Kreditschöpfung, Verschuldung und Staat unter besonderer Berücksichtigung und Kritik der Modern Money Theory. (1)

Wir versuchen hier unter anderem einen Zusammenhang zwischen der Kreditschöpfung der privaten Banken (und der Zentralbank), der allgemeinen Verschuldung und dem Wirtschaftswachstum im Kapitalismus herzustellen, und dies alles unter Einbeziehung einer Kritik an der Modern Money Theory.

Diese Theorie besitzt einen eindeutigen Bezug zum Chartalismus, nach dem das heutige Geldsystem ein Resultat der Rechtsordnung des Staates ist. Obwohl die Modern Money Theory schon mit ihrem Namen für ihre Modernität wirbt, besitzt diese Theorie jedoch Wurzeln, die weit über ein Jahrhundert zurückreichen. Ihre früheste theoretische Grundlage ist die im Jahr 1905 verfasste Staatstheorie des Geldes des rechtsgerichteten deutschen Ökonomen Georg Friedrich Knapp (Knapp 1905). Dieser argumentiert, dass der Staat die Währung per Gesetz benennt und in der Praxis nur Steuerzahlungen in dieser Währung akzeptiert. Heute wird das Geld als nationale Währung entweder von der Zentralbank oder dem Finanzministerium oder durch öffentlich-private Partnerschaften in Umlauf gebracht, und dies als Zentralbankgeld (Bargeld, Reserven). Bis zu 90% des Geldes werden aber als Giralgeld von den privaten Banken geschaffen. Es besteht dabei ein direkter oder zumindest indirekter Kontrollanspruch der Zentralbank oder anderer staatlicher Behörden. Hier scheint schon eine der Kernfragen der Modern Money Theory auf, ob nämlich eine direkte Staatsfinanzierung durch die Zentralbanken, falls möglich, nicht durch die Geldschöpfung der Privatbanken tangiert wird.

Der größte Teil des Geldes eines Landes existiert heute also als Giralgeld im weltweiten Netz von Computern der Privatbanken, während eine kleine Menge des Geldes, je nach Land unterschiedlich, in Form von Banknoten und Münzen den Rest der nationalen Geldmenge ausmacht. Banknoten und Münzen verbleiben ganz im Zuständigkeitsbereich staatlicher Stellen, während der Großteil des Geldumlaufs allenfalls einer indirekten Kontrolle durch den Staat untersteht. Dabei ist die Lehrbuchtheorie immer noch die, dass Banken als Intermediäre zwischen Sparern und Kreditnehmern fungieren, eine Bank also lediglich Einlagen entgegennimmt und einen Teil dieser Einlagen an kreditwürdige Kreditnehmer verleiht. Diese Theorie kann aber die Ausweitung der Geldmenge nicht logisch erklären. Die zweite vorherrschende Theorie der fraktionierten Reserven besagt, dass eine Zentralbank zu einem bestimmten Zeitpunkt Geld in eine Wirtschaft einspeist, wobei die privaten Banken die Möglichkeit besitzen, die Geldmenge auszuweiten, da sie per Gesetz nur einen Bruchteil der Einlagen in Reserve halten müssen. Wenn man sich die Mathematik der Mindestreserve-Theorie genauer anschaut, kann sie, wie eben auch die Theorie der Banken als Finanzintermediäre, immer nur die Re-Zirkulation von Geld erklären, nicht aber die Schöpfung von neuem Geld. Dabei ist aber die Schöpfung des Giralgeldes durch die Privatbanken, die Mindestreserven bei der Zentralbank hinterlegen müssen, die Voraussetzung. Die Zentralbank wird hier als Produzent von Zentralbankgeld bzw. von Bargeld begriffen. Kredite werden von den Privatbanken aber nicht als Bargeld, sondern als Giralgeld vergeben und dazu benötigen die privaten Banken kein Zentralbankgeld als vorausgesetztes Medium, das sich multipliziert. Theoretiker der Modern Money Theory hängen nicht unbedingt dieser zweiten Position an, die aber doch einen starken Einfluss der Zentralbanken auf die Privatbanken anzeigt. Natürlich müssen private Banken ihre Geldschöpfung mit einer Mindestreserve an Zentralbankgeld unterlegen, wobei aber dann aber geschlossen wird, dass über die Rationierung die Zentralbank zumindest indirekt mitbestimmt, wie viel Geld geschaffen werden kann. Diese formale Beeinflussung besitzt allerdings in der Praxis kaum Relevanz, weil in konjunkturell stabilen Zyklen die privaten Banken bei ihrer Kreditvergabe die verfügbaren Guthaben auf ihrem Zentralbankkonto kaum beachten, weil jeder Bedarf an zusätzlichen Mitteln durch Neuschöpfung von Zentralbankgeld sofort ausgeglichen werden kann.

