Time of Money (Review) (5)

Adkins macht die Transformationen im Finanzsystem seit den 1970er Jahren an der Entwicklung neuer Finanzinstrumente, der Verbriefung insbesondere von Krediten, der Austeritätspolitik und der Integration der Bevölkerung in die Finanzkreisläufe fest. Daraus zieht sie weitere Schlussfolgerungen: Die Finanzmärkte haben nach Bretton Woods das Verhältnis von Zeit und Geld verändert sowie eine radikale Temporalisierung der Securitization in Gang gesetzt, deren Profitmöglichkeiten eben in der Zeit liegen. Durch die Austeritätspolitik wird die Schuldenökonomie ausgebaut, die Produktivität der Bevölkerung hinsichtlich der Generierung von Surplus via der Bewegungen und Ströme des Geldes gesteigert. Hinsichtlich der langfristigen Finanzierungsstrategien wurde das »alltägliche Geld« in die Finanzkreisläufe integriert. Kredite werden für Teile der Bevölkerung immer dringender notwendig, um überhaupt ökonomisch überleben zu können. Dies führt zu einer Restrukturierung der Klassenrelationen und des Sozialen insgesamt, bis hin zu den alltäglichen Praktiken, die spekulativ infiziert werden.

Indem sowohl die Arbeit als auch die Reproduktion des Lebens zunehmend prekär werden, kommt es zu einer “Verlinkung” zwischen Arbeitern und Angestellten mit Teilen der subproletarischen Bevölkerung. Die tragende Rolle der Lohnarbeit in den produktiven Produktionsprozessen schwindet in den westlichen Kernländern. Zudem steigt die Anteil derjenigen, die ohne Lohn im Kontext der Prekarisierung der Arbeit auskommen müssen. Für Adkins besitzt heute ein Großteil der Löhne dieselbe Rationalität wie die neuen Formen der Finanzinstrumente. Die Stagnation und die Reduktion der Reallöhne sind ein kennzeichnender Faktor der Zeit des Postfordismus. Adkins zitiert an dieser Stelle David Harvey, der nahelegt, dass die Stagnation der Reallöhne Resultat der Aufkündigung des sozialen Pakts im Fordismus ist, eines andauernden Angriffs auf die Organisationen der Arbeiterbewegung sowie einer Periode der Konsolidierung der Macht des Kapitals.

Im finanzialisierten Postfordismus sind die Löhne aber nicht ausschließlich durch ihre Stagnation, sondern auch durch ihre Volatilität und Unsicherheit gekennzeichnet. Die Krise der sozialen Reproduktion wird durch den Abbau des Sozialstaates verschärft (Gesundheit, Pflege, Bildung, Wohnung etc.). Diese Faktoren haben im Zusammenspiel mit stagnierenden Reallöhne die Lücke zwischen den real verfügbaren Einkommen und dem, was zum Leben benötigt wird, erweitert. Für die unsicheren Löhne sind heute die Nullstunden-Verträge beispielhaft, die keine spezifische Arbeitszeit und Lohnhöhe mehr ausweisen und eine permanente Bereitschaft zur Arbeit erfordern. Man denke des Weiteren an die vielen Formen von Verträgen, die außertariflich sind. Zudem hat sich der Schuldenservice der Haushalte erhöht, das heißt Hypotheken, Kredite und Studentendarlehen haben die Form versicherter Kredite angenommen, vertraglich geregelter Schulden, die durch spezifische Finanzinstrumente in Assets transformiert und an den Finanzmärkten gehandelt werden. Damit wird die Produktivität der vertraglich geregelten Schulden für den Prozess der Akkumulation via versicherte Schulden zentral. Die Kreation des verschuldeten Konsumenten dient als »Lösung« für stagnierende Löhne und hat das Lohnarbeitsverhältnis selbst verändert. Die Verschuldung wird zudem kontinuierlich gemessen und ihr Anstieg durch steigende Einkommen-Schulden-Relation bestätigt, wobei das Augenmerk heute stärker auf die steigenden Schulden als auf die Entwicklung der Löhne gelegt wird. Unter den Bedingungen der expandierenden Verschuldung werden die Arbeiter nicht nur durch das Lohnarbeitsverhältnis ausgebeutet, sondern auch durch ihre Anbindung an die Banken und andere Finanzinstitutionen via Kreditierung.

Wenn Arbeiter und Angestellte heute auf Grundlage ihrer Löhne Kredite aufnehmen, dann handeln sie quasi ihre Löhne, um Zugang zu Geld zu bekommen, das etwas in Bewegung setzen kann, das heißt Eigenschaften des Geldes, die noch nicht vorhanden sind, aber ungenutzte Potenziale besitzen. In der Tendenz kann nun selbst noch der Arbeiter ein kleines Investor-Subjekt werden, das Zugänge zu Assets besitzt (bspw. über Versicherungen). Wie Derivate von den ihnen unterliegenden Basiswerten abgetrennt werden können, so bis zu einem gewissen Maß auch die Löhne von der Arbeitskraft. Um dem zu widerstehen, müsste eine neue spekulative Politik ins Auge gefasst werden, die sich um die Rechte und Bedingungen von Arbeitern kümmert, die Geld in Bewegung setzen können.

Foto: Bernhard Weber

Nach oben scrollen