Die Geldroboter (1)

Geldroboter sind eigentlich nichts weiter als komplexe Algorithmen, die Daten analysieren, verarbeiten und aus Feedbacks und Ergebnissen zudem in der Lage sind zu lernen. Dazu hat der ehemalige EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser ein informatives Buch vorgelegt. Das Buch “Die Geldroboter”, das im ProMedia-Verlag erschienen ist, behandelt die Funktions- und Wirkungsweise der Geldroboter an den globalen Finanzmärkten.

Der Hochfrequenzhändler Virtu Financial” handelt heute auf Grundlage seiner komplexen Algorithmen an 235 unterschiedlichen Handelsplätzen in 36 Ländern im 24/7 Modus mit ca. 12.000 verschiedenen Finanzinstrumenten, und das im Bereich von Milli- und Nanosekunden, in denen die globalen Computerbörsen mit Aufträgen überschwemmt werden. Ehrenhauser schreibt: »Doch nicht nur die Geschwindigkeit hat sich dramatisch erhöht, auch die Anzahl der Aufträge hat sich potenziert. Waren es vor zehn Jahren noch siebzig Orders, die ein Händler täglich an eine einzige Börse sendet, sind es heute eine Million Orders an fünf verschiedenen Handelsplätzen. Die Bedürfnisse der Realwirtschaft spielen dabei keine Rolle. Schnell kaufen und sofort wieder verkaufen ist die Devise. Auch am Aktienmarkt. So betrug die durchschnittliche Haltezeit von Aktien im Jahr 1980 noch knapp zehn Jahre, im Jahre 2000 waren es noch sechs Monate, im Jahr Jahr 2013 lediglich 23 Sekunden.“ (98) Mit der Beschleunigung der finanziellen Transaktionen und der kompletten Umstellung der Strategien der Kapitalisierung auf die Zukunft wird die Produktion von Unsicherheit heute systemisch und systematisch produziert.

Geldroboter wie “Flow Financial” oder “Virtu Financial” werden als “Liquidity Provider” bezeichnet, die durch enorme Mengen an Kauf- und Verkaufsaufträgen für einen liquiden (flüssigen) Handel an den Finanzmärkten sorgen sollen. Das ist die erste von vier Strategien, welche die SEC (U.S. Securities and Exchange Commission) zur Erläuterung der Funktionen der Geldroboter anführt. Es handelt sich bei dieser Strategie um die der digitalen Market Maker, die permanent Kauf- und Verkaufsangebote auf beide Seiten des Orderbuchs stellen, wobei der Gewinn aus der Preisdifferenz (Spread) und den Provisonszahlungen der Börsen entsteht.

Als zweite Strategie ist Arbitrage zu nennen, welche die Realisierung eines risikolosen Gewinns mittels einer simultanen Exekution von bestimmten finanziellen Transaktionen auf mindestens zwei (oder mehreren) Märkten intendiert. Man kauft eine Aktie an einem Börsenplatz – wenn sie auf zwei oder mehreren Börsenplätzen verschiedene Preise hat – zu einem bestimmten Preis, verkauft sie dann wieder an einem anderen Börsenplatz zu einem höheren Preis und erzielt damit einen risikolosen Profit. Die Arbitrage ist ein Mittel, mit dem das volatile finanzielle Feld, in dem die Assets gehandelt werden, liquide bleibt, jedoch wird, sobald die Arbitrage-Möglichkeit auftaucht, diese umgehend gerade durch diejenigen Akteure wieder geschlossen, die von ihr profitiert haben.

Eine richtungsweisende Handelsstrategie, die dritte Strategie, beinhaltet die schnelle Erfassung von relevanten Informationen, die sich auf die Preise an den Finanzmärkten auswirken, wobei die Geldroboter hier Geschwindigkeitsvorsprünge ausnutzen, indem sie auf Kursbewegungen eben schneller reagieren können als die Konkurrenz.

Schließlich das Latenzy Arbitrage bzw. das Frontrunning, bei dem spezielle Computerprogramme finanzkräftige Interessenten am Markt identifizieren und die Hochfrequenzhändler dann die gefragten Aktien in Millisekunden an den verschiedenen Börsen selbst kaufen und an die ursprünglichen Interessenten zu einem höheren Preis weiterverkaufen. Zwar ist der Gewinn pro Aktie hier nicht hoch, jedoch wird er aufgrund der hohen Transaktionssummen millionenfach repliziert und gilt zudem noch als sicher. Finanziert wird das Frontrunning meistens von großen institutionellen Anlegern wie den Investment- und Hedgefonds oder den Pensionskassen, also letztendlich auch von Pensionären und Kleinanlegern.

Zu diesen vier Strategien kommen eine ganze Reihe weiterer Manipulationstechniken hinzu, so Ehrenhauser, man denke etwa an das Quote Stuffing, bei dem eine enorme Anzahl von Orders an die Börse gesendet und im nächsten Augenblick schon wieder gelöscht wird, um den Handel für Sekundenbruchteile zu verzögern. Damit werden die Marktpreise kurzfristig in die jeweils beabsichtigte Richtung getrieben, um dann im nächsten Moment von der Gegenbewegung zu profitieren. Diese Strategien hat das Unternehmen Nanex, spezialisiert auf die Erforschung von Handelsanomalien und Anbieter von Software für die Echtzeitanalyse von Aktien-Quoten, eindringlich analysiert.

