personen, die einen “kollektiven Organismus” bilden, ihn als etwas Äußerliches betrachten, das ohne Mitwirkung der Personen funktioniert, dann hört dieser “Organismus” auf zu existieren; er wird “ein Hirngespinst, ein Fetisch”. Diese “fetischistische”, d. h. kritische oder rein passive Beziehung der Individuen mit den Organisationen sei paradoxerweise nicht nur bei repressiven Organismen traditionellen Typs, wie die Kirche, sondern auch bei “nicht-öffentlichen” und “freiwilligen” Vereine29, wie die Parteien und die Gewerkschaften, zu beobachten. Somit entsteht eine deterministisch-mechanistische Vorstellung der Organismen als imaginärer Einheit. Für die revolutionären Organisationen sei dagegen eine “direkte” Mitwirkung der Individuen vonnöten, d. h. die Überwindung des Fetischismus, selbst wenn eine aktive Mitwirkung aller Mitglieder zu einer scheinbar chaotischen Situation führen wird.

In der zweiten Passage (Gramsci, 1977, 1980 f.) bezeichnet Gramsci die herrschende Auffassung der italienischen Geschichte als “fetischistisch”30. Als Protagonisten der geschichtlichen Entwicklung treten verschiedene mythische Gebilde (“Revolution”, “Vereinigung”, “Nation”, “Italien”) auf. Der geschichtliche Horizont beschränkt sich auf die nationalen Grenzen und die Vergangenheit wird im Lichte der Gegenwart gemäß einer deterministischen Linearität erklärt. Das geschichtliche Problem der Gründen und der Mittel der Entstehung des italienischen Staates wandelt sich in einer Suche nach den Spuren dieses Staates in der Vergangenheit, wobei angenommen wird, daß die Gegenwart, genauso wie der Vogel im befruchteten Eier, in der Vergangenheit verborgen war.

In der ersten Passage verwendet Gramsci den vormaxistischen Begriff des Fetischismus. Ein seelenloses Wesen wird als handelndes Subjekt aufgefaßt und verdeckt die wirklichen Träger einer Entwicklung. Gramsci will somit offensichtlich die autoritären und elitistischen Züge der Politik der kommunistischen Parteien auf einer “eleganten” Weise kritisieren und übernimmt eine individualistische “anti-organizistische” Auffassung der gesellschaftlichen Institutionen.

Die Bemerkung zur nationalen Geschichte enthält eine grundlegende Kritik an der nationalistischen Denkweise: Die Nation wird dabei als ein schon immer existierendes Subjekt betrachtet, das im wesentlichen unverändert bleibt und die eigentliche Triebkraft der Geschichte bildet. Ebenso bedeutend ist die Kritik von Gramsci an die nationalistisch aufgebauten “Geisteswissenschaften”, die diesem Konstrukt eine theoretische Basis zu geben versuchen.

Beide Passagen sind für unsere Analyse von Bedeutung. Gramsci läßt die ihm zweifellos bekannte “ökonomische” Fetischismusanalyse des Kapitals unerwähnt und stellt fetischictische Erscheinungen in den ideologischen Staatsapparate fest (Kirche, Parteien, Gewerkschaften, “nationale” Wisssenschaften). Das Funktionieren bestimmten Institutionen erzeugt Illusionen bezüglich der geschichtlichen Entwicklung, die die Geschichte als Produkt imaginären “Kräfte” darstellt und somit nicht nur zur Verkennung der Realität führt (Klassen, Individuen), sondern auch ein falsches Bild von dieser Realität erzeugt. Die gegenwärtigen Institutionen -und vor allem der bürgerliche Staat- werden als omnipräsent und -potent dargestellt. Somit kann die Deutung von Gramsci als eine latente Formulierung der Kritik der Althusser-Schule betrachtet werden, demgemäß der Fetischismus vor allem mit den Instanzen der Ideologieproduktion zusammenhängt.

3. Die Frage des Fetischismus im “Kapital”

3.1. Die Darstellungsweise der Werttheorie im “Kapital” und ihre Konsequenzen

Die kritische Perspektive von Althusser und Balibar spricht einen wichtigen methodischen Problem des Kapitals an: Marx untersucht die Fragen “was ist Wert” und “was ist Geld” in den ersten drei Kapiteln des 1. Bandes des Kapitals, d. h. ohne den Begriff der kapitalistischen Produktionsweise (im folgenden KPW) eingeführt zu haben. Diese Darstellungsweise hat einige Marxisten zur Behauptung verleitet, daß der Wert kein Bestandteil des Begriffs der KPW sei, sondern sich auf eine Periode der verbreiteten einfachen Warenproduktion bezieht. Diese Auffassung impliziert, daß der Wert ein Begriff ist, der in unterschiedlichen Produktionsweisen und -formen aufzufinden sei, einschließlich der sog. “sozialistischen Produktionsweise”31.

Marx führt jedoch den Begriff der verbreiteten Warenproduktion nur als eine begriffliche Konstruktion ein, die ihm erlaubt, den Begriff der kapitalistischen Produktion zu bilden. Sein Zweck ist also nicht eine (vorkapitalistische) Gesellschaft einfacher Warenproduktion zu beschreiben, sondern sich der KPW schrittweise anzunähern. Diesbezüglich bemerkt er in der ersten Auflage des 1. Bandes (1867):

Die Werthform des Arbeitsprodukts ist die abstrakteste, aber auch allgemeinste Form der bürgerlichen Produktionsweise, die hierdurch als eine besondre Art gesellschaftlicher Produktionsweise und damit zugleich historisch charakterisirt wird” (MEGA II/5, 43-44; MEW 23, 95).

Das Beharren von Marx, den Begriff des Werts vor der Bestimmung der strukturellen Merkmale der Kapitalbeziehung zu behandeln, war jedoch genug Anlaß, um die Werttheorie als unabhängig von der Theorie der KPW zu betrachten. Engels selbst hat bekanntlich in dem Vorwort des 3. Bandes des Kapitals, behauptet, daß im 1. Band Marx “von der einfachen Warenproduktion als seiner historischen Voraussetzung ausgeht, um dann weiterhin von dieser Basis aus zum Kapital zu kommen (…), von der einfachen Ware ausgeht und nicht von einer begrifflich und geschichtlich sekundären Form, von der schon kapitalistisch modifizierten Ware32.

Neben der Verselbständigung des Wertbegriffs von der KPW und seiner Verbindung mit allen “warenproduzierenden” Produktionsweisen und -formen33, hat die Behandlung des Wertes “an sich” eine weitere Konsequenz für die marxistische Theorie. Sie verleitet zum Glauben, daß die ersten drei Kapiteln des 1. Bandes des Kapitals eine abgeschlossene Darstellung der dort eingeführten Begriffe anbieten. Dies betrifft insbesondere das Geld, das in diesen Kapiteln als “adäquate Erscheinungsform von Werth oder Materiatur abstrakter und daher gleicher menschlicher Arbeit (…), deren sämtliche Exemplare dieselbe gleichförmige Qualität besitzen” (MEGA II/5, 56-15, MEW 23, 104) definiert wird. Somit bleiben jedoch die Marxschen Analysen im 3. Band des Kapitals (Geld als Kapital, Erklärung des Zinses usw.) unberücksichtigt34. Es wird nämlich nicht eingesehen, daß das Geld auch (und vor allem) die allgemeinere Erscheinungsform des Kapitals ist. Das Geld bildet die allgemeinere “Materialisierung” der abstrakten und deswegen homogenen menschlichen Arbeit, die im Rahmen der ausbeuterischen Kapitalbeziehung akkumuliert wird, als “sich selbst verwertender Wert” funktioniert und vom Kapitalisten aneignet wird. “Das Capital producirt wesentlich Capital” (MEGA II/4.2, 898; MEW 25, 887). Der 5. Teil des 3. Bandes und insbesondere die Kapitel 21-24 analysieren das Geld als eine solche Erscheinungsform des Kapitals.

Einer ähnlichen Illusion unterliegen diejenigen, die behaupten, daß der Marxsche Begriff des Fetischismus hauptsächlich im ersten Kapitel des 1. Bandes analysiert wird, dessen vierter Teil den Titel “der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis” trägt. Die ersten Schlußfolgerungen von Marx, die sich aus der Darstellung der verallgemeinerten “Warenproduktion” hervorgehen, werden somit als letztes Wort der Fetischismustheorie betrachtet. Somit bleiben unberücksichtigt der Begriff der KPW, die in ihr entstehenden Ideologieformen und die Analysen des 3. Bandes zum Kapitalfetischismus (z. B. zum zinstragenden Kapital und zum Zins), die eine “Entzifferung” der Ausführungen zum Warenfetischismus erlauben.

Opfer dieser Illusion sind nicht nur diejenigen, die im Warenfetischismus den Kern einer allgemeinen Theorie der menschlichen “Veräußerung” gesehen haben, sondern auch Althusser und viele andere Marxisten, die geglaubt haben, daß eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema sich auf die Analysen des 1. Teils des 1. Bandes beschränken kann. Was insbesondere Althusser betrifft, erscheint die Beschränkung auf dem Warenfetischismus als schwer erklärbar, da der französische Marxist das methodische Problem der Einführung des Wertbegriffs vor der Analyse des Kapitalbegriffs mehrmals kritisiert hat, während seine Mitarbeiter in den ’60er Jahren (insbesondere J. Rancière) die Entwicklung und Modifizierung Marxscher Begriffe des 1. Teils an anderen Stellen des Kapitals ausführlich behandelt hatten.

So können wir die Behauptung aufstellen, daß eigentliches Objekt der Kritik von Althusser nicht die (gesamte) Marxsche Analyse des Fetischismus, sondern die “humanisierende” Literatur bezüglich des “verdinglichenden” Warenfetischismus ist. Althusser kritisiert eine Fetischismustheorie, die sich auf den einleitenden Ausfürungen zum Warenfetischismus beruft und mit den ideologischen Kategorien des Rechts und der bürgerlichen Ökonomie zusammenhängt. Diese Kritik ist nur in bezug auf diejenigen berechtigt, die sich “mehr für die Form als für den Inhalt des theoretischen Werks” von Marx interessieren (Godelier 1977, 201). Dies “erledigt” jedoch nicht die Frage des Fetischismus, wie Althusser hoffte, und zeigt, daß er die methodischen Schwierigkeiten des Kapitals verabsolutiert hat und die gesamte Analyse des Fetischismus in diesem Werk außer Acht ließ. Darauf werden wir noch zurückkommen.

