Post Covid Riot Prime Manifest – Next Level (Part lV)

Zwanzig weitere Anmerkungen (Part lV) zu den gegenwärtigen Konfliktualitäten und Perspektiven. (36-40) Der erste Teil des ‘Post Covid Riot Prime Manifest’ findet sich u.a. hier, bzw. kann in gedruckter Form als Broschüre hier bestellt werden. Der erste Teil vom ‘Post Covid Riot Prime Manifest – Next Level’ findet sich hier, der zweite Teil hier, der dritte Teil hier.  

Sechsunddreißig: Es wird ein heißer Sommer. So oder so. Die Frage ist nur, wo und ob wir uns wiederfinden werden. Zwei Jahre voller Demütigungen, eingesperrt, überall Bullen und Militär, wir wurden mit Hubschrauber gejagt, als wir an der Atlantikküste frische Luft schnappen wollten, die Jugend wurde aus den Parks gejagt, sie haben auf uns geschossen, den Alten wurde nicht einmal gestattet, ein paar kluge Worte oder ein paar schöne Verse in einem Buch auf einer Parkbank zu lesen, der Tod fand uns einsam und trostlos vor, weil uns die Besuche, Küsse und haltende Hände verweigert wurden, in ihren Abschiebezentren für die Alten, wo man den Tod weggesperrt aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein. Wir konnten uns von unseren Toten nicht verabschieden, unseren Brüdern, Schwestern, Eltern, Freunden, Genossen, zu früh gegangen Kindern. Sie wurden verscharrt, wir hatten einander nicht, um uns zu küssen und zu umarmen, zu trösten. Sie haben uns unsere Würde gestohlen, das einzige was wir noch hatten in dieser kaputten Welt, die sie eingerichtet haben, um ihre Todesmaschine aus Verwertung und Krieg am Laufen zu halten. Millionen von Proletariern sind immer noch, während diese Zeilen entstehen, in ihren Hochhäusern in Shanghai und anderen Städten Chinas eingesperrt, die Tore zu diesen unmenschlichen Wohnmaschinen zugeschweisst, jede Nacht erklingen die verzweifelten Rufe nach Nahrung und Freiheit aus abertausenden Kehlen, während Drohen und Roboterhunde über allem schweben und durch die menschenleeren Straßen patrouillieren, die nur von den seelenlosen Dienern des Empires in ihren weißen Schutzanzügen bevölkert werden. Jetzt also “noch der Krieg”, der eigentlich schon die ganze Zeit tobt, nur dass dies sonst in den Peripherien der Verwertungsmetropolen geschieht. Wir aber haben die Belagerung von Aleppo nicht vergessen, die Fassbomben die gezielt auf Schulen und Krankenhäusern geworfen wurden, wir erinnern uns mit jeder Träne an die ausgemergelten Gestalten in den Trümmerlandschaften von Jarmuk, wir wissen, dass jeden Tag und jede Nacht Menschen, Frauen, Männer, Kinder, im Mittelmeer ertrinken oder an den Außengrenzen der EU in Osteuropa mitten im Winter im Wald campieren, ohne Nahrung, medizinische Versorgung, ohne wärmende Behausung. Wir haben gesehen, wie die Bullen die provisorischen Camps der Flüchtlinge bei Calais zerstören, Tag für Tag, genauso wie sie die Flüchtlinge mitten in Paris von Ort zu Ort jagen. Wir sehen die Mauern die sie an der Südgrenze der USA errichtet haben, wir sehen die Mauern und Zäune die sie an der Ostgrenze der EU errichten, während immer mehr Gelder in die Flüchtlingsjagdeinheiten der FRONTEX gepumpt werden. Wir wissen, dass das sudanesische Militärregime, dass seit seinem Putsch gegen die sudanesische revolutionäre Bewegung über 100 Demonstranten ermordet hat, Militärhilfe aus China, Russland, Saudi Arabien erhält, dass das Militär Heckler und Koch Sturmgewehre gegen die Demonstranten einsetzt. Wir wissen dass immer noch alle 10 Sekunden ein Kind auf der Welt verhungert, wir wissen dass dies nicht zufällig oder schicksalhaft geschieht, wir wissen, dass die Verantwortlichen dieses Massensterben mit einem Fingerschnippen beenden könnten. Wir wissen, dass sie nicht mit dem Finger schnippen werden. Wir haben gesehen, wie innerhalb von Tagen und Wochen im Pandemie Ausnahmezustand unglaubliche Verschiebungen und Mobilisierungen möglich waren. Das Fingerschnippen um den Hunger zu beenden würde nicht einen Bruchteil an Bemühungen davon kosten. aber dieses Fingerschnippen verspricht keinen Gewinn, weder ökonomisch noch ideologisch. Wir wissen, “dass Krieg herrscht”, wir wissen dass es eine Lüge ist, “dass der Krieg jetzt ausgebrochen ist”, ein weiteres Narrativ, dass sie setzen um ihre fragile Herrschaft zu stabilisieren. Immer “ein kleineres Übel erschaffen” ist die gegenwärtige Logik mit der sie uns dazu bringen wollen, dass wir ihnen in den Abgrund folgen. Ans Ende der Zeit. Diesmal haben sie sich verzockt, wir durchschauen ihre Taschenspielertricks, wir lassen nicht davon ab, dass wir Vergeltung fordern. Für die letzten zwei Jahren, für die letzten zweitausend Jahre. Wir lassen uns nicht von der “Notwendigkeit die NATO zu stärken” blenden, es ist nicht “unsere Freiheit”, die verteidigt werden soll, sondern ihre Wettbewerbsposition. Ökonomisch, geopolitisch, militärisch. Sie sind bereit jeden Tag neue Lügen und Manipulationen zu streuen, uns Sand ins Gesicht werfen, damit wir unter Tränen nicht das naheliegendste erkennen. “Die entstehende Dystopie ist nicht das Produkt eines Komplotts, das von irgendwelchen geheimen Regierungen ausgeheckt wurde, sondern das Ergebnis eines zufällig stattfindenden Moments der Rationalisierung des Kapitalismus, der seine konstitutive Irrationalität noch lange nicht aufheben wird. Das vielfältig improvisierte und mit allen verfügbaren Mitteln ausgestattete Getue, mit denen die Staaten auf die Epidemie reagieren, ist der deutliche Beweis dafür. Ihre Meinungsverschiedenheiten, Lügen, Ungereimtheiten und offensichtlichen Versäumnisse zeigen vielmehr, auf welch schwachem Fundament die kybernetische Dystopie aufgebaut ist, die vorgibt, in all ihren Aspekten die Verwendung unserer Leben zu bestimmen. Vielleicht wird sie in dem Moment, in dem sie sich für allmächtig hält, am Verwundbarsten sein. Aber hierfür muss der Wunsch nach Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit so weitreichend und tief verwurzelt sein, bis er unsere Kräfte bündeln kann. Wenn wir keine neue utopische Bresche schlagen, werden wir ewig im Tag danach leben.” Der Tag danach liegt hinter uns – Joël Gayraud (1)

