Das kommende Ultrakapital – Die Unterteilung der Säuglinge in Derivat und Schrott – Zehn Thesen

1) Mit jeder zukünftigen Generation wird die Zahl der Überzähligen, also derjenigen, die für das Kapital nutzlos sind, höher werden. Die zukünftigen Automationsschübe werden die Zahl der Beschäftigten in den Zentren des Kapitalismus weiter senken und gleichzeitig mutiert die Lohnarbeit tendenziell zur Beschäftigung, wenn nicht zur Beschäftigungstherapie, von der nur diejenigen ausgeschlossen sind, welche die Maschinen kontrollieren.

2) Dass trotz des Zurückdrängens der Lohnarbeit möglichst viele in der Tretmühle der Inwertsetzung verbleiben, dafür sorgt die Sharing Economy, die schon heute aus einem Gästezimmer oder einem unbenutzten Raum eine entgangene Einkommensquelle macht. Alles soll fortan als Einkommensquelle dienen, jeder Aspekt des Lebens messbar und gewinnbringend sein, und dies bezieht sich gerade auf das, was noch nicht produziert oder erzeugt ist.

3) Dabei ist der Beschäftigte weniger der Eigentümer einer Arbeitskraft, das heißt der Vermögen einer Reihe von Fähigkeiten, Qualifikationen und Potenzialen, sondern er ist selbst ein Konglomerat aus verschiedenen kleinen Kapitalsorten. Er ist das kleine Kapital x, das er zu steigern hat. Er ist damit potenziell Produzent, Produkt und Verkäufer des Produkts in einem Prozess, den man Leben nennt. Die Sportler, Künstler und Promis sind derzeit die Vorzeigebilder solch eines zu kapitalisierenden Lebens.

4) Das monetarisierte Leben ist schließlich eine Relation oder ein Spread, der ständig bewertet werden muss. Es ist der Basiswert, auf den spekuliert wird. Und dieser Spekulation gilt es zu unbedingt folgen, will man seinen Ruf nicht verlieren.

5) Spekulationen und Messungen vollziehen sich heute über das Schreiben und Auspreisen von Derivaten. Das Derivat ist selbst eine Relation und besitzt einen materiellen Träger, in diesem Fall den Menschen. Infolgedessen wird jedes Bedürfnis, jede Befriedigung, der Wunsch, die Lebensformen und -akte Anlass zu punktuellen Bewertungen, Taktiken und Intentionen geben – Komponente, die der Optimierung und der Effizienz der Verwertung des eigenen kleinen Ich-Kapitals x unterstellt sind.

6) Die Kapitalisierung inhäriert den berechneten (diskontierten) gegenwärtigen Wert der in der Zukunft zu erwartenden, risikobereinigten Gewinne einer ökonomischen Einheit. Die Preise von Derivaten basieren also auf den Marktkalkulationen zukünftiger monetärer und volatiler Gewinnströme, die aufgrund von Marktzinsraten und den Erwartungen der Marktakteure diskontiert werden. Oder, um es anders zu sagen, sie resultieren aus der Diskontierung der zukünftig erwarteten Gewinne mit dem aktuellen Marktzins und einem von der Qualität des Wertpapiers sowie der konjunkturellen Situation abhängigen Risikoaufschlag oder -abschlag (gewichteter Zins).

7) Die Logik der Kapitalisierung fällt bezüglich des Menschen mit einer unsichtbar regelnden Instanz, die das Leben organisiert, zusammen. Jede Äußerung, jede Transaktion, jeder Sex, jeder Austausch, jeder Chat hat Folgen, die in das sich ständig verändernde Risikoprofil eingespeist werden, welches wiederum von komplexe Algorithmen errechnet wird. Die zunehmende Begeisterung für Rankings, Rating und das Scoring, die exakt Quantifizierungen des Derivativen sind, betrifft heute schon alle Lebensbereiche.

8) Dabei verschwenden die Gebrauchswerte keineswegs, sondern sie werden in Echtzeit monetarisiert. Der Tauschwert eines Lebens unterscheidet sich tendenziell nicht von seiner materiellen Existenz, bleibt aber eine Relation und transformiert zum Derivat, das die Zukunft des materiellen Dings Leben kapitalisiert. Tag und Nacht sucht ein Heer von Analysten der Versicherungen, Banken und anderen Unternehmen weltweit nach verborgenen Quellen der Verwertung von Aspekten des Lebens, die zukünftig monetarisiert werden können, aber bisher in dem Derivatwert der Person noch nicht reflektiert sind. Der Lebenswert ist der Logos eines Derivats, wenn man dieses auf die Umgebung der Person und auf diese selbst bezieht. Dabei wird der Unterschied zwischen kleinem Kapital und Person zunehmend ausgelöscht, insofern das Leben selbst auf die Monetarisierung ausgerichtet wird, auf die Transformation einer sozialen Angelegenheit in eine Maschine zur Verwertung des kleinen Kapitals x. Der Lebensprofit wird direkt an die derivative Profitlogik des Kapitals angebunden.

9) In Zukunft wird einem Säugling ein auf die Zukunft bezogener Ertragswert zugeschrieben werden, ein Einkommensstrom, der im Lauf eines Lebens herzustellen ist; man wird diesen erwarteten Einkommensstrom diskontieren und den Ausgangspreis des Säuglings erhalten. Es ist deshalb kein Zufall, wenn der französische Unternehmensverband vorschlägt, jedem Franzosen von Geburt an eine Umsatzsteuernummer zuzuteilen. Dabei ist der Wert des Menschen nicht nur das Konglomerat aus seiner Gesundheit, Effizienz, Wissen, Beziehungen, Kreativität, Wünsche, Arbeitsfähigkeit, sondern er hat diese individuellen Merkmale in Zukunft zu verwerten. Gleichzeitig wird das Geld durch verfeinerte und granulare Informationen, die man jeder Person zuschreibt, ergänzt. Diese Informationen sind Derivate, die aber noch wie vor in Geld realisiert werden müssen. Klossowkis lebendes Geld hat sich nun im Derivat realisiert.

10) Ein großer Teil der Menschheit wird von dieser Art der Verwertung ausgeschlossen bleiben. Deren Säuglinge sind von vornherein Müll. Man wird den Produzenten solcher Säuglinge vorschlagen, sie in Zukunft besser nicht mehr zu produzieren. Das nennt man dann Geburtenkontrolle.

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