Nach den Veröffentlichungen von Werner (2014) ist die empirisch gültige und logisch richtige Theorie die Kreditschöpfungstheorie, die besagt, dass neues Giralgeld geschaffen wird, wenn private Banken Kredite bzw. Finanzinvestments an Unternehmen und Haushalte vergeben. Dabei wird der Kredit als Aktivum in der Bilanz der Bank angeschrieben, während das entsprechende neue Geld, das als Kredit vergeben wird, als Passivum in der Bilanz der Bank erscheint. So schaffen Kredite Einlagen und nicht, wie früher angenommen, Einlagen schaffen Kredite. Und Giralgeld wird geschaffen, wenn Banken ein Geschäft für profitabel halten, das heißt, es wird an Kreditnehmer vergeben, die Sicherheiten vorweisen müssen und die die höchsten und sichersten Renditen versprechen. Es gilt hierbei weiterhin zu beachten, dass der Kredit kein Geld darstellt, vielmehr sind einerseits der Kreditvertrag und andererseits die Auszahlung des Kreditbetrags in Form von Giralgeld oder Bargeld zwei verschiedene Dimensionen, oder, um es noch einmal anders zu sagen, das Geld wird als Schulden und Kredit verzeichnet. (Huber 2021) Der Kredit ist damit von vornherein auch ein Rechtsverhältnis, während das Geld quasi blindlings in die kapitalistische Ökonomie eintritt, aber durch das staatliche Recht jeweils abgesichert werden muss.

Der empirische Beweis für die Kreditschöpfungstheorie findet sich in der Arbeit von Werner (2014a) und in einem Statement der Bank of England. Die Macht der Banken, Giralgeld in Form von Krediten an ihre Kunden zu schaffen sowie Gebühren zu erheben, stellt eine enorme strukturelle, umverteilende und allokative Macht des privaten Finanzsektors dar. Es ist diese Macht der Geldschöpfung als Schulden, zusammen mit der Macht der Banken, das Terrain der sozialen Reproduktion zu gestalten, welches dann dominante Unternehmen kapitalisieren, wenn sie etwa Anteile am Bankensektor kaufen.

Zusammenfassend auch Beck/Prinz in Makroskop (2021): “Der größte Teil unseres Geldes, das Giralgeld, ist damit endogen und kann nicht als Steuergutschrift gesehen werden. Dass ausschließlich der Staat der Ursprung dessen ist, was als Geld bezeichnet wird, gilt nur für das „Fiat Money“, also das Geld, das durch einseitige Willensentscheidung der Zentralbank (als Organisation des Staates) entsteht. Über den Teil der Geldmenge, der durch Kredite geschaffen wird, finden sich in der Theorie der MMT keine Aussagen. Damit blendet die MMT den größten Teil der Geldmenge einfach aus.

Es ist zwar korrekt, dass ohne staatliches Geld kein Giralgeld geschaffen werden kann. Inwieweit aus dem staatlichen Geld Giralgeld entsteht, entscheiden Unternehmen und Banken autonom. Dieser zweite Geldschöpfungskreislauf zwischen Banken und Unternehmen (oder allgemeiner: Nichtbanken) sorgt dafür, dass Kredite die Geldmenge endogenisieren, also von den staatlichen Geldschöpfungen entkoppeln.