3.1.1. Exkurs zur Marschen Methode

Das Problem der Einführung des Wertbegriffs im Kapital ist in Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Methode des Kapitals zu behandeln. Es ist bekannt, daß Marx nicht von Begriffen ausgeht, sondern von den Formen unter denen die ökonomischen Beziehungen in einer kapitalistischen Gesellschaft erscheinen35. Als Ausgangspunkt nimmt er dabei die Ware.

Marx benennt dialektisch die Methode der Bildung von Begriffen, die eine theoretische Aneignung der Wirklichkeit erlauben, d. h. den internen kausalen Zusammenhang und die “Normalität” der Phänomene ausdrücken. Diese Methode besteht darauf, von konkret-empirischen Tatsachen auszugehen und dann Abstraktionsoperationen durchzuführen. Vom Konkreten auszugehen, erlaubt den Idealismus einer von der herrschenden theoretischen Ideologie abhängigen Kategoriebildung zu vermeiden. Die Abstraktion erlaubt ihrerseits, die bloße Reproduktion der Erscheinungsformen des Konkreten zu vermeiden, d. h. den Empirismus des Konkreten zu überwinden. Dieser Empirismus ist eine praktische herrschende Ideologie des “Alltagswissens”, wonach die Wirklichkeit “transparent”, unmittelbar beobachtbar und erklärbar sei.

Marx versteht aber auch, daß die Abstraktionen an sich keine Begriffe der empirisch wahrnehmbaren Tatsachen bilden. Der Prozeß der wissenschaftlichen Aneignung der Wirklichkeit erfordert einen weiteren Schritt: Die Rückkehr auf die konkreten Tatsachen. Somit entsteht ein Forschungsverfahren, das den wissenschaftlichen Begriff des Konkreten erzeugt. Dieser Begriff beinhaltet die kausalen Beziehungen, die die Wirklichkeit regeln ohne “an sich” im Bereich der Wirklichkeit aufzutreten, da sie der Welt der empirischen Wesen und Phänomene nicht gehören. Der Übergang vom abstrakten zum konkreten Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung unterscheidet sich somit radikal von der rationalistischen Methode wie auch von der Verwendung der Abstraktion bei Hegel. Der Übergang zum Konkreten ist hier nur der zweite Schritt eines Verfahrens der begrifflichen Entzifferung des Konkreten, die durch die Abstraktion erfolgt.

In bezug auf den Terminus Bevölkerung36 sagt Marx: “Im ersten Weg wurde die volle Vorstellung zu abstrakter Bestimmung verflüchtigt; im 2t führen die abstrakten Bestimmungen zur Reproduction des Concreten im Weg des Denkens. Hegel gerieth daher auf die Illusion, das Reale als Resultat des sich in sich zusammenfassenden, in sich vertiefenden, und aus sich selbst sich bewegenden Denkens zu fassen, während die Methode vom Abstrakten zum Concreten aufzusteigen, nur die Art für das Denken ist sich das Concrete anzueignen, es als ein geistig Concretes zu reproduciren. Keineswegs aber der Entstehungsprocess des Concreten selbst” (MEGA II/1.1, 36).

Diese Methode bildet abstrakte Kategorien, die die begrifflichen Bestimmungen der “konkreten” Wirklichkeit ausdrücken. So z. B. ist der Marxsche Kapitalbegriff “nicht eine willkürliche Abstraktion, sondern eine Abstraktion, die die differentia specifica des Capitals im Unterschied zu allen anderen Formen des Reichthums auffaßt – oder Weisen, worin die Production (gesellschaftliche) sich entwickelt” (MEGA II/1.2, 359; Grundrisse… (Gr.), 353).

Dies zeigt die methodische Bedeutung (oder “Schwäche”) der Analysen des 1. Kapitels des 1. Bandes des Kapitals. Die Ware ist tatsächlich die einfachste ökonomische Form; sie wird jedoch dort ohne jegliche Bezugnahme auf die für die KPW chrakteristische Ware, die Arbeitskraft, dargestellt. So führt die einfachste ökonomische Form im Kapitalismus zur Bildung eines ökonomischen Modells von unabhängig arbeitenden Warenproduzenten, das die Spezifizität der KPW keineswegs zum Ausdruck bringt.

Es kann behauptet werden, daß dieses Modell eine erste Annäherung der kapitalistischen Ökonomie bietet, da sie von der institutionnellen Unabhängigkeit der Produzenten-Kapitalisten charachterisiert wird37, während die Analyse der Kapitalbeziehung für die Bildung bestimmten Begriffen, z. B. des Geldes als allgemeinen Äquivalenten, entbehrlich ist. Die Analyse wäre jedoch viel angemessener, wenn Marx schon am Anfang des Kapitals klargestellt hätte, daß die Spezifizität der kapitalistischen Ökonomie in der Tatsache liegt, daß sämtliche Agenten Warenbesitzer sind, da auch diejenigen die keine Warenproduzenten (Kapitalisten) sind, die Ware “Arbeitskraft” besitzen. Dies würde aus methodischer Sicht keine negative Auswirkungen auf die Analysen des ersten Kapitels haben und könnte allen Lesern klarstellen, daß die einzige Ökonomie, die sich auf den verallgemeinerten Warenaustausch stützt, die kapitalistische ist. Die nachfolgenden Darstellungen der Bewegung des Kapitals (G-W-G’ im 4. Kapitel des 1. Bandes), die Produktion des Mehrwerts usw. konnten dann als logische Konsequenz der anfänglichen Klarstellung analysiert werden.

3.2. Kapitalistische Produktionsweise, ideologische Formen, “Fetischismus”: vom Warenfetischismus zum Kapitalfetischismus

Als Marx im 4. Kapitel des 1. Bandes den Begriff der KPW einführt, zeigt er, daß die grundlegende strukturelle Beziehung der KPW die Beziehung zwischen Kapital und Lohnarbeit ist, die aus der Trennung der Arbeiter von den Produktionsmittel und aus der Transformation der Arbeitskraft zur Ware hervorgeht38. Diese Beziehung ist nicht nur ökonomisch, sondern steht in Verbindung mit einer spezifischen politischen und ideologischen Struktur.

Notwendige Erscheinungsform der Vorherrschaft der KPW ist die “Umwandlung” des Arbeiters zum (ideologisch-politischen) freien Bürger, d. h. zum Rechtssubjekt. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Strukturierung des Staates und der herrschenden Ideologie: hierarchisch-bürokratische Form der Staatsapparate, “klassenneutrale” Funktion des Staates durch die “Herrschaft des Rechts” und die sog. formale Legitimität usw. Die herrschende bürgerliche Ideologie bringt ihrerseits die Werte des “freien Menschen” (“natürliche Rechte”, staatsbürgerliche Gleichheit) und des allgemein-nationalen Interesses (Produkt der Harmonisierung der individuellen Interessen) zum Ausdruck. Somit trägt die herrschende Ideologie zur Festigung der kapitalistischen Klasseninteressen bei. Dies wird erreicht durch die “Materialisierung” der Ideologie in gesellschaftlichen Praxisarten, die sowohl ein Element der staatlich-rechtlichen Funktion als auch eine “Lebensweise” der herrschenden und, in modifizierter Form, der beherrschten Klassen bilden39. In diesem Sinne ist die herrschende Ideologie ein integrierender Bestandteil der KPW, d. h. des strukturellen Kerns der kapitalistischen Verhältnissen der Beherrschung und Ausbeutung. Die herrschende Ideologie verdeckt die Klassenverhältnisse durch ihre “praktische” Darstellung als Beziehungen, die sich auf die Freiheit, die Gleichheit und dem Konsens (allgemeines Interesse) stützen. Der “harte Kern” dieser Ideologie bildet -wie Althusser und Balibar eingesehen haben- die juristische Ideologie, die mit dem Funktionieren des Rechtssystems untrennbar verbunden ist.

Marx schreibt dazu: “Zur Verwandlung von Geld in Kapital muß der Geldbesitzer also den freien Arbeiter auf dem Waarenmarkt vorfinden, frei in dem Doppelsinn, daß er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine Waare verfügt, daß er andrerseits andre Waaren nicht zu verkaufen hat, los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft nötigen Sachen. (…) Eins jedoch ist klar. Die Natur produzirt nicht auf der einen Seite Geld- oder Waarenbesitzer und auf der andren bloße Besitzer der eignen Arbeitskräfte. Dies Verhältnis ist kein naturgeschichtliches und ebensowenig ein gesellschaftliches, das allen Geschichtsperioden gemein wäre. (…) Hätten wir weiter geforscht: Unter welchen Umständen nehmen alle oder nimmt auch nur die Mehrzahl der Produkte die Form der Waare an, so hätte sich gefunden, daß dies nur auf Grundlage einer ganz spezifischen, der kapitalistischen Produktionsweise geschieht” (MEGA II/5, 122; MEW 23, 183 f.).

Und Marx fährt fort bezüglich der Verdeckung der Ausbeutung: “Die Sphäre der Cirkulation oder des Waarenaustauschs, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt, war in der That ein wahres Eden der angebornen Menschenrechte. Was allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham. Freiheit! Denn Käufer und Verkäufer einer Waare, z.B. der Arbeitskraft, sind nur durch ihren freien Willen bestimmt. (…) Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Waarenbesitzer aufeinander und tauschen Äquivalent für Äquivalent. Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das Seine. Bentham! Denn jedem von den beiden ist es nur um sich zu tun. (…) Und eben weil so jeder nur für sich und keiner für den andren kehrt, vollbringen alle, infolge einer prästabilirten Harmonie der Dinge, oder unter den Auspicien einer allpfiffigen Vorsehung, nur das Werk ihres wechselseitigen Vortheils, des Gemeinzutzens, des Gesamtinteresses” (MEGA II/5, 128, 7 ff., MEW 23, 189 f.).

Die Funktion der Verdeckung der Ausbeutungs- und Beherrschungsverhältnissen, die im Kapitalismus immenent ist, hat Marx “Fetischismus” genannt. So bezeichnete er alle Situationen, wo die Klassenverhältnisse im Rahmen der herrschenden Ideologie eine “dingliche” Form annehmen: Wenn die Gesellschaftsverhältnisse (Geld, Kapital40) oder die aus ihnen hervorgehenden Funktionen (Profit, Zins) als Sachen (Gold, Produktionsmittel) oder als Eigenschaften von Sachen (die Produktionsmittel erzeugen Profit, das Geld Zinsen usw.) erscheinen, wenn “die Formen, welche Arbeitsprodukte zu Waren stempeln”, als “unwandelbare” “Naturformen” (MEW 23, 89 f.) erscheinen, dann haben wir den Fetischismus (s. auch Rubin 1972).

