Die Elemente von Foucault (3)

Im nächsten Abschnitt stellt Lambert die Frage nach dem für Foucault äußerst wichtige Begriff des Dispositivs. Dabei ist von zwei grundlegenden Aussagen auszugehen. Es werden die Konzepte nicht durch die Propositionen definiert, sondern durch Diskurse, die schnell ein früheres Konzept verändern können, so wie etwa Foucault sein früheres Konzept des Apparats in das des Dispositivs verändert hat. Er benutzt später den Begriff des Dispositivs, um Begriffe zu eliminieren, die zu eng mit dem des Apparates verkoppelt sind, und um den Begriff selbst auszubauen und ihn für die Analyse der Macht zu benutzen. Des Weiteren werden Konzepte nicht als Vereinheitlichungen von Bedeutungen gesehen. Sie werden im Kontext andere Begriffe verwendet, zu denen sie in Beziehung oder in Konfrontation stehen, das heißt das Konzept des Dispositivs kann nicht verstanden werden, ohne auf Foucault früheres Konzept des Apparats zu rekurrieren.

Es waren Giorgio Agamben und Gilles Deleuze, die sich explizit mit dem Begriff des Dispositivs auseinandergesetzt haben, zuallerest unter dem Aspekt der Bedeutung. i.e. wie lebende Wesen in Prozessen, bei denen die Macht eine wesentliche Rolle spielt, zu Subjekten transformiert werden. Dabei wird die Pluralität und Heterogenität der Mechanismen betont, wobei auf ein multilineares Ensemble von disziplinarischen Mechanismen der Subjektivierung und auf neue modale Prozesse derselben abgezielt wird. Agambens Hauptargument, das er von Carl Schmitts politischer Theologie ableitet, besteht darin, politische und juridische Konzepte auf religiöse Konzepte, die in der Moderne säkularisiert wurden, abzuleiten- Deleuze wiederum war der erste, der die artifizielle Ganzheit der Dispositive, die Foucaults heterogenes Konzept bestimmt, benannt hat, wobei die Linien des Dispositivs Richtungen folgen und Prozesse trassieren, die manchmal zusammenrücken und dann wieder auseinander driften. Deleuze bezieht sich an dieser Stelle insbesondere auf Riemanns Raumzeit, einem immanenten Feld ohne transzendente Unifizierung, einer Kontinuität der Linien ohne globale Zentralisation und die Kontiguität der Teile ohne eine distinkte Totalisierung, i.e. ein sozialer Raum. Das steht für Lambert Deleuze eigenem Konzept des Rhizoms sehr nahe, sodass bei Deleuze die Gefahr besteht die Eigenarten des Foucaultschen Denkens nicht länger wahrzunehmen.

Lambert beschäftigt sich dann mit der Genealogie des Begriffs Apparat, dessen wichtigste Bedeutung wohl die einer Anordnung ist, die sich bewegende Teile und einen Motor besitzt, wobei man hier Analogien zum Begriff der Maschine findet. Althusser verwendet den Begriff Apparat-Maschine bezüglich seiner Charakterisierung des Staates, wobei dieser dem Überbau angehört, während der Begriff doch der Produktion angehört.

Dass Objekt der biopolitischen Ordnung ist zweigeteilt; die Kriegsstrategien sind auf die Bevölkerung bezogen, während die konkreten Taktiken auf den individuellen Körper abzielen, und unterhalb dieses Körpers, der als Substanz und minimale Einheit definiert wird, auf die Elemente und Kräfte des Lebens selbst. Dies duale Perspektive auf den Begriff des Dispositivs verhindert es ihn mit dem Begriff de Apparats, der Struktur oder Maschine gleichzusetzen. Entgegen dieser Organisationen, die einen homogenen Raum und eine Zeit, die ihrer Funktion gemäß ist, enthalten, seien es die linguistischen Elemente einer Struktur, die mechanischen Parts einer Maschine, oder die Komponenten eines Apparats oder Organismus, gibt es im Dispositiv heterogene Teile, die einander konfrontieren können.

Obwohl Foucault Student bei Althusser war, findet sich bei ihm keine Referenz auf Althussers Gebrauch des Begriffs Dispositiv, während sein Bezug auf Canguilhems Schrift „Das Normale und das Pathologische“ doch ganz eindeutig nachzuvollziehen ist. In dieser Schrift wird die Macht der Norm als etwas definiert, dass verschieden vom Gesetz funktioniert, insofern die Funktion der Norm nicht darin besteht auszuschließen, sondern immer mit einer positiven Technik der Intervention und Transformation verbunden ist, einem normativen Projekt, das direkt in das Feld der biopolitischen Kräfte investiert.

An diesem Punkt lässt sich auf die Frage “Was ist ein Dispositiv“ mit der Idee einer allgemeinen Strategie antworten, insofern die allgemeine Technik der Macht immer strategisch ist, wobei eine Strategie als eine Kräftelinie definiert werden kann, die exterior zu ihren Elementen ist, aber diese in eine bestimmte Ordnung gemäß eines bestimmten Ziels bringt. Im Krieg wie in der Politik sind es die multiplen Kräfterelationen, die im Apparat operieren, wobei eine allgemeine Linie von Kräften die lokalen Kämpfe durchzieht und sie verbindet. Der Kampf ist die endliche Instanz, welche sowohl den allgemeinen Konflikt reproduziert als auch die Terms und die Subjekte des Konflikts. Indem Foucault den Begriff Dispostiv gebraucht, widerspricht er den mechanistischen Definitionen des Apparats und wählt eine andere Bedeutung, nämlich die der militärischen Elemente, die gemäß eineem strategischen Plan angeordnet sind. Das Neue der verallgemeinerten Strategie besteht darin, dass sie nicht nur repressiv ist, sondern auch intensiviert, investiert und provoziert.

Der Begriff Dispositiv wird also angewandt, um drei weitere Begriffe, die in der Geschichte der Macht häufig gebraucht werden, zu vermeiden: Struktur, Maschine und Organismus. Vielmehr wird, und darin Canguilhem folgend, untersucht Foucault die Zeitlichkeit der Norm, wobei die Emergenz eines historischen Dispostivs existenzielle Priorität hat, während die ontologische Ordnung dem Erscheinen nachfolgt. Es handelt sich als um eine konzeptuelle Anordnung, die etwas zum Erscheinen veranlasst, was eher einer historischen als einer ontologischen Bedeutung entspricht, wobei die Formen der Macht selbst ontologischen Modulationen unterstehen. Das Dispostiv ist letztlich also ein heterogenes Ensemble aus Diskursen, Institutionen, architektonischen Formen, Entscheidungen, Gesetzen, wissenschaftlichen Aussagen, administrativen Messungen, Moral etc., in Kürze, des Gesagten wie des Ungesagten. Es ist laut Foucault ein System von Relationen, das zwischen Elementen etabliert werden kann. Zudem versucht Foucault die besondere Natur der Verbindungen zu identifizieren, die zwischen den Elementen hergestellt werden kann. Zwischen den Elementen, seien sie nun diskursiv oder nicht diskursiv gibt es ein Spiel oder ein Shift von Positionen und Modifikationen der Funktionen, die stark variieren können. Das Dispositiv erscheint in einer historischen Situation als eine Formation, in dem es auf eine dringende Notwendigkeit antwortet. Darin besteht die strategische Funktion des Dispositivs.

Um dies zu illustrieren wendet sich Lambert dem Sexualitätsdispositiv bei Foucault zu.

Teil 1 und 2 hier und hier

Foto: Berndhard Weber

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