Die MMT vernachlässigt mögliche Probleme, die durch endogene Geldschöpfung und (zu) niedrige Zinsen entstehen können: Niedrige Zinsen können desaströse Folgen wie Kreditblasen, Aktienkursblasen oder Spekulationskrisen nach sich ziehen, endogene Kreditzyklen beeinträchtigen zudem die Möglichkeiten der Geld- und Fiskalpolitik. Darüber hinaus kann eine Theorie ohne Kredite keine Aussagen über die Regulierung von Finanzinstitutionen machen. Die Zusammenhänge zwischen Geldmenge, Fiskalpolitik, Inflation, Inflationserwartungen, Vermögensmärkten und spekulativen Blasen werden von den Vertretern der MMT mehr oder weniger nicht untersucht – in ihrer Modellwelt kommen solche Ereignisse nicht vor.”

Es ist also die Nachfrage von nicht-monetären Finanzinstituten, Unternehmen und privaten Haushalten, die den größten Teil der Geldnachfrage darstellt, dem die Geldschöpfung von privaten Banken gegenüber steht. Zwar veräußert der Staat seine Staatsanleihen an eine ausgesuchte Gruppe von Privatbbanken, die diese Staatsanleihen als Sicherheiten bei der Zentralbank hinterlegen und sich darüber Zentralbankgeld beschaffen, aber denn befinden sich die meisten öffentlich emittierten Wertpapiere nicht im Besitz der Zentralbank, und das auch nicht einmal unter den Bedingungen der Zentralbankenpolitik des Quantitative Easing, mit der die Zentralbanken enorme Mengen Staatsanleihen aufgekauft und den Banken eine Mengen Reserven besorgt haben. So befinden sich also die meisten öffentlichen Wertpapiere nach wie vor im Besitz von Banken und Anlegerfonds. Private Haushalte besitzen direkt höchstens etwa ein Sechstel der Staatsanleihen, in den meisten Ländern erheblich weniger.

Wenn nun demokratische Regierungen die Kontrolle über die Schaffung neuen Geldes übernähmen, dann würden die privaten Banken kaum noch eine Rolle spielen, und ihre Rentabilität und Kapitalisierung würde mit dem Verschwinden ihrer Monopolstellung rapide sinken. Die Gründe für dieses Monopol, das im Privateigentum verankert ist, sind eben rechtlicher Natur; es ist ein historisches Erbe der Machtverhältnisse, mit denen es internationalen und nationalen Gläubigern seit dem 17. Jahrhundert gelang, staatliche Behörden ihrer monetären Macht zu unterwerfen (und nicht umgekehrt, wie noch zu zeigen sein wird).

Natürlich schöpfen auch Zentralbanken Geld, wenn auch im geringeren Mengen als die Privatbanken. So hat die EZB etwa mit ihren Rettungsmaßnahmen zwischen 2015 und 2018 ungefähr 2,6 Billionen Euro geschaffen, indem sie privaten Investoren und Institutionen ihre Wertpapiere an den Sekundärmärkten abgekauft hat. Die EZB kann das Geld nur an die private Unternehmen ausgeben, aber nicht an staatliche Institutionen, das heißt, eine direkte Finanzierung des Staatshaushalts durch die Zentralbank ist nicht möglich. In Kanada, den USA und Japan sieht es anders aus. Theoretiker der Modern Money Theory stellen an dieser Stelle die These auf, dass die Staatsverschuldung Geldschöpfung identisch sei, wobei die Zentralbank die Rolle eines kooperierenden Regierungsorgans übernähme. Privaten Banken erscheinen hier lediglich als Hilfsorgane der Zentralbank und des Staates, was ihre wichtige Rolle bei der Geldschöpfung eindeutig herunter spielt.