Den Begriff des Fetischismus hat Marx im 1. Kapitel des 1. Bandes anläßlich der Warenanalyse eingeführt, indem er zeigte, daß der Warenwert nicht als gesellschaftliche Beziehung zwischen Produzenten, sondern als eine natürliche Eigenschaft der Ware, wie etwa seine Farbe oder sein Gewicht erscheint41. Im Laufe der Darstellung hat er allerdings klargemacht, daß der Fetischismus sich auf sämtliche Formen des Kapitals (Geld, Produktionsmittel) erstreckt. Somit entwickelte Marx eine Theorie des Kapitalfetischismus.

3.3. Stellenwert und Begriff des Fetischismus im “Kapital”

3.3.1. Der Fetischismus des Kapitalverhältnisses

Der Warenfetischismus des 1. Kapitels ist nur eine erste Annäherung des Kapitalfetischismus, der im Gegensatz zur Auffassung vielen Marxisten42 in vielen Teilen des Kapitals, insbesondere im 3. Band analysiert wird43. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, daß im 3. Band die wichtigsten Erscheinungsformen des Kapitalverhältnisses behandelt werden:

– Die Unterwerfung der Arbeit unter dem Kapital, die den Kapitalisten als Warenproduzenten erscheinen läßt und die Austauschverhältnisse nach Produktionspreisen und nicht nach Werten bestimmt. Der Profit erscheint als Produkt des vorgeschossenen Kapitals, sodaß “der Mehrwerth selbst als aus dem Gesammtcapital und allen seinen Theilen gleichmässig entsprungen erscheint” (MEGA II/4.2, 244; MEW 25, 77). Das “versteckt nun völlig die wahre Natur und den Ursprung des Profits, nicht nur für den Capitalisten, der hier ein besondres Interesse hat, sich zu täuschen, sondern auch für den Arbeiter. Mit der Verwandlung der Werthe in Productionspreise wird die Grundlage der Werthbestimmung selbst dem Auge entrückt” (MEGA II/4.2, 244; MEW 25, 177).

– Die Entwicklung des Kreditwesens und die Aufteilung des Profits in Unternehmensprofit und Zins, die zum folgenden Ergebnis führen: “Indem ein Theil des Profits sich, im Gegensatz zu dem andren, ganz von dem Kapitalverhältnis als solchem loslöst, und sich darstellt nicht aus der Funktion der Exploitation der Lohnarbeit sondern aus der Lohnarbeit des Capitalisten selbst zu entspringen, und im Gegensatz dazu der Zins als unabhängig sei es von der Lohnarbeit, sei es von der eignen Arbeit des Capitalisten, aus dem Capital als seiner eignen, unabhängigen Quelle zu entspringen scheint. Wenn das Capital ursprünglich auf der Oberfläche der Cirkulation, erscheint, als Capitalfetisch, Werth erzeugender Werth, so stellt es sich jetzt wieder in der Gestalt des zinstragenden Capitals als in seiner entfremdetsten und eigenthümlichsten Form dar” (MEGA II/4.2, 851,17; MEW 25, 837)44.

An einer anderer Stelle sagt Marx dazu: “In dem zinstragenden Capital ist aber die Vorstellung vom Capitalfetisch vollendet, der als Automat, durch some innate quality dem gegenständlichen Reichtum, dazu fixiert als Geld, die Kraft zuschreibt in geometrischer Progression Mehrwerth zu erzeugen, und der daher (…) allen Reichtum der Welt für alle Zeiten als ihm von Rechts wegen gehörig und zufallend, bereits lange discontirt hat” (MEGA II/4.2, 468 f.; MEW 25, 412)45.

– Dasselbe geschieht in bezug auf die Einkommensformen, die zwar nur die Verteilungsverhältnisse des erzeugten Werts widerspiegeln, im Rahmen aber der kapitalistischen Eigentums- und Ideologieverhältnisse als Quellen des Werts erscheinen: Die Arbeit erzeuge Lohn, die Produktionsmittel Profit und die natürlichen Ressourcen (oder die Erde) Rente:

Erstens, weil die Werthbestandteile der Waaren als selbständige Revenuen einander gegenübertreten, die als solche bezogen sind, und daher zu entspringen scheinen, auf 3 verschiedne und ganz voneinander verschiedne Productionsagentien, die Arbeit, das Capital und die Erde, Das Eigentum an der Arbeitskraft, am Capital, an der Erde ist die Quelle (die Ursache), die diese verschiednen Werthbestandteile der Waaren, diesen respectiven Eigenthümern zufallen macht und sie daher in Revenuen für sie verwandelt. Aber der Werth entspringt nicht aus seiner Verwandlung in Revenue, sondern er muß da sein, um in Revenue verwandelt [zu] werden, um diese Gestalt annehmen zu können” (MEGA II/4.2, 885 f.; MEW 23, 875).

Aus all diesen tritt klar hervor, daß die Marxsche Darstellung der “fetischistischen” Erscheinungsform des Kapitalverhältnisses auf der Oberfläche der Zirkulation (bzw. im Rahmen der sich immanent reproduzierenden herrschenden Ideologie) die Analyse des Kapitalverhältnisses voraussetzt. Anders ausgedrückt, ist es notwendig, den ideologischen Rahmen des 1. Kapitels des 1. Bandes zu überwinden, wo, wie Balibar zutreffend bemerkte, die Behandlung des Fetischismus nur eine propäudeutische Bedeutung haben kann als ironisch-kritische Bezug auf den bürgerlichen Denkhorizont. In der einleitenden Fetischismusanalyse beschränkt sich Marx darauf, die falschen Evidenzen der “spontanen” Auffassungen der Ökonomen aufzulösen, die eine Art “kollektive Illusion” bilden (Godelier 1977, 212/3, 221).

3.3.2. Abschließende Bemerkungen zum Warenfetischismus

Wenn wir die ersten Seiten des Kapitals als ein Vorspiel der Analyse des Kapitalfetisches betrachten46, dann können wir verstehen, daß die Ausführungen zum Warenfetischismus keine Theorie der “Entfremdung” bilden: dort wird nicht angenommen, daß die Menschen/Subjekte eine Essenz besitzen, die im Kapitalismus “entäußert” oder “verraten” wird (vgl. Heinrich 1991, 243 ff.). Darüber hinaus hat der Warenfetischismus keine ideologische Stärke, wie oft angenommen wird: Weder verdeckt noch “veräußert” er die gesellschaftlichen Beziehungen47. Er ist die Analyse eines “Symptoms” und nicht einer ideologischen Triebkraft.

Durch die Analyse des Kapitalfetischismus macht also Marx kein bloßes Subjekt/Objekt “Spiel”. Er zeigt die mannigfältigen Art und Weisen, mit denen die Kapitalbeziehung die Sachen prägt, indem sie während der Akkumulationsbewegung “Spuren” hinterläßt. Diese Spuren erscheinen dann -in einer “spontanen” Wahrnehmung- als Eigenschaften von Sachen. Es kann also nicht behauptet werden, daß der Fetischusmus das Subjekt zum Objekt (bzw. die menschlichen Beziehungen zu Sachenbeziehungen) macht, die Materie zur Idee und die Sache zum Herrscher des Menschen. Das bedeutet jedoch auch nicht, daß die gesamten Fetischismusproblematik verworfen werden kann, eine These die Balibar in absoluter Form vertritt, indem er die universalisierende Interpretation des Fetischismus durch Lukács als die authentische betrachtet.

Auch wenn wir eine philosophische Terminologie verwenden und den Fetischismus als “Umkehrung” der Eigenschaften des Subjekts und des Objekts betrachten, handelt es sich hier nicht um eine einfache Umkehrung. Die gesellschaftlichen Eigenschaften der Arbeit erscheinen nicht unmittelbar als natürliche Merkmale von Sachen und der Fetischismus ist nicht das exakte Gegenteil der Realität, so daß eine “aufklärerische” Kritik ausreichen würde, um die Sachen “richtigzustellen”. Das fetischistische Bild ist keine treue Widerspiegelung der Wirklichkeit, die es darstellt.

Durch die Darstellung des Sozialen als etwas Natürlichen erzeugt der Fetischismus keine Effekte der Verkennung des gesellschaftlichen Charakters der menschlichen Beziehungen, die etwa “naturalisiert” würden. Die Beziehung zwischen Sachen ist kein bloßer Symbolismus der handelnden Personen (so wie in einem Gesellschaftsspiel ein Stück Holz einen Spieler darstellt und jederzeit den “Rückweg” auf das Symbolisierte erlaubt). Sie ist eine feste und notwendige Wandlung in der Wahrnehmung der Wirklichkeit (das Gesellschaftliche wird “tatsächlich” zum Natürlichen), die den Individuen nicht erlaubt die “Übertragung” der Beziehung zwischen menschlichen Arbeiten auf eine Beziehung zwischen Sachen zu verstehen48.

Wir haben also hier keine Äquivalenz mit beliebig austauschbaren Termini, sondern eine fetischistische Ausgestaltung der Struktur der kapitalistischen Wirklichkeit, die das Verhältnis zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Ware und den gesellschaftlichen Beziehungen seiner Produktion verdeckt (Iacono 1992, 87). Das ist das Ergebnis eines Verfahrens der “Verdrängung” bestimmter Elemente der Wirklichkeit (Goux 1975, 189). Sie werden durch andere ersetzt, die “das hypostasierte Resultat einer ausgelöschten Genese” bilden (ebda, 116).

Das wichtigste ist jedoch dabei, wie Rancière gezeigt hat, daß die Fetischismusfrage mit dem Umkehrungsschema nicht angemessen beschrieben werden kann: “Die gegenwärtigen Termini sind nicht Subjekt, Prädikat und Sache, sondern Verhältnis und Form. Das Fremd-Werden (…) kennzeichnet nicht die Exteriorisation der Prädikate eines Subjekts in einem fremden Wesen, sondern bezeichnet das, was aus dem Kapitalverhältnis in der vermittelsten Form des Prozesses wird. (…) Die gesellschaftlichen Bestimmungen der Produktionsverhältnisse sehen sich also auf die materiellen Bestimmungen der Sache beschränkt. Daher die Verwechselung dessen, was Marx materielle Grundlagen (die Dinge, die die Trägerfunktion ausüben) nennt, mit den gesellschaftlichen Bestimmungen. Diese werden zu natürlichen Eigenschaften der materiellen Elemente der Produktion. Auf die Weise ist das Kapitalverhältnis zu einem Ding geworden. (…) Versachlichung der gesellschaftlichen Produktionsbestimmungen und Versubjektivierung ihrer materiellen Grundlagen, der Dinge, in denen diese gesellschaftlichen Bestimmungen sich darstellen und verschleiern. Marx erklärt, daß diese doppelte Bewegung schon von der einfachsten Bestimmung der kapitalistischen Produktionsweise her wahrnehmbar war: der Warenform des Arbeitsproduktes. (…) Der Fetischismus betrifft nicht das Verhältnis zwischen einem Subjekt und einem Objekt, sondern das Verhältnis jedes einzelnen dieser Träger zu den Produktionsverhältnissen, die sie bestimmen. (…) Die Verhältnisse, die das kapitalistische System bestimmen, können nur in der Form ihrer Verschleierung existieren. Die Form ihrer Wirklichkeit ist die Form, in der ihrer wirkliche Bewegung verschwindet. (…) Die Theorie von Marx begreift diese entfremdeten und irrationellen Formen als Erscheinungsformen des inneren Wesens des Prozesses” (Rancière 1972, 108, 110, 111, 133, 121-22, 123-24).