Siebenunddreißig: Die Reife der Zeit, also der Moment vor dem Sprung, der unmittelbare Moment, ist die vorrevolutionäre Situation, die wir vorfinden. Dieser behauptete Moment ist subjektiv, wie alle geschichtlichen Momente, entgegen der vorherrschenden (linken) Geschichtsschreibung. Subjektiv in dem Sinne, dass nicht die Bedingungen nicht objektiver Natur seien, sondern die Bereitschaft jetzt das Mögliche zu tun. Anders gesagt, den Schatten zu verlassen und zur Kämpfenden Partei zu werden, die in der Lage ist, die Geschichte umzuschreiben. Die Aufstände sind gekommen und haben alle Erwartungen übertroffen, im historischen Kontext des Niedergangs der Linken war es wieder möglich einen Blick auf den Horizont des Umsturzes zu werfen. Keine ideologischen Nebelkerzen mehr, kein kleinbürgerlicher Moralismus mehr, kein falsches Vertrösten, kein ständiger ruchloser Verrat. Es gibt keinen “Sozialismus des 21. Jahrhunderts” mehr, kein “progressives Lager”, kein “Projekt”, das zu verwirklichen wäre. Die letzten zwei Jahre haben unmittelbar klar gemacht, wer wo steht. Wer sich hinter den Staat und seine Bullen und seine Militärs gestellt hat, wir waren nicht wirklich schockiert darüber, wer sich alles im Lager unserer Feinde wiederfand. Wir haben das schon länger analysiert und gesagt und wurden dafür gescholten. Jetzt liegt alles offen da. Wer jetzt immer noch nicht bereit ist hinzuschauen, dem ist nicht mehr zu helfen. Wir sehen den Horizont, jetzt dürfen wir ihn nicht mehr aus den Augen verlieren.

Achtunddreißig: Wir werden uns hüten, die konkreten nächsten Schritte zu proklamieren. Die ist die Erfahrung fast aller Aufstände, die meisten “Programme” sind im Kern konterrevolutionär. Jede Erhebung ist ein Suchprozess, eine neugierige Erkundung des gesellschaftlichen Körpers, ein lustvolles Erforschen von Möglichkeiten, Begegnungen, die ungewohnt sind, Beziehungen, die auf etwas neuem, und doch altbekannten, fast archaischen fußen. “Der Revolutionär”, “die Revolutionärin”, sind Erfindungen einer politischen Kaste, er gibt keine “Revolutionäre”, es gibt nur Menschen, die die Revolution machen. Menschen, die Barrikaden bauen, plündern, Waffen klauen, Gefängnisse stürmen, die wilde Versammlungen abhalten, die ständig durcheinander reden. Die keinem Kommando gehorchen, außer sie haben sich entschlossen, temporäre Koordinationszentren zu betreiben. Die Träger der Kämpfenden Partei benötigen keine Ṕroklamationen, keine Abzeichen, keinen Rang. Sie sind schon seit Jahren dabei, voneinander zu lernen, sich auszutauschen, Bündnisse und Verschwörungen zu schmieden. Sie haben sich unter den Bedingungen des permanenten Ausnahmezustandes reorganisiert. Zur Verwunderung der Linken haben die weltweiten Aufstände in den letzten beiden Jahren an Intensität zugenommen, während die Linke dem Empire ideologisch den Rücken gestärkt und darauf gewartet hat, dass sie ihre alten Beschäftigungsspiele wieder aufnehmen können.