Tatsächlich versucht die Zentralbank im Rahmen eines zweistufigen Bankensystems die Liquidität der Ökonomie zu sichern und das Geld- und Kreditsystem zu überwachen, wobei ausreichend Liquidität für die Ökonomie zur Verfügung stehen muss, aber das Geld auch knapp sein muss, damit es akzeptiert wird. Schwindet das Vertrauen in das Geld als Währung in einem nationalen Währungsraum, dann kann der Staat noch so viel Geld drucken, es fließt als potenzielles Kapital in einen anderen Währungsraum, wo die Verwertung des kapitals möglich erscheint. Solange aber Wirtschaftswachstum garantiert ist und zukünftige Steuern die Staatsanleihen zu einer sicheren Anlage machen, kann die Zentralbank Staatsanleihen in ihren Büchern speichern, abschreiben oder gegen zukünftige Gewinne verrechnen.

Einige Theoretiker der Modern Money Theory gehen (wie auch die Marxisten) von einer endogenen Geldtheorie aus, im Zuge des Postkeynesianismus auch von einer Theorie der endogenen Geldschöpfung. Danach wird die Geldschöpfung durch die Nachfrage nach Krediten von privaten Akteuren, wie Unternehmen und Haushalten, angetrieben. So ist es die endogene Wirtschaftsnachfrage nach Geld, welche die Geldschöpfung durch die privaten Banken nach sich zieht, während die Zentralbank exogen eine akkommodierende Refinanzierung jener betreibt, das heißt, die Zentralbank handelt als Bank der Banken eher reaktiv auf die privaten Banken eines Währungsraums, die durch ihre Kredit- und Investmentaktivitäten die Ökonomie strukturell zumindest mit-gestalten. Das scheint aber eher eine Minderheit der Autoren zu sein, während die Mehrheit die Rolle der privaten Banken bei der Geldschöpfung eher vernachlässigt.

Huber hat an dieser Stelle zu Recht darauf hingewiesen, dass unter den Bedingungen von zu schöpfendem Giralgeld auch Zentralbankgeld endogen ist, insofern die Zentralbanken auch auf die Nachfrage nach Geld reagieren. Er schreibt: „Tatsächlich tun die Zentralbanken das gegenüber den Banken heute viel bereitwilliger als die Banken gegenüber ihren Kunden, deren Nachfrage sie sehr selektiv und unter meist nicht sonderlich vorteilhaften Bedingungen nachkommen. Wenn man also Bankengeld (Giralgeld) als endogen ansieht, dann ist Zentralbankgeld ebenso endogen; und wenn man Zentralbankgeld als exogen betrachtet, muss das für Bankengeld ebenso gelten.“ (Huber 2021) Und er schreibt weiter: „’Die Wirtschaft’ benötigt Geld und erzeugt eine entsprechende Nachfrage nach Geld, schöpft selbst aber kein Geld, das heißt, allgemein gebräuchliche Zahlungsmittel für alle Arten von Transaktionen. Nur die Banken und die Zentralbank tun das. Auch die sog. Schattenbanken schöpfen kein Geld. Jedoch beschleunigen sie die finanzwirtschaftliche Geldzirkulation und liefern beleihungsfähiges Kollateral, das zur Geldschöpfung dient.“ (Ebd.)

Zwar hat Huber darin Recht, dass das Kapital selbst kein Geld schöpft, aber eben eine Nachfrage nach Geld schafft, aber nicht nur das, und das ist gegen Huber hier einzuwenden, das Kapital ist als finanzielles Kapital auch für das Angebot an Geld mitverantwortlich. Die Banken prävalidieren (ex ante) mit der Kreditvergabe die zukünftige Produktion der Unternehmen. Hier kommen wir schon zu einem Punkt, an dem marxistische Ökonomen völlig konträr zu den Theoretikern der Modern Money Theory stehen, nach der der Staat keineswegs das Geld der Kapitalunternehmen braucht, vielmehr brauchen diese das Geld des Staates. Wir kommen darauf zurück.