Der Fetischismus ist also kein Spiel, sondern entspricht den “irrationellen” Erscheinungsformen der internen Gesetzlichkeiten des Akkumulationsprozesses. Marx formuliert im Kapitaldie Theorie des Prozesses und die Theorie seines Verkennens” (Rancière 1972, 124).

Jetzt können wir auf die “Schwächen” der Marxschen Darstellung am Anfang des Kapitals, wo der Fetischismus unabhängig vom Kapitalverhältnis dargestellt wird, zurückkommen. Diese Beschränkung zwingt Marx über “soziale Beziehungen” oder zwischenmenschlichen Beziehungen im Allgemeinen zu sprechen (Was für “menschliche” Beziehungen? Diejenigen zwischen “autonomen Warenproduzenten”?) Und dort beschreibt er ihre dingliche Erscheinungsform: “Die Privatproduzenten treten erst in gesellschaftlichen Contakt vermittelst ihrer Privatprodukte, der Sachen” (MEGA II/5, 47) (Welche Sachen? Die Produktionsmittel und das Geld, die begrifflich noch nicht einfegührt sind? Und wo ist die Arbeitskraft?) “Die Verhältnisse der Privatarbeiter zur gesellschaftlichen Gesamtarbeit vergegenständlichen sich ihnen gegenüber und existiren daher für sie in den Formen von Gegenständen” (MEGA II.5, 47). (Welche sind aber die “Privatarbeiter”? Die privaten Produzenten, d. h. die Kapitalisten? Wo bleibt die dem Kapital unterworfene Arbeit? Und der Kapital-Fetisch? Hängt etwa die “Verdinglichung” der sozialen Beziehungen nicht mit der Darstellung der kapitalistischen Gesellschaft als einer Gesellschaft der Gleichheit zusammen?49) Dies alles zeigt, daß die Analyse der Warenfetischismus immer durch die Abwesenheit der Kapitalbeziehung “blockiert” wird.

Das “sachliche” Element des Warenaustausches bedeutet, daß der Produzent etwas erzeugt, daß er nicht braucht (d. h. für ihn keinen Gebrauchswert hat). Er erwirbt, was er braucht, durch den Verkauf einer für ihn nutztlosen Sache. Die “Sozialisierung” des Prozudenten setzt also die Erzeugung von persönlich nutzlosen Sachen voraus, und die Vermittlung der Sache erweist sich als ihr (indirekter) Gebrauchswert (gesellschaftlicher Gebrauchswert). Der individuelle Produzent wird in den gesellschaftlichen Produktionsmechanismus durch die “Sachen” intergiert. Dies beschreibt die Beziehungen zwischen Kapitalisten und kann als allgemeine Analyse der Erscheinungsformen der gesellschaftlichen Verhältnisse im Kapitalismus nur gelten, wenn auch die Arbeitskraft als “Sache” betrachtet wird.

Das wichtigste ist jedoch, daß der Markt weder die Triebkraft noch den “Grund” der Sozialisierung bildet: In Marx’s view, it is not the price system which ‘regulates’ the capitalist economy but, rather, unknown yet capitalistically-determined necessities of production acting through the price mechanism.(…) The market is the stage on which all competitive activities are played out. But this stage itself is set up and bound by the class nature of the social structure” (Mattick 1969, 53-54).

In einer wichtigen Passage betont Marx, daß “die capitalistische Produktionsweise, wie jede andre, nicht nur beständig das materielle Product reproducirt, sondern die gesellschaftlichen ökonomischen Verhältnisse, die ökonomischen Formbestimmtheiten seiner Bildung” (MEGA II/4.2, 889-90, MEW 25, 879). Daraus ergibt sich, daß die Marxsche Analyse weit davon entfernt ist, ein ideologisches Spiel der Ableitung der gesellschaftlichen Entwicklung von der “bloßen Ware” anzubieten. Der Fetischismus der Kapitalbeziehung bedeutet nicht, daß das Schicksal der Menschen von den Produkten ihrer Arbeit bestimmt wäre. Der Fetischismus ist nur eine notwendige Form der Wahrnehmung der Realität in einer kapitalistischen Gesellschaft, die zusammen mit dem Kapitalismus beseitigt wird50.

Da der Fetischismus eine “objektive” oder “interne” Illusion ist, erfordert seine Analyse ein Gedankenexperiment, durch die Einzebeziehung anderer, reellen oder imaginären, Produktionsweisen zu Vergleichszwecken51. Wir haben im Kap. 2.2. gesehen, daß die externe/interne Perspektive und die analogisch-metaphorische Methode von Marx die historischen Gründen und Mechanismen der Erzeugung des Fetischismus aufzeigt; sie kann jedoch nicht zu einer Abschaffung der Fetischismusillusion führen, da sie im Gegensatz zu anderen Illusionen (z. B. das Glauben an der Existenz Gottes) für den Kapitalismus strukturell notwendig ist.

3.3.3. Eine Bemerkung bezüglich des Konstruktivismus

Der Fetischismus, wie auch andere gesellschaftliche Konstrukte (z. B. das jedem Individuum gesellschaftlich zugewiesene Geschlecht, die nationale Zugehörigkeit oder das kriminelle “Stigma”) sind Vorgänge, die aus einer konstruktivistischen Perspektive dekonstruiert werden können. Dekonstruktion bedeutet hier zweierlei: Einerseits das Aufzeigen ihrer Geschichtlichkeit (d. h. ihrer Konstruktionsgeschichte) und andererseits die Analyse der Gründen dieser Konstruktion, d. h. der Interessen, denen sie entsprechen. Das Kapital wird jedoch auch nach solchen Dekonstruktionen weiterhin Profit “erzeugen”, genauso wie die Individuen weiterhin Geschlecht, nationale Identität oder Eintragungen im Strafregister haben werden, auch wenn einschlägige Studien und politische Erfahrungen zeigen, daß diese “natürliche” Eigenschaften nur eine Erscheinungsform der Gesellschaftsstruktur und der Klassenverhältnisse bilden, die transformiert (bzw. abgeschaft) werden kann52.

Der Konstruktivismus stellt die Frage, wie unsere Vorstellungen bezüglich der Wirklichkeit entstehen, d. h. wie unser “Wissen” über die Wirklichkeit entsteht. Somit überwindet er das traditionelle philosophische Dilemma “Objektivität oder Subjektivität des Wissens”. Weder erzeugen die Individuen die “wirklichen” Gegenstände noch “offenbaren” sich die “Objekte” bzw. die Realität dem Subjekt. Der Konstruktivismus untersucht die konkreten Prozesse der Bildung verschiedener Wissensarten: Aussagen, die in bestimmten Kontexten als gültig betrachtet werden, “sagen”, was die Wirklichkeit eingentlich sei und so konstruieren sie die Wirklichkeit53.

Wir werden hier nicht die erkenntnistheoretischen Probleme der verschiedenen Versionen des Konstruktivismus untersuchen, die damit zusammenhägen, daß der Konstruktivismus letztendlich der idealistischen oder der realistischen Falle zum Opfer fällt54. Uns interessiert hier, daß für seine Fetischismusanalyse Marx eine konstruktivistische Perspektive übernimmt, auch wenn seine Methode im Allgemeinen keine konstuktivistische Züge aufweist. In bezug auf dem Fetischismus unterscheidet Marx nicht zwischen dem Richtigen und dem Falschen, z. B. zwischen der Ideologie und der Wahrheit. Er behauptet, daß auf der Basis bestimmter Daten der Produktionsstruktur die Individuen eine Wahrnehmung der Wirklichkeit entwickeln, die -ohne richtig oder falsch zu sein- einer bestimmten gesellschaftlichen Struktur entspricht, d. h. die einzige Art und Weise bildet, diese Wirklichkeit wahrzunehmen, die weder unabhängig von dieser Wahrnehmung (“wahre Wirklichkeit”) existiert noch eine rein subjektive Betrachtungsweise bildet.

Der Konstruktivismus behauptet erstens, daß die individuellen Vorstellungen bezüglich der Wirklichkeit konstruiert sind, ohne jedoch etwas “Künstliches” oder “Gefälschtes” zu sein, und, zweitens, daß diese Vorstellungen in einem anderen geschichtlichen Rahmen von anderen ersetzt werden können, die unterschiedlichen Wahrheitskriterien entsprechen. Die “neuen” Vorstellungen können vielleicht politisch wünschenswerter sein, sie werden jedoch genauso wie die heutigen das Ergebnis einer Konstruktion bilden. So wird z. B. die “Transparenz” der zwischenmenschlichen Beziehungen in einer kommunistischen Gesellschaft weder die “Wahrheit” der Arbeitsteilung noch eine ideologiefreie Wahrnehmung der “wahren Wirklichkeit” ausdrücken, sondern nur eine neue Konfiguration gesellschaftlicher Vorgänge seitens der Individuen bilden.

Das ist der aus praktischer Sicht “schwache” Punkt des Konstruktivismus: Die theoretische Entdeckung des konstruierten Charakters einer als natürlich dargestellten Wirklichkeit ändert Nichts an ihr. Genau diese “Schwäche” können wir bei der Marxschen Fetischismusanalyse feststellen55. Diese Analyse ist also erkenntnistheoretisch besonders “modern” und ideologisch-politisch kaum bedeutend. Kein ideologischer Kampf gegen den Fetischismus und keine Überwindung im Rahmen des Kapitalismus erscheinen als möglich. Die Marxschen Ausführungen bieten nur eine tiefe Analyse der Mechanismen der Wahrnehmung der Wirklichkeit im Kapitalismus, die auch einen wichtigen Beitrag zum Prozeß der Bildung der individuellen Identität im Kapitalismus leisten.