Neununddreißig: Aber natürlich dürfen wir nicht blind werden, uns zu früh an dem nahen Sieg berauschen. So wie es vielen vermessen erscheint, von einem nahem Sieg zu sprechen, so vermessen wäre es, diesen als gegeben anzunehmen. Unser Gegner hat die Einsätze erhöht, er versucht wieder die Bedingungen des Klassenzusammenstoßes zu kontrollieren. Der gegenwärtige Formierungsprozess im Kontext des Ukraine Krieges zeigt dies. Nicht zufällig tritt der Westen in eine “Kriegswirtschaft” ein, nicht zufällig ist es ein grüner “Superminister” der wichtigsten europäischen Wirtschaftsmacht, der diese “Kriegswirtschaft” im strategischen Energiebereich wesentlich mit ausgestaltet. Unisono wird von “den notwendigen wirtschaftlichen Einschnitten” gesprochen, die im Kern nichts anders als eine radikale Umverteilungspolitik bedeuten, die Kosten der “Kriegsbereitschaft” werden die Proletarier zu zahlen haben, dem Mittelstand soll nach dem Bündnisangebot der “Abwendung der Klimakatastrophe” das nächste Angebot in Form der “Verteidigung der westlichen Freiheit” gemacht werden, am Ende stehen wieder die Barbaren vor Rom, die Türken vor Wien, eine letzte “zivilisatorische Zuflucht” als Panikraum, der Pöbel wird der nächste Endgegner sein, die Weichen dafür wurden auch schon in den letzten beiden Jahren gelegt. Die “Aufgeklärten”, die “der Wissenschaft Folgenden”, die “wahren Humanisten”, der Gegner im besten “unaufgeklärt” (die “schlecht informierten Migranten”), im schlimmsten Fall der “asoziale Pöbel”, ungeimpft, Maßnahmenkritiker, mit Faschisten durchsetzt, dem man im Bedarfsfall die “gesellschaftliche Teilhabe” und das Grundrecht auf medizinische Versorgung entziehen kann und darf. Der zukünftige Faschismus, der in der Zuspitzung als unvermeidliche Formierung gegen den revolutionären Druck, den “Ansturm der Barbaren” errichtet werden wird, wird “aufgeklärt” und “fürsorglich” daher kommen. Die Totalität des Zugriffs auf alle Lebensbereiche wird Orwells 1984 wie eine mild zu belächende Gute-Nacht-Geschichte für Kinder erscheinen lassen. Insofern ist es dringend notwendig, sich theoretisch und analytisch auf der Höhe der Zeit zu bewegen, das heisst auf dem Niveau der gesellschaftlichen Faschisierung. Antifaschismus heißt in diesem Kontext alle Kräfte für die notwendige Erhebung zu sammeln, darunter geht es nicht mehr.

Vierzig: Keine Blaupause. Kein fertiges Werk. Arbeitsskizze für Arbeitsskizze. Immer wieder den ganzen Rahmen umreißen, aber dabei nicht ins offene Messer der vom Gegner aufgezwungenen Konfrontation laufen. Sich den Diskursen verweigern. Radikal.Allen. Wirklich allen. Die Partei lieben, aber nicht verehren. Verstehen, was Partei meint. Du und ich. Wenn wir Uns treffen. Reden. Zuhören. Verstehen. Uns vertraut machen. Unersetzlich. Fremde kennenlernen. Nah. Weit weg.Und doch wieder nah. Vertraut. Konspiration. Aber kein Getue. Kein Wichtigmachen. Flugblätter verteilen. Im Vorort. Plündern. Teilen. Auch die letzte Zigarette. Die Erde beweinen. Verteidigen. Den Sommer kaum erwarten können. Glühende Sehnsucht, die den Atem raubt. Alles in diesen Sommer legen. Alles auskosten. Verstehen, nein Begreifen, das unsere Zeit gekommen ist. Die Nacht endet. Unsere Träume niemals verraten. Uns nicht verkaufen. Nicht für das nackte Leben, nicht für die trostlose Existenz, die man uns anbietet. Partei ist wie eine Jugendliebe die niemals vergeht. Sie war schon immer da. Wahrscheinlich haben wir sie anders genannt. In einem anderen Leben. Haben gelernt ihr zu misstrauen, weil sie immer recht hat. Hat man uns beigebracht. Oder weil so viele Verbrechen in ihrem Namen begangen wurden. Haben unser Herz an sie verschenkt und verloren. Wenigstens das. Der Sommer ist nah, wir werden Geschichte schreiben. “Und immer auf dem Sprung, mit brennend  braunen Augen, die haben viel geseh’n und sind richtig jung.” Wir sehen uns. Werden uns erkennen. An dem Lächeln, das noch immer unsere Münder umspielt. Bis gleich.

Fußnoten:

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