Der kommende kurze Exkurs über eine marxistische Theorie des Geldes interessiert die Theoretiker der Modern Money Theory überhaupt nicht, weil dieses Geld für sie gar nicht in dieser Form existiert. Und wie Eske Bockelmann geschrieben hat, kommt dieses Geld mit der Existenz des Kapitals sozusagen blindlings in die Welt, kein Staat hat es je so geschaffen. (Bockelmann 2020)

Das Geld ist als etwas prinzipiell Nicht-Inhaltliches (es ist nicht-materiell; es ist daher eher ein Un-Ding als ein Ding und es existiert als Form immer auch qua Vertretungen) zu verstehen, wobei ihm alle Waren als sämtliche Inhalte gegenüberstehen; und damit sind die Waren eben nicht Geld und Geld nicht Waren. (Vgl. Bockelmann 2004: 180f.) Die Gleichgültigkeit des Geldes gegenüber den Waren meint hier nicht Indifferenz, sondern zielt weitergehend auf den Sachverhalt ab, dass die qualitative Vielfältigkeit der Waren durch ihre Beziehung zum Geld auf rein quantitative Beziehungen untereinander reduziert wird, das heißt, dass die Waren ausnahmslos als ökonomische Quantitäten (Preis) auf das Geld (das die Form unmittelbarer Austauschbarkeit hat) bezogen sind und ausschließlich in diesem Bezug dann untereinander als gleich gelten. Geld ist der Ausdruck einer spezifischen sozialen Relation, in der die Resultate voneinander abhängiger wie getrennter Produktionssprozesse, nämlich Waren, über das Geld aufeinander bezogen sind.

Geld wird in Zahlen und Summen auf Konten verzeichnet, es besteht in diesen reinen Zahlen. Gleichzeitig ist dieses Geld aber mit einer ganz besonderen Macht ausgestattet, nämlich mit der Macht, sich in jede Art von etwas tauschen zu lassen. Als quantifiziertes Nicht-Substanzielles ist Geld die umfassende Zugriffsmacht auf x-Beliebiges etwas. Bockelmann schreibt: „Sie wird vielmehr selbst das Maß, ein Maß in sich, reines Quantum als rein fur sich bestehende Größe zwischen den Waren. Und dazu wird Geld nach der folgenden, inzwischen wohlbekannten Logik. Geld kann als das eine und reine Tauschmittel, das in virtuell jede Ware zu tauschen ist, selbst nur quantitativ, als reine Menge bestimmt sein. Und da es für virtuell alle Waren einstehen muss, hat es selbst in virtuell jeder möglichen Menge aufzutreten, muss es frei skalierbar sämtliche Zahlenwerte annehmen können. Und es ergibt sich: − Geld als das je eine − getauscht in virtuell alle Güter − und daher als reine Menge in frei skalierbaren Zahlenwerten.“ (Bockelmann 2020: 215)

Geld ist nichts Substanzielles und hat keine Funktionen, sondern ist die Funktion Tauschmittel, wie Bockelmann sagt, für uns zudem die Funktion Maß. Als Wertmaß/Maßstab der Preise und als Zirkulationsmittel ist Geld das Geld, ein Substanzielles Nichts, das den gesamten Waren gegenübersteht. Der universelle Aspekt der Waren ist nur insofern gesichert, als er durch ihre gemeinsame Beziehung zu einem universellen Äquivalent, nämlich dem Geld, gesichert wird. Geld setzt die Voraussetzung dafür, dass Waren als Werte zählen. (Es gibt Marxisten, die das bestreiten und behaupten, das Geld können nur als Maß der Werte fungieren, weil die Waren sich bereits davor als Werte aufeinander beziehen und das Gled dafür als gemeinsames Maß benötigt wird,)

Es kann damit weitere Funktionen sein, wie etwa Zahlungsmittel, das den Preis einer Ware, der auf einem Zahlungsversprechen basiert, realisiert. Der Kredit hingegen inhäriert nur ein Versprechen auf wirkliche Zahlung und ist damit kein Geld.