Dies erlaubt uns Schlußfolgerungen in bezug auf den Charakter der Ideologie und der Politik in Gesellschaften zu ziehen, wo die Identitäten und die Unterschiede durch verschiedene Zwangsformen fixiert werden und wo die flüssigen geschichtlichen Tatsachen zu Legitimationszwecken naturalisiert werden. Zu Marxschen Analyse des Fetischismus gilt also, was allgemein in bezug auf dem Konstruktivismus bemerkt wurde: Er ist nichts mehr (aber nichts weniger) als eine Methode zur Kritik der ontologisierenden Diskurse (Müller-Tuckfeld 1997, 487).

3.4. Fetischismus ohne ideologische Staatsapparate?

Zentrale These der Kritik von Althusser/Balibar ist, daß Marx den Fetischismus ohne Bezugnahme auf das Rechtssystem und die ideologische Tätigkeit des Staates analysiert. Diese Kritik rechtfertigt sich dadurch, daß der (Waren-)Fetischismus, wie schon erwähnt, nur in einer schon funktionierenden kapitalistischen Gesellschaft möglich ist und nicht etwa “spontan” vom Akt des Austausches zweier Waren entspringt. Das Ganze existiert nicht ohne seine Bestandteile und der Fetischismus ist nur als Erscheinung des kapitalistischen Ganzen, also der Zusammenwirkung seiner Strukturelemente aufzufassen. Ohne die ständige “Schulung” der Subjekten in den kapitalistischen Regeln und “Werten” kann die notwendige Illusion des Fetischismus nicht entstehen.

Hier stellt sich das größte Problem. Marx spricht über den Fetischismus ohne den Begriff der Ideologie und die Tätigkeit der ideologischen Staatsapparate (ISA) erklärt zu haben, mit dem Ergebnis, daß der Status des Fetischismus (Illusion? Symbol? Gesellschaftliche Wahrheit?) unerklärt bleibt. Die Konsequenz ist, wie wir noch sehen werden, daß der Fetischismus stillschweigend den Begriff der Ideologie ersetzt, als eine Art Ideologie, die unabhängig vom “Handeln” der ISA entsteht.

Die Betrachtung von Athusser und Balibar verkennt jedoch eine Besonderheit des Fetischismus. Als “naturwüchsiges” Effekt der Verdeckung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch die ökonomische Funktion ist der Fetischismus nicht unmittelbar mit den ISA verbunden. Marx durfte also in bezug auf den Fetischismus, den Staat “zu vergessen”. So bleibt zwar der Rahmen der Entstehung des Fetischismus unerklärt, dies bildet jedoch kein Argument gegen die Fetischismusanalyse an sich.

In zwei Passagen des Kapitals schreibt Marx: “Die Darstellung von Mehrwerth und Werth der Arbeitskraft als Bruchtheilen des Werthprodukts (…) versteckt den spezifischen Charakter des Kapitalverhältnisses, nämlich den Austausch des variablen Kapitals mit der lebendigen Arbeitskraft und den entsprechenden Ausschluß des Arbeiters vom Produkt. An die Stelle tritt der falsche Schein eines Associationsverhältnisses, worin Arbeiter und Kapitalist das Produkt nach dem Verhältnis seiner verschiednen Bildungsfaktoren teilen” (MEGA II/5, 431, MEW 23, 555). Bei der Sklavenarbeit erscheint selbst der Theil des Arbeitstags, worin der Sklave nur den Werth seiner eignen Lebensmittel ersetzt, den er in der That also für sich selbst arbeitet, als Arbeit für seinen Meister. Alle seine Arbeit erscheint als unbezahlte Arbeit. Bei der Lohnarbeit erscheint umgekehrt selbst die Mehrarbeit oder unbezahlte Arbeit als bezahlt. Dort verbirgt das Eigenthumsverhältnis das Fürsichselbstarbeiten des Sklaven, hier das Geldverhältnis das Umsonstarbeiten des Lohnarbeiters. (…) Auf dieser Erscheinungsform, die das wirkliche Verhältnis unsichtbar macht und grade sein Gegentheil zeigt, beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistische Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgärökonomie (…)” (MEGA II/5, 437, MEW 23, 562).

In beiden Fällen (Kapitalismus, Sklavengesellschaft) lassen sich immanente Verdeckungseffekte feststellen, die jedoch in zwei entgegengesetzten Richtungen funktionieren. Dies hat eine besondere Bedeutung für die politischen Herrschaftsverhältnisse sowie für die Ausgestaltung der ideologischen Ebene in den entspechenden Gesellschaften. Es ist jedoch kein Produkt der ideologischen Tätigkeit, sondern eine interne “Notwendigkeit” der jeweiligen Produktionsweise, die zwar das Funktionieren des Überbaus voraussetzt, nicht aber von ihm erzeugt wird.

Hier können wir eine paradoxe Konsequenz der Kritik von Althusser/Balibar festmachen. Auch wenn eigentlicher Zweck ihrer Kritik die universalisierende Perspektive von Lukács ist, treffen ihre Aussagen genauso die analogische Perspektive von Paschukanis. Wenn die ökonomische Analyse des Fetischismus den staatlich-juristischen Rahmen voraussetzt, dann erscheint die Ableitung des juristischen vom ökonomischen Fetischismus bei Paschukanis als ein logisch unmöglich (Zirkelschluß). Paschukanis glaubte also, eine weitere Konsequenz der Marxschen Fetischismuskritik gezogen zu haben, obwohl sie schon im “ökonomischen” Fetischismus enthalten war und ihn gewissermaßen gründete!

Dies ist jedoch kein schlüßiges Argument gegen die Analyse von Paschukanis. Unser methodischer Hinweis auf die zugleich interne und externe Perspektive, die jede Fetischismusanalyse berücksichtigen muß, zeigt, daß es kein absoluter “Beginn”, d. h. kein externer Bezugspunkt gibt, der vor dem Auftreten (auf geschichtlicher und theoretischer Ebene) sämtlichen Strukturmerkmale des Kapitalismus zur Verfügung stünde. Aus diesem Grund kann die Analyse des Waren- und Kapitalfetischismus weder aus einer vorgegebenen juristischen Ideologie abgeleitet werden, noch ist es möglich, die Struktur des Rechtssystems als Konsequenz einer “reinen” Struktur des Warenaustausches zu betrachten.

Es ist unmöglich das Geflecht des Internen/Externen analytisch auseinanderzuhalten, um auf die Frage der Entstehung des Fetischismus eine “saubere” Antwort zu geben. Es gibt jedoch die Möglichkeit einer gleichzeitiger Analyse der verschiedenen Phänomene mit den “bereicherten” Begriffen, die uns die dialektische Methode von Marx bietet. Und dabei behält der Ansatz von Paschukanis seine Gültigkeit, auch wenn die Betrachtung des Ökonomischen als etwas Ursprünglichen, woraus sich die Rechtsstruktur ableiten ließe, aporetisch ist. Paschukanis begründet die “negative” These, daß ohne Kapitalismus das (bürgerliche) Recht buchstäblich undenkbar ist. Die umgekehrte Formulierung (ohne das bürgerliche Recht kann der Kapitalismus nicht funktionieren) ist zwar formell richtig, hat jedoch keinen materialistischen Sinn. Sie setzt nämlich voraus, daß eine externe Instanz ein Rechtssystem entwickelt, das dann ein Gesellschaftssystem funktionsfähig macht. Aus diesem Grund erweist sich der Vorrang des Ökonomischen bei Paschukanis als zutreffend, obwohl es aus geschichtlicher Sicht nur ein Prozeß gibt, wo sich interagierende Institutionen und Elemente die KPW bilden; zu diesen gehört das Rechtssystem und die juristische Ideologie/Philosophie.

3.5. Transparenz anderer Produktionsweisen?

Unser komparativer Hinweis auf den Kapitalismus und die Sklavengesellschaft erlaubt uns ein weiteres Aspekt der Fetischismusproblematik zu behandeln. Der Marxsche Hinweis auf die “Transparenz” anderer Produktionsweisen hat den Eindruck erweckt, der Kapitalismus sei ein ideologisch besonders belastetes System, wo, im Unterschied zu anderen Produktionsweisen, die Individuen nicht wissen, was sie tun. Es ist jedoch relativ einfach festzustellen, daß die “Transparenz”, die Marx vergangenen Produktionsweisen zuschreibt, nur die sozialen Verhältnisse der Arbeitsteilung betrifft und keinesfalls einer allgemeinen Illusionsfreiheit entspricht (vgl. Balibar 1976, 217).

In der “asiatischen” Gemeinde war z. B. die Arbeitsteilung unmittelbar und bewußt, weil sie der Produktion voranging und durch “politische” Entscheidung, was und wie jedes Individuum produzieren wird und wie das Produkt zu verteilen sei, festgelegt wurde. In der KPW erfolgt die Arbeitsteilung nicht durch eine Planung, sondern “hinter den Rücken” der Produktionsagenten, d. h. unabhängig von persönlichen oder kollektiven Entscheidungen. Das bedeutet aber nicht, daß die nicht-kapitalistischen Produktionsweisen frei von Illusionen und Verdeckungseffekten sind. Der Unterschied liegt daran, daß im Kapitalismus die Klassenherrschaft ideologisch mit der Freiheit/Selbstbestimmung des Individuums und nicht mit “hierarchischen” Legitimationen (göttlicher Willen, “natürliche” Überlegenheit bestimmten Gesellschaftsgruppen) verbunden wird. Dies entspricht nicht der “Wahl” der Herrschenden oder der ideologischen Apparate, sondern bildet eine notwendige Erscheinungsform der Struktur der KPW56. Wenn wir annehmen, daß eine Klassengewalt, die vom Willen der beherrschten Individuen legitimiert wird, weniger transparent, d. h. “unsichtbarer” ist, als diejenige die von “externen” Imperativen (göttlicher Willen usw.) legitimiert wird, dann können wir die ideologische Überlegenheit des Kapitalismus feststellen und auch erklären, warum die geschichtliche Ausprägungen des Kapitalismus, die sich auf einem “starken Markt” (also auf einer “starken individuellen Freiheit”) stüzten, den Widerstand der Beherrschten minimieren bzw. leicht unterdrücken können und allgemeiner viel stabiler als die staatszentriert-monopolistische Versionen des Kapitalismus sind.

4. Ideologie, Fetischismus und Politik. Einige Schlußfolgerungen

Es wird oft darauf hingewiesen, daß Marx im Kapital den Begriff “Ideologie” nicht verwendet, ein Begriff, der in den Jugendwerken von Marx und Engels präsent ist und als starkes theoretisches Element der Analyse des Kapitalismus im Spätwerk von Engels fungiert57. Das hat u. a. die Konsequenz, daß die Fetischismusanalyse am Anfang des Kapitals, die in diesem Werk “abwesende” Ideologie stillschweigend ersetzt. Die Konsequenz ist, wie wir mehrmals betont haben, daß die Ideologie als ein Phänomen dargestellt wird, das die Warenzirkulation unabhängig von der Tätigkeit der Ideologieapparate erzeugt.