Und Krisen sind für die Geldroboter geradezu willkommene Gelegenheiten, ihre Profite zu erhöhen -beispielhaft hier die Schuldenkrise in Griechenland, die zu hohen Preisschwankungen vor allem von Derivaten an den Finanzmärkten und damit zu erhöhten An- und Verkaufsentscheidungen führte, wobei die gestiegene Nachfrage die Spreads (Differenz zwischen dem Kauf- und Verkaufspreis; der Betrag, den Geldroboter für die angebotene Liquidität einkassieren) ansteigen ließ. Das erhöhte Handelsvolumen plus höhere Spreads führten also zu höheren Gewinnen, den unter anderem auch die gewöhnlichen Sparer, Pensionsanleger und Versicherungsnehmer bezahlten .

Die Unternehmen, die Geldroboter einsetzen, arbeiten meistens mit einer Mischung aus verschiedenen Strategien; sie erschaffen sich aufgrund ihrer leistungsstarken Technologien und Infrastrukturen zeitliche Vorteile gegenüber anderen institutionellen Anlegern. Dabei ergeben sich durch geschwindigkeitsexzesse und die enorme Zahl der Transaktionen, die meist aber nur geringe Spread besitzen und damit als einzelne zu niedrigen Gewinnen führen, für die Geldroboter insgesamt hohe Gewinnsummen, insbesondere wenn die Volatilität (Preisbewegungen an den Börsen) hoch ist. Die Unternehmen profitieren jedoch nicht nur von starken Preisschwankungen, sondern sie lösen solche auch aus, um sie über die globalen Finanzmärkte, die als extrem vernetzte Systeme zu begreifen sind, in Sekunden zu verbreiten und zu verstärken, gerade indem die Geschwindigkeiten und das Handelsaufkommen fortwährend erhöht werden. Im Jahr 2016 sind allerdings Gewinne des US-Unternehmens “Virtu Financial” und des niederländischen Unternehmens “Flow Traders” deutlich zurückgegangen; sie hatten einen Gewinneinbruch um fast 50% auf knapp 40 Millionen Euro verzeichnen, und dies trotz des enormen technologischen Wettrüstens, welches die Geldroboter veranstalten, um schneller als die Konkurrenz an die relevanten Informationen zu gelangen. Zwischen den Geldrobotern und den institutionellen Anlegern (Versicherungen und Pensionsfonds) herrscht längst eine Asymmetrie in der Konkurrenz, die langfristig auch zu einer Gefährdung der Altersvorsorge führen könnte.

Es genügen schon kleine Signale – ausgelöst durch Tweets, bestimmte Nachrichten oder durch manipulative Strategien -, die über vielfältige Wirkungsketten zu Systemstörungen führen können. Im Jahr 2013 wurde etwa das Twitter-Konto der US-Nachrichtenagentur Associated Press gehackt und daraufhin die Meldung von zwei Explosionen im Weißen Haus verbreitet. Der Twitter-Feed signalisierte für die Algorithmen der Hochfrequenzhändler einen bevorstehenden Kurseinbruch und löste innerhalb kürzester Zeit eine enorme Zahl an automatisierten Verkaufsorders aus, sodass es zu einem extremen Preissturz bzw. Flash Crash kam.

Die Algotrader sind aber hinsichtlich dieser extremen Preisfluktuationen an den Börsen ganz anderer Meinung und behaupten, sie würden mit ihren Geldrobotern die Volatilität an den Märkten doch eher glätten, insbesondere in Krisensituationen, wenn die Preise abstürzten, weil die Händler versuchten, alle gleichzeitig ihre Produkte zu verkaufen, und somit den Preistrend verstärkten würden. Gerade in solch kritischen Phasen würde man einen Preis stellen und damit den Marktteilnehmern signalisieren, dass sie zu jeder Zeit kaufen und verkaufen können, was die Preisbewegungen eben eher beruhigen würde. In einer Studie der Deutschen Bank aus dem Jahr 2016 heißt es jedoch, dass sich Hochfrequenzhändler in besonders volatilen Phasen häufig zurückziehen und ihr Liquiditätsangebot verringern und damit ein erhöhtes Risiko von extremer Volatilität erzeugen würden, wodurch wiederum starke Fluktuationen in den Kursen bis hin zu Flash-Events begünstigt werden könnten. Damit, so Ehrenhäuser, würden die Geldroboter in Zeiten hoher Volatilität an den Finanzmärkten die exzessiven Preisbewegungen noch verstärken.

Hinter der Position der Unternehmen der Geldroboter lauert zudem das ideologische Mantra einer ewigen Liquidität an den Märkten. Das kollektive Vertrauen der Händler auf die zukünftige Liquidität des Marktes ist hier essenziell. Die Derivate inhärieren daher die performative Macht eines Rituals, um genau das kollektiv in Gang zu setzen, was jeder einzelne Agent an den Märkten voraussetzt. Aber die Liquidität an den Märkten verdampft immer wieder, weil diese sich nicht an ihre früheren Fehler erinnern. Es besteht ein Spread zwischen Risiko und Unsicherheit, der selbst volatil ist. Dabei geht es nicht um die bloße Reduzierung der Risiken, vielmehr werden dies gehedgt, um das spekulative Kapital zu vermehren, womit das Risiko (im Gegensatz zur Unsicherheit) rein quantitativ zählt, als Kalkulation eines Preises, der mit einer Zahl versehen ist. Dabei werden die Risiken von den Bedingungen ihrer Realisierung getrennt und dies hat bestimmte Implikationen: Das Risiko kann nun in den Kategorien der Volatilität definiert und etwa als die Wahrscheinlichkeit der relativen Varianz des Derivatpreises gemessen werden. Die Volatilität wird jetzt selbst in eine Logik der Produktion eingemessen. Die Derivate kapitalisieren damit die Volatilität, die sie aktiv kreieren.

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