Seine Geltung erlangt das kapitalistische Geld (in seinen beiden ersten Funktionen als Maß und Zirkulationsmittel) als eine Markierung, die auf Kaufkraft verweist, insofern das Geld als ein Schriftsystem und als eine soziale Tatsache infolge a-thematischer Regeln, die von den wirtschaftlichen Akteuren quasi automatisch befolgt werden, schon »gesellschaftlich« anerkannt ist und so begehrt wird, dass es die Erwartung des Begehrens anderer inkludiert. Mit dem Geld ist damit das Versprechen, wenn nicht gar die Sicherheit (angesichts einer doch offenen Zukunft) verbunden, dass man etwas, was auch immer, dafür bekommt. Das Geld ist als Funktion des Maßes eine verlässliche soziale Tatsache innerhalb eines sozio-ökonomischen Zusammenhangs (Kapital als Gesamtkomplexion), der das Potenzial besitzt beliebige monetäre Transaktionen und Zahlungsversprechen zu integrieren. Als solches realisiert das Geld eine Art vergegenständlichtes, soziales Verhältnis. Die Funktion des Geldes als abstrakter Wertmaßstab geht logisch und historisch den Münzen oder dem Goldstandard voraus. Kraft seiner objektiven Geltung ist mit dem Geld potenziell „alles zu haben“ (wie auch alle Verpflichtungen beglichen werden können), gerade weil es von den konkreten Mitteln der Bedürfnisbefriedigung und der Begierden unabhängig bleibt und zugleich von der unmittelbaren Verfügungsmacht über Produkte und Leistungen befreit ist, und dies entspricht zum einen seiner Geltung als kapitalistisches Geld und zum anderen seiner eigentümlichen Positionierung gegenüber den (kapitalistischen) Waren. Wenn Marx vom Geld als einem „gesellschaftlichen Verhältnis“ spricht, dann heißt dies, dass das Geld schon eine tragende Stabilität, einen hohen Vertrauensgrad und eine hohe Verbreitung innerhalb der kapitalistischen Ökonomie erreicht hat, d. h. allgemein akzeptiert, begehrt und anerkannt ist, oder, um es anders zu sagen, ihm eine tiefe Netzwerkqualität inhärent ist, die auf umfassende und doch fragile und zugleich interdependente sozio-ökonomische Relationen verweist und gerade deshalb für die Reproduktion der Kapital-Ökonomie eine wichtige Rolle spielt.

Um als kapitalistisches Geld zu gelten, das wesentlich „mehr“ als nur ein Numéraire ist, dem also selbst schon das Mehr des Kapitals eingeschrieben und das damit auf tiefe Geld- und Kapitalmärkte bezogen ist, dafür muss zudem ein hochentwickeltes und dicht vernetztes Zahlungs- und Kreditsystem vorhanden sein, damit sämtliche Geldtransaktionen; Kreditierungen und Zahlungsversprechen effizient abgewickelt und insbesondere auch Anweisungen auf zukünftige Zahlungen und Zahlungsversprechen (Kapitalisierung) realisiert werden können. Das kapitalistische Geld muss als Maß zwar keinen zu 100% stabilen Wertstandard (Wertstandard ist nicht gleich Wert) besitzen, aber der Wertstandard darf auch nicht zu volatil sein, da ansonsten seine Vermögenssicherungsqualität oder seine Funktion für den Kredit problematisch wird (Inflation/Deflation).

Die Geltung des Geldes markiert immer auch eine Abspaltung des Geldes gegenüber den Waren, womit das Geld für eine Entwicklung offen ist, die auf Vermehrung in primärer Potenz abzielt. Diese Potenz zur Vermehrung ist nicht mit dem Tausch oder mit der Zirkulation des Geldes gegeben, sondern sie setzt das Kapitalverhältnis zwingend voraus. Das Geld besitzt als allgemeines Äquivalent und als Zirkulationsmittel intrinsisch keinen Wert, es kann also auch keinen Wert speichern, vielmehr besteht der „Wert“ des Geldes in nichts anderem als der Anwesenheit des Kapitalverhältnisses, das sich laut Marx mit der Formel G-W-G` anschreiben lässt.