Diese Spannung zwischen die Problematiken der Ideologie und des Fetischismus hat zur Bildung zweier marxistischen Sichtweisen geführt58. Einige Theoretiker zentrieren ihre Analyse auf den Staat und studieren die Prozesse der Bildung und Durchsetzung der Ideologie (“politische” Perspektive). Andere wiederum betrachten die Struktur des Warenaustausches als ausschlaggebend und verbinden die Illusionen der Individuen mit dem Fetischismus im Alltagsleben des Kapitalismus (“ökonomische” Perspektive). Die ersten räumen dem Allgemeinen Vorrang ein (Staat), die anderen ziehn das Konkrete vor (Individuum, Austauschakt).

Die “politische” Perspektive entweder ignoriert die Problematik des Warenfetischismus (Gramsci) oder kritisiert sie (Althusser-Schule). Die Vertreter der “ökonomischen” Perspektive entpolitisieren dagegen die Frage der Ideologie, die sie von konkreten bürgerlichen Strategien entkoppeln, und entwickeln Phänomenologien des Symbolischen im Alltagsleben (Konsumismus, Politik als Spektakel usw.): Sie betrachten die Ideologiebildung als eine kulturelle Erzeugung, die dem “Menschen” zur Übernahme eines eigentlich unmenschlichen Lebensmusters zwingt.

Unsere Analyse zeigt, daß der Fetischismus, der mit dem Kapitalverhältnis zusammenhängt, weder ein Synonym noch eine Konkretisierung des Begriffs “Ideologie” ist. Aus diesem Grund sollte die “politische” Perspektive bezüglich der Ideologie gefolgt werden. Somit stellt sich aber das Problem des Einflusses der Fetischismusanalysen auf die Definition der Ideologie. Aus logischer Sicht können der Ideologie drei Definitionen gegeben werden.

Erstens als eine falsche oder irrige Auffassung (Illusion), die die Inhaber von Macht und Wissen propagieren, um die wirklichen Prozesse der Ausbeutung und der Beherrschung zu verdecken. Das charakteristische Beispiel ist die religiöse Ideologie (“Du mußt die herrschende Ordnung respektieren, weil es Gott befiehlt, der nicht nur Allwissend ist, sondern auch Allmächtig und er wird alle bestrafen, die seinen Geboten nicht folgen”). Dieses ideologische Muster kann auch modernere Formen annehmen, z. B. durch die Ersetzung der Instanz “Gott” mit der Instanz “Demokratische-Legitimation-durch-Wahlen”, der Institution “Hölle” mit “Gefängnis/Stigmatisierung” usw. Die Durchsetzung solcher Ansichten ist für die Herrschenden viel fuktionaler als die Darstellung der Gesellschaftsverhältnissen als Produkt des Willens der Mächtigen.

Zweitens, als eine Illusion, der selbst die Ideologielproduzenten verfangen sind. Es ist nämlich plausibler anzunehmen, daß die Vertreter Gottes oder der Demokratie aufgrund eines festen Glaubens agieren und nicht daß sie ihr Handeln auf eine zynische Lüge fundieren. Dadurch kann der “organische” Charakter der Ideologie in einer Gesellschaft besser erklärt werden -im Gegensatz zur ersten Definition, die die Ideologie als Konspiration der Herrschenden betrachtet.

Die dritte Definition entkoppelt sich vom Schema des falschen Bewußtseins, d. h. von den Gegensätzen wahr/unwahr, richtig/falsch, frei/unfrei usw., die die obengennanten Definitionen prägen. Wenn die Ideologie nur eine mit Lügen verdeckte Gewalt wäre, würde sie weder glaubwürdig noch stabil sein. Der einzige Weg die Immanenz der Ideologie, d. h. ihre Notwendigkeit und Dauerhaftigkeit zu erklären, ist sie als Wahrheit aufzufassen, die in einer bestimmten Gesellschaft eine “notwendige” und “offensichtliche” Geltung hat (vgl. Balibar 1994, 55). Ausgangspunkt ist dabei, die Betrachtung der Ideologie als einer Menge von Praxisarten (Verhaltensweisen), die im Rahmen der ideologischen Apparate erzeugt, gelehrt und realisiert werden. Diese Apparate sind direkt oder indirekt mit dem Staat verbunden und fuktionieren als Instanzen der Reproduktion der allgemeinen Funktionsbedingungen der geselschaftlichen Verhältnissen. Das Hauptelement ist nicht, daß die Ideologie materielle “Sitze” hat, noch daß sie mit den verschiedenen Formen mittelbaren Zwangs verbunden wird, sondern daß die “Ideen”, in denen sie sich kodifiziert, “organisch” sind, d. h. zur Reproduktion der Produktionsverhältnisse beitragen. Als solche werden sie von allen Gesellschaftsmitglieder akzeptiert und als Ausdruck der Wahrheit des Gesellschaftslebens erlebt. In diesem Sinne gründet die Ideologie eine notwendige (wie auch imaginäre) Beziehung der Individuen zu ihren Existenzbedingungen59.

Um die ausschließliche Referenz auf die “Idee” als Gegenteil des Realen (und des Wahren) zu vermeiden, wäre es angebracht, das Ideologische als das “Symbolische” zu bezeichnen und es als eine Wirklichkeitsebene zu verstehen, die parallel zu den anderen wirkt, konstitutiv-performative Wirkungen für das Verhalten der gesellschaftlichen Individuen aufweist und letztendlich eine “reale Illusion” (Haug 1993, 51), ein Symptom und einen entstellten Ausdrucksmodus der gesellschaftlichen Realität (Althusser 1974, 20-21) bildet.

Dies bedeutet nicht, daß es unmöglich ist, die ideologische Bedingtheit bestimmter Auffassungen zu zeigen: Durch eine geeignete gesellschaftliche Analyse, durch die kritische “Lektüre” und den Vergleich von Diskursen kann es gezeigt werden, daß einige Auffassungen einer für die gesellschaftliche Reproduktion “nützlichen” Wahrheit entsprechen und deswegen praktische, verhaltenskonstituirende Effekte haben60. Die Ideologie ist jedoch dem menschlichen Denken immanent, d. h. sie kann nicht durch Rationalität und Dialog oder selbst durch eine gesellschaftli­che Umwälzung endgültig überwunden werden. Sie ist eine gesellschaftlich erzeugte Wahrheit, die mit der Notwendigkeit bestimmter Praxisarten in jeder Gesellschaft zusammenhängt.

In der Perspektive der “notwendig-wahren” Ideologie ist der Fetischismus des Kapitalverhältnisses nur ein Aspekt der gesamten Ideologieerzeugung. Er hat jedoch eine besondere Bedeutung als Indiz der Funktionsweise der ideologischen Instanzen. Die Analyse des Fetischismus entdeckt einerseits den Mechanismus des Internen/Externen als Eigentümlichkeit des Symbolischen, die uns vom Gegensatz richtig/falsch befreit, und andererseits die konsensstiftende Funktion der Naturalisierung des Gesellschaftlichen. Das wichtigste ist jedoch, daß der Fetischismus die Ideologie mit den Begriffen des Individuums und der Unterwerfung verbindet, die Marx ganz anders als die “moderne” philosophische Tradition auffaßt. Es wurde nämlich gezeigt (Balibar 1993, 64 ff.), daß für Marx das “Objektive” nicht nur die Sache, das Reelle, das Seiende ist, sondern auch die “Illusion”, das “übersinnliche Ding”. Letztere bilden Bestandteile der Wirklichkeit, auch wenn sie aus ihre Verkennung und aus der Naturalisierung geschichlticher Konstrukte hervorgehen. Genauso reell sind die unsichtbaren (ideologischen) Verhaltenszwänge. Dadurch überwindet Marx die klassische Unterscheidung zwischen Welt und Subjekt und zeigt, daß es keine Individuen gibt, die unabhängig von einer bestimmten Gesellschaft seien: Es gibt nur geschichtliche Praktiken, die die Individuen als Produkte einer bestimmten Gesellschaft konstruieren. Das Individuum konstruiert die Welt nicht, wie der Idealismus behauptet, sondern die Welt erzeugt die Subjektivität des Individuums der kapitalistischen Gesellschaft als Eigentümers von Waren und von seiner Person. Dieser Konstruktionsprozeß erfolgt in strenger Gleichzeitigkeit mit der “Welt der Dinge”. Dadurch hat Marx die Philosophie des Bewußtseins und des Subjekts gewissermaßen umgekehrt.

Der Fetischismus ist eine Analyse des Prozesses der Unterwerfung der Subjekte durch den Markt, der im Kapitalismus den Ort der “ideologischen” Konstitution von Objekten und Subjekten bildet (vgl. Balibar 1993, 75 f.). Der Fetischismus kann also uns keine Theorie der Politik und der Macht geben, d. h. keine Erklärung für die Orte der eigentlichen Ideologieproduktion. Der Fetischismus bleibt jedoch ein Teil der Theorie der Ideologie: Seine Analyse zeigt die Mechanismen der Wahrnehmung der Realität unter kapitalistischen Bedingungen und daß sie mit “Zwängen” dieser Produktionsweise zusammenhängen, die den Subjekten “übetragen” werden.

Hier ist eine letzte Bemerkung notwendig. Für die Ideologieproduktion im Kapitalismus bietet der Fetischismus eine “Rohmaterie” an: die Idee und Praxis des Primats der Individuen. Je nach konkreter Situation wird diese Auffassung aktiv vorgetragen (z. B. in parlamentarischen Demokratien, die eine neoliberale Politik treiben) oder wird sie in den Hintergrund gesetzt (z. B. faschistische Regime, die die “geschichtlich erwachsene Gemeinschaft”, die “die Pflicht der Auforferung im Namen der Rasse” usw. propagieren und die individuelle Autonomie in Wirtschaft und Politik einschränkten). Daraus geht hervor, daß die ideologischen Apparate den individuen konstituirenden Fetischismus politisch verwerten können. Niemals erscheint aber der Fetischismus an sich als eine ideologische Kraft und ohne das Funktionieren einer ideologisch-politisch “vollständigen” Gesellschaftsformation bleibt er unmöglich. Es gibt also kein fetischistisches “Schicksal” im Kapitalismus und keine unabwindbare ökonomische Notwendigkeit, die die Individuen zu einem bestimmten Handeln zwingt. Dies zeigt die relative Eigenständigkeit der Politik und die Möglichkeit einer revolutionären Umwälzung.