Um es an dieser Stelle auf den Punkt zu bringen: Geld ist die Funktionen Medium des Werts, Maß des Werts und Tauschmittel und wird von den Privatbanken als Buch/Giralgeld geschaffen. Oder, um es anders zu sagen; Geld ist zwar kein Kredit, wird aber durch Kreditoperationen geschaffen.

Die Modern Money Theory geht hingegen davon aus, dass in letzter Instanz allein der Staat in der Lage ist, Geld zu schaffen. Randall Wray, einer der Hauptvertreter der modernen Geldtheorie, hat es schon früh formuliert: “Money is, and always has been, a ‘creature of the state’“( (Wray 2000: 12). Das Geld dient dem Staat zur Mobilisierung von Ressourcen und Arbeit, wobei er weder Kredite aufnehmen noch Steuern eintreiben muss, vielmehr gibt der Staat selbst über die Zentralbank das Geld heraus. Die Staaten bestimmen qua Redchtsordnung also die offizielle Währung für ein Land, indem sie nur diese Einheit für die Zahlung von Steuern akzeptieren. Und die Zentralbank stellt diese Währung bereit. Der Staat hat dieses Geld einfach, indem die Zentralbank das Konto der Regierung entsprechend beeinflusst, i.e. das Geld zur Verfügung stellt, mit dem dann öffentliche Ausgaben getätigt werden. Der Staat stellt also das Geld als Kreditschöpfung bereit, das zirkuliert (als Zirkulationsmittel fungieren oder verliehen werden kann) und über Steuern wieder zu ihm zurückfliesst. Wenn das Geld damit eine Steuergutschrift darstellt, dann muss aber gleichzeitig eine Steuerpflicht vorhanden sein, die die Akzeptanz des Geldes, das der Staat ausgibt, organisiert. Der Staat gibt aber zuerst das Geld aus, mit dem die Steuern bezahlt werden, wobei gegenwärtig aber ein Umweg von den Zentralbanken über die Geschäftsbanken zum Staat gewählt würde.

Und eine “monetär souveräne” Regierung – die USA sind eine, Griechenland unter anderem wegen des Euro nicht- kann diese Währung unbegrenzt ausgeben. Wray schreibt: “Die Regierung ‘braucht’ nicht das ‘Geld der Öffentlichkeit’, um es auszugeben; vielmehr braucht die Öffentlichkeit das ‘Geld der Regierung’, um Steuern zu zahlen. Sobald dies verstanden ist, wird klar, dass weder Steuern noch Staatsanleihen die Staatsausgaben ‘finanzieren’.” (Ebd.) Staaten können sich damit im Prinzip, was technisch ja möglich ist, unendlich verschulden. Sobald aber ein Staat ausländische Schulden hat, kann er sich nicht unendlich verschulden und damit kann er pleite gehen -, man denke an Argentinien oder Griechenland. Und selbst wenn ein Staat nur in inländischer Währung verschuldet ist, heißt das nicht, dass er unbegrenzt Geld schaffen und sich auf diese Weise unbeschränkt die inländische Wertschöpfung aneignen kann.

Es steht zudem außer Frage, dass der Staat mit der Ausgabe des Geldes nicht bestimmen kann, wie weit die Kaufkraft, die in Preisform vorliegt, reicht, oder ob das Geld als Kapital fungieren kann, denn das entscheidet sich in der privaten kapitalischen Konkurrenz zwischen kapitalistischen Unternehmen. Ob eben Geld als Mittel der Verwertung sich im Kapitalkreislauf bewährt, oder ob es überhaupt als Geld akzeptiert wird, das entscheidet sich in letzter Instanz in der privaten Kapitalökonomie, was wiederum heißt, dass der Staat sich zu seiner Finanzierung, obgleich er die Währung bereitstellt, aus den Transaktionen des Privatsektors bedienen muss. Wir kommen darauf zurück.

Als Neo-Chartalisten will man die metallistische Position aushebeln, nach der das Geld aus dem Tausch entstanden ist. Neo Chartalisten behaupten die frühere Existenz eines Buchgelds, mit dem Kredite und Schulden aufgezeichnet wurden. Geld ist damit wesentlich ein Kredit-Schulden-Verhältnis. Sobald jemand einen Schuldschein ausstellt, damit ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis entsteht, und deiser von einem Dritten akzeptiert wird, entsteht Geld. Wird dieses Zahlungsversprechen von Dritten aber nicht akzeptiert, bricht das System zusammen. Die Modern Money Theory behilft sich dann damit, dass der Staat Steuern verlangt und damit die Bürger dazu zwingt das Geld zu nutzen und zu akzeptieren. Wer dann Geld hat, besitzt ein Anrecht auf Güter, verzichtet er auf dieses, dann gibt er der Gesellschaft einen Kredit.

Kann Geld aber nicht sowohl ein allgemeines Äquivalent/reines Tauschmittel und damit eine Bedingung des Kapitals als auch ein (zum Teil) staatlich geprägtes Kredit-Schuld-Verhältnis sein? Und kann überhaupt historisch entschieden werden, ob Geld zuerst ein allgemeines Äquivalent oder eine Kredit-Schulden-Relation war? Die erste Frage können wir getrost bejahen und kommen in der Auseinandersetzung mit der Theorie Geoffrey Inghams auf die Frage zurück. Wir können aber so viel schon sagen, das das kapitalistische Geld wahrscheinlich stärker auf den historisch gewachsenen ökonomischen Konventionen der Kapital-Ökonomie beruht als auf dem durch das Gesetz des Staates geschaffenen Geld. Siehe dazu auch die Studie von John Milios zur Entstehung des Kapitalismus in Venedig. (Milios 2018) Es gibt deshalb bis heute auch keine zu 100% gültige Legaldefinition des Geldes zu vermelden. Wer das Geld in welcher Menge und welcher Form in die Zirkulation wirft, das lässt sich eben nicht durch den Staat gesetzlich vorschreiben, was man auch daran erkennt, dass die Giralgeldschöpfung der privaten Banken bis heute keiner hinreichenden gesetzlichen Regelung unterliegt, ja das Giralgeld der Geschäftsbanken wird vom Staat als quasi-gültige Geldform akzeptiert, ist aber offiziell dennoch kein gesetzliches Zahlungsmittel, obwohl es aus Konvention oder wegen „Treu und Glauben“ wie ein gesetzliches Zahlungsmittel funktioniert.

Damit kommen wir zu einer wichtigen Frage: Wie verschuldet sich der Staat und was hat das für ökonomische Konsequenzen? Für einen Theoretiker der Modern Money Theory ist das eine fast unsinnige Frage, da der Staat sich ja angeblich unendlich verschulden kann, weil er die unendliche Kapazität besitzt Geld zu schöpfen. Aber dennoch. Erstens kann sich der Staat bei den Privatbanken verschulden, indem er diesen Wertpapiere verkauft (die Vereinigten Staaten finanzieren ihre Defizite durch Schatzanweisungen, Rechnungen und Anleihen), aber dies wird wiederum dadurch begrenzt, wie viele Staatsschulden eine Privatbank nämlich überhaupt halten will. Da diese Investitionen bei guter Konjunkturlage in der Regel geringere Renditen als alternative Finanzanlagen bzw. Assets abwerfen, begrenzen die Banken die Menge der Staatsschulden in ihren Portfolios. Es hängt also auch davon ab, wie viel Staatsschulden die Geschäftsbanken in ihren Bilanzen halten wollen und für wie kreditwürdig sie den Staat halten. Dennoch behaupten einige Vertreter der Modern Money Theory, dass Staatsanleihen keine Finanzierungsquelle des Staates sein können, da Banken dem Staat nur das Geld verleihen können, das sie vorher von ihm oder seiner Zentralbank (über Mindesreserven) bekommen haben. Allerdings kann eine private Bank im Prinzip sehr wohl einen Kredit an den Staat geben, ohne von diesem das Geld „bekommen“ zu haben, und sie verlängert damit die