Literatur

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1 S. z. B. die Literaturhinw. bei Iacono 1992, 82-83.

2 Balibar 1993, 56. Dadurch korrigiert stillschweigend Balibar seine frühere Auffassung, der Text des 1. Bandes des Kapitals beinhalte eine ideologisch belastete und idealistisch geprägte Fetischismus-“Theorie” (Balibar 1976, 211 und 222/5).

3 Zum folgenden s. Iacono 1992, 5-76 und 116-126.

4 Das Wort wurde in allen europäischen Sprachen vom Portugiesischen übertragen, wo feitiço ursprünglich das Künstliche, das Falsche und später die “Hexerei” bedeutete.

5 Vergleichbar ist die Funktion des Begriffs Fetischismus bei Freud. Der Fetischismus ist eine “Perversion”, da Gegenstand der Liebe nicht eine Person sondern ein Teil ihres Körpers oder ein mit ihr verbundenes Gegenstand bildet. Bei Freud bedeutet der Fetischismus keine Umkehrung, wie bei Marx, sondern eine Verschiebung (dazu Iacono 1992, 107 ff.). Für ein Versuch der Verbindung beiden Problematiken im Rahmen einer umfassenden Kritik des Idealismus und des Essentialismus, die im Fetischismus der Sprache und des Geldes sichtbar werden, s. Goux 1975, 130 ff., 179 ff.

6 Seitenangaben in diesem Abschnitt beziehen sich auf Lukács 1988.

7 “Man könnte – vielleicht mit ebensoviel Recht – sagen, daß das Kapitel über den Fetischcharakter der Ware den ganzen historischen Materialismus, die ganze Selbsterkenntnis des Proletariats als Erkenntnis der kapitalistischen Gesellschaft (…) in ihr verbirgt” (S. 297 f.).

8 “Daß in diesem Zusammenhang der Klassencharakter des Staates usw. nicht hervorgehoben wird, stammt aus der Absicht, die Verdinglichung als allgemeines, struktives Grundphänomen der ganzen bürgerlichen Gesellschaft zu begreifen” (S. 192, Fn. 22). Ebenso fehlt in dieser Analyse der Begriff “Ausbeutung”.

9Wo also die positive Möglichkeit der deutschen Emanzipation? Antwort: In der Bildung einer Klasse mit radikalen Ketten, (…) welche mit einem Wort der völlige Verlust des Menschen ist, also nur durch die völlige Wiedergewinnung des Menschen sich selbst gewinnen kann. Diese Auflösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand ist das Proletariat” (MEW 1, 390).

10 Die Perspektive von Lukács finden wir in diejenigen wieder, die den Kapitalismus als ein “nunmehr” ausschließlich symbolisches System betrachten, wo alles zum Spektakel reduziert wird: Die Arbeit und die Politik seien zu Ende, die Kriege finden nur im Fernsehen statt, die Bildschirme der Börseagenten bestimmen die wirtschaftliche Entwicklung usw.

11 Zu Lukács s. die kritische Darstellung in: Projekt-Ideologie-Theorie 1986, 39 ff., wo auch ähnliche Positionen von Korsch und von Marxisten aus der DDR erwähnt werden. Die universalisierende Perspektive ist auch bei Goux 1975 sichtbar: “Der Logozentrismus ist der linguistische Name eines universalen und dominierenden, auf der abstrakten Arbeit begründeten Prinzips der Käuflichkeit” (140); “die Versklavung des Arbeiters durch das Kapital, verewigt durch die Geldform, vollzieht sich also parallel zur Unterdrückung der operativen Schrift, die durch das Element des Sinns erniedrigt und durch die logozentrische Unterordnung untedrückt wird” (147; vgl. 182 ff., 190 f.).

Eine besonders elaborierte Version der Entfremdungsproblematik hat schließlich Sohn-Rethel (1990, besonders 53 f., 68 f., 91 f., 96) vorgelegt. Seiner Meinung nach entsteht die “gesellschaftliche Synthese” im Kapitalismus durch den Warenaustausch. Das führt zur Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit, die immer die Ausbeutung impliziert. Die meschlichen Beziehungen im Kapitalismus lassen als “Spur” die Verdinglichung durch die Warenform und das Geld, während der Geistes- und Subjektbegriff der bürgerlichen Philosophie “die Entfremdung einer Entfremdung” bedeutet. “Und an diesem Subjektbegriff hängt das Immanenzpostulat der Philosophie, in dem die herrschende Klasse sich die Welt zulegt” (92). In einer kommunistischen Gesellschaft wird dagegen die Synthese durch die gesellschaftliche Arbeit erfolgen, d. h. durch eine bewußte Planung, die die Trennung von Kopf- und Handarbeit und die Ausbeutung überwindet.

Dieser Ansatz hat den Verdienst, daß die im Marxismus meistens vernachläßigte Frage der Trennung von Kopf- und Handarbeit behandelt und sie in Verbindung mit der Ausbeutung zu erklären versucht. Sie bleibt jedoch in den Denkkategorien der Entfremdung verhaftet und versucht durch die Abstraktion der Ware sämtliche gesellschaftliche Vorgänge, einschließlich der herrschenden Philosophie zu erklären, wobei der Kommunismus als eine einfache Aufhebung der Entfremdung dargestellt wird.

12 Seitenangaben in diesem Abschnitt beziehen sich auf Paschukanis 1929.

13 Zum Staat als ein Makrosubjekt, das mit den Rechtssubjekten verbunden wird und zu den Widerspüchen der “doppelten Souveränität” des Individuums und des Staates im Kapitalismus, s. Dimoulis 1996, 582 ff.

14 “Der Vertrag geht als Bestandteil in die Rechtsidee ein” (100). “Jedes Rechtsverhältnis ist ein Verhältnis zwischen Subjekten” (87).

15 “Jeder Mensch wird zum Menschen überhaupt, jede Arbeit wird zur gesellschaftlich nützlichen Arbeit überhaupt, jedes Subjekt wird zum abstrakten Rechtssubjekt. Zugleich nimmt auch die Norm die logisch vollendete Form des abstrakten allgemeinen Gesetzes an” (99 f.).

16 “Der Tauschakt konzentriert (…) die sowohl für die politische Oekonomie als auch für das Recht wesentlichen Momente” (100).

17 S. neuerdings Müller-Tuckfeld 1994, 189.

18 Im Rahmen der Rechtsgeschichte wird unterschieden zwischen der “extensiv-massiven” Anwendung des Rechts zu Zwecken der sozialen Kontrolle im Kapitalismus und der “beschränkt-selektiven” Anwendung der Regelungen des territorialen Rechts im Mittelalter und in der Neuzeit (Sabadell 1998).

19 Eine allgemeine Definition des Rechts, die sogar “vorstaatliche Gesellschaften” umfaßt, ist bei Wesel 1997, 45-54 zu finden.

20 Paschukanis wurde z. B. vom berühmten Staatsrechtler der Weimarer Republik H. Heller (1934, 196) kritisiert, weil er “verkannte”, daß auch klassenlose Gesellschaften des positiven Rechts und somit auch eines herrschenden Willens bedürfen, der das Recht setzt und anwendet.

21 Zu den Konsequenzen einer allgemeinen Definition des Rechts, s. Dimoulis 1996, 30 ff.

22 S. die Hinw. bei Dimoulis 1996, 47 f.

23Auf dieser Erscheinungsform (der Mehrarbeit als bezahlte Arbeit, D.D., J.M.), die das wirkliche Verhältnis unsichtbar macht und grade sein Gegentheil zeigt, beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistische Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgärökonomie” (MEGA II/5, 437-25; MEW 23, 562). Eindeutiger ist diesbezüglich ein Brief von Marx an Engels vom 2.4.1858: “Diese einfache Zirkulation für sich betrachtet, und sie ist die Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft, worin die tiefern Operationen, aus denen sie hervorgeht, ausgelöscht sind, zeigt keinen Unterschied zwischen den Subjekten des Austausches, außer nur formelle und verschwindende. Es ist dies das Reich der Freichheit, Gleichheit und des auf der ‘Arbeit’ gegründeten Eigentums” (MEW 29, 317). Als Ort (und Prozeß) des Äquivalentenaustausches ist der Markt, selbst wenn es sich um den Arbeitsmarkt handelt, immer das Reich der Gleichheit und der Freiheit: Diese Attribute bilden die notwendige Voraussetzung der Äquivalenz in dem Austausch.

24 So kritisiert Althusser (1994, 493) den Marxschen Versuch in der Schrift Zur Kritik der Politischen Ökonomie das Recht des Warenaustausches von den Austauschverhältnissen abzuleiten; dieser Versuch sei aporetisch, weil ohne staatlich garantierten Geldmittel und ohne staatlichen Apparate, die die Geschäfte registrieren und die Streitgkeiten schlichten, kein funktionsfähiger Markt denkbar ist.

25 Die Analyse von Paschukanis beschränkt sich auf die Struktur, d. h. auf die Funktionsprinzipien des Rechts. Auf dieser Ebene behält sie ihre Gültigkeit, obwohl sie von den juristischen Praktiken in vielen Hinsichten “falsifiziert” wird. Auf normativer Ebene schreiben die Rechtssysteme vielfältige Differenzierungen und Diskriminierungen vor, durch die Gewährung von Privilegien oder durch die teilweise Ausschließung bestimmten Gruppen (Ausländer, Frauen, Lohnarbeiter, Soldaten, Geisteskranke, usw.). Noch stärker ist die differenzierende Funktion des Rechts auf der Anwendungsebene, wo klassenspezifische Kriterien in der Praxis gelten. Die Struktur des Rechts bleibt jedoch von den undifferenzierten, freien und gleichen Subjekten beherrscht. Aus diesem Grund berufen sich die diskriminierten Gruppen immer auf das grundsätzliche ideologische, aber normativ wohl “reale”, Prinzip des bürgerlichen Rechts: die “Menschenrechte”.

26 Vgl. Balibar 1993, 67 ff.

27 Seitenangaben in diesem Abschnitt beziehen sich auf Balibar 1976. Die Positionen Balibars verteidigte neulich Tuckfeld 1997, 43-46.

28 Seitenangaben in diesem Abschnitt beziehen sich auf Althusser 1994.

29 Anführungsstrichen im Original.

30 Anführungsstrichen im Original.

31 Der Sozialismus ist ein gesellschaftlicher Zustand, der nicht einer bestimmten Produktionsweise, sondern der Übergangsphase vom Kapitalismus zum Kommunismus entspricht, die die Klassiker des Marxismus “Diktatur des Proletariats” nannten, um die Arbeitermacht von der Kapitalherrschaft (“Diktatur der Bourgeoisie”) zu unterschieden. Unter der Voraussetzung, daß die gesellschaftlichen Beziehungen und Strukturen der KPW ständig umgewälzt werden, führt die “Diktatur des Proletariats” zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft, d. h. zur Abschaffung jeder Herrschaft. Ausführlich dazu Milios 1995.

32 MEW 25, 20. Dazu s. Hecker 1998, 20 ff.

33 Die “Verselbständigung” bekrfäftigt sich durch die Existenz von Waren, Geld, zinstragenden Darlehen usw. in vorkapitalistischen Gesellschaften. Keine vorkapitalistische Gesellschaft kannte jedoch einer verbreitete Warenproduktion.

34 Auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird, kann es keine marxistische Geldtheorie ohne die Analyse des Kapitalbegriffs (“das Geld als Kapital”) geben. Der 3. Teil des 1. Bandes des Kapitals, wo das Geld als “Zahlungsmittel” dargestellt wird, ist durch die “Inkonsequenz” gekennzeichnet, daß das Geld als Zinskapital bezeichnet wird, obwohl der Begriff des Kapitals noch nicht eingeführt wird. Marx schreibt: “Der Verkäufer wird Gläubiger, der Käufer Schuldner” (MEGA II/5, 92-18), ohne den Begriff des Zinses eingeführt zu haben, der für das Verständnis der GläubigerSchuldner-Beziehung unerläßlich ist. Im 1. Band des Kapitals ist der wichtigste Teil der Geldtheorie in der KPW (das Geld als Kapital) im Kap. 4 (“Verwandlung von Geld in Kapital”) enthalten. Dort steht folgendes: “Kapital ist Geld, Kapital ist Ware. In der Tat aber wird der Wert hier das Subjekt eines Prozesses, worin er unter dem beständigen Wechsel der Formen von Geld und Ware seine Größe selbst verändert, sich als Mehrwert von sich selbst als ursprünglichem Wert abstößt, sich selbst verwertet. Denn die Bewegung, worin er Mehrwert zusetzt, ist seine eigne Bewegung, seine Verwertung also Selbstverwertung. Er hat die okkulte Qualität erhalten, Wert zu setzen, weil er Wert ist. Er wirft lebendige Junge oder legt weingstens goldne Eier. (…) Der Wert wird also prozessierender Wert, prozessierendes Geld und als solches Kapital. (…) Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist dagegen Selbstzweck, denn die Verwetung des Werts existiert nur innerhalb dieser stets erneuerten Bewegung. Die Bewegung des Kapitals ist daher maßlos.(…) Als bewußter Träger dieser Bewegung wird der Geldbesitzer Kapitalist (…) personifiziertes, mit Willen und Bewußtsein begabtes Kapital” (MEGA II/5, 109-5, 109-12, 110-7; MEW 23, 167, 115, 108-1).

35 “De prime abord gehe ich nicht aus von ‘Begriffen’, also auch nicht vom ‘Wertbegriff’, und habe diesen daher auch in keiner Weise ‘einzuteilen’. Wovon ich ausgehe, ist die einfachste gesellschaftliche Form, worin sich das Arbeitsprodukt in der jetztigen Gesellschaft darstellt, und dies ist die ‘Ware’. Sie analysiere ich, und zwar zunächst in der Form worin sie erscheint” (MEW 29, 368 f.); dazu s. etwa Godelier 1977, 202/3, 210.

36 “Die Bevölkerung ist eine Abstraktion, wenn ich z. B. die Klassen aus denen sie besteht weglasse. Diese Klassen sind wieder ein leeres Wort, wenn ich die Elemente nicht kenne, auf denen sie beruhn. Z. B. Lohnarbeit, Capital etc. (…) Finge ich also mit der Bevölkerung an, so wäre das eine chaotische Vorstellung des Ganzen und durch nähere Bestimmung würde ich analytisch immer mehr auf einfachere Begriffe kommen; von dem vorgestellten Concreten auf immer dünnere Abstracta, bis ich bei den einfachsten Bestimmungen angelangt wäre. Von da wäre nun die Reise wieder rückwärts anzutreten, bis ich endlich wieder bei der Bevölkerung anlangte, dießmal aber nicht als bei einer chaotischen Vorstellung eines Ganzen, sondern als einer reichen Totalität non vielen Bestimmungen und Beziehungen. Der erste Weg ist der, den die Oekonomie in ihrer Entstehung geschichtlich genommen hat. (…) Das Concrete ist concret weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen. Im Denken erscheint es daher als Prozeß der Zusammenfassung, als Resultat, nicht als Ausgangspunkt, obgleich es der wirkliche Ausgangspunkt und daher auch der Ausgangspunkt der Anschauung und der Vorstellung ist” (MEGA II/1.1, 36).

37 In der KPW ist der Kapitalist der Produzent, d. h. derjenige, der die Produktionsentscheidungen trifft und dem die Produkte gehören. Der Kapitalist verwendet natürlich nicht seine eigene, sondern fremde Arbeitskraft, die aber er selbst als Ware vorher gekauft hat.

38 “Capitalism is not a society of independent producers who exchange their products in accordance with the social-average labor time incorporated in them: it is a surplus-value producing economy engaged in the competitive pursuit of capital. Labor-power is a commodity” (Mattick 1969, 38).

39Es ist nicht genug, daß die Arbeitsbedingungen auf den einen Pol als Kapital treten und auf den andren Pol Menschen, welche nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft. Es genügt auch nicht sie zu zwingen, sich freiwillig zu verkaufen. Im Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelt sich eine Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen jener Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt” (MEGA II/5, 591; MEW 23, 765).

40Das Capital ist kein Ding, sondern ein bestimmtes gesellschaftliches, einer bestimmten Gesellschaftsformation angehöriges Productionsverhältnis” (MEGA II/4.2, 843-7; MEW 25, 822).

41 Labica 1985, 465. Marx hat auf die allgemeinere ideologische Wirkungen der Entpolitisierung der politischen Ökonomie aufmerksam gemacht, die auch durch den Fetischismus enstehen: Dadurch wird der Klassencharakter des Kapitalismus unsichtbar (Renault 1995, 98). Strukturell unterschiedliche Tätigkeiten werden zu menschlichen Tätigkeiten im Allgemeinen und die politische Ökonomie wird zu einer Erzählung des “rationalen menschlichen Verhaltens”. Wie zutreffend bemerkt wurde, kritisiert Marx nicht nur die Betrachtung der sozialen Beziehungen als Beziehungen zwischen Dingen, sondern auch die Darstellung der Wertform und des Warenaustausches als natürlichen Gesetze seitens der politischen Ökonomie, sowie die Verweigerung der Ökonomen, andere Produktionsweisen zu untersuchen, die die Spezifizität der kapitalistischen Produktion und das Auftreten des Fetischismus in ihren Rahmen aufzeigen (Tuckfeld 1997, 42 f.).

42 Außer Lukács und Althusser s. aus dem sowjetischen Marxismus Klein u. a. 1988, 108-110 und aus dem westlichen Iacono 1992, 82 ff.

43 Zu einer umfassenden Darstellung s. Godelier 1977; Rancière 1972.

44 Unterstreichung von uns (D.D.-J.M.).

45 Unterstreichung von uns (D.D.-J.M.).

46 Anders ausgedrückt: Marx analysierte den Warenfetischismus als eine Einführung zum Kapitalfetischismus.

47 Labica 1985, 465.

48 Zu den “zwei Umkehrungen” s. Iacono 1992, 83-87.

49Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Warenbesitzer aufeinander und tauschen Äquivalent für Äquivalent. Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das Seine” (MEGA II/5, 128 ff.; MEW 23, 190).

50 MEW 23, 90. Vgl. Godelier 1977, 213/4; Balibar 1993, 60.

51 Balibar 1976, 216; ausführlich dazu Iacono 1992, 90 ff.

52 Eine Frau kann Feministin sein oder nicht. Auch wenn sie aber mit der “Frauenrolle” in einer Gesellschaft kollektiver Beherrschung der Frauen seitens der Männer nicht einverstanden ist, kann sie keinesfalls aufhören, sich als Frau zu verstehen und die heutigen Gesellschaften unabhängig von der Geschlechterdichotomie zu betrachten. Die Erkenntnis, daß die Geschlechter gesellschaftlich konstruiert werden und ein Resultat von Beherrschungsverhältnissen bilden, ist ein Grund zum Kampf für die Änderung dieser Verhältnisse, die aber nicht durch die “Bewußtseinswandlung” des Individuums herbeigeführt werden kann. Ein individueller “Ausgang” aus dem System des Geschlechterdualismus wird gesellschaftlich als Irrsinn bewertet.

53 S. z. B. Jensen 1994.

54 Müller-Tuckfeld 1997, 467 ff.

55 “Die Analyse des Fetischismus bestätigt uns, daß die Mystifikation Mystifikation der Struktur ist, daß sie deren Existenz selbst ist” (Rancière 1972, 122).

56 Dies zeigen die Thesen von Marx und Paschukanis, wenn sie nicht reduktionistisch interpretiert werden (s. oben 2.3.2.2).

57 Balibar 1997, 174-176; Tuckfeld 1997, 42. Unsere Suche hat ergeben, daß das Wort Ideologie im Kapital einmal -allerdings beiläufig- erwähnt wird (MEW 23, 792).

58 Balibar 1993, 77.

59 Althusser 1977, 108 ff.; J. C. Müller u. a. 1994, 41 ff. Wir versuchen hier eine allgemeine Charakterisierung der Ideologie zu geben. Aus inhaltlicher Sicht bildet die Ideologie ein Geflecht von heterogenen Praxisarten. Im Kapitalismus entsprechen die Grundprinzipien der Ideologie universellen Befreiungsidealen (Freiheit, Gleichheit, Demokratie, Solidarität, Wohlfahrt), die die ideologischen Apparate “angemessen” bearbeiten, um ihnen die subversive Spitze zu nehmen. In zweiter Linie bringen die ideologischen Praxisarten Konstruktionen zum Ausdruck, die die klassenmäßige Differenzierung legitimieren (Meritokratie, Individualismus, “Law-and-Order”) und anderen Diskriminierungsstrukturen entsprechen (Nationalismus, Rassismus, maskuline Verhaltensmuster). Schließlich gibt es “spezielle” Ideologien, die sich auf bestimmte Gruppen oder Perioden beschränken (Irrationalismus, Faschismus, Technokratie).

60 Balibar 1994, 9 ff., 55 ff., 110 ff., 126 ff.; Haug 1993, 46 ff.; zu den Voraussetzungen und den Methoden der Ideologiekritik s. Hauck, 1992, 112 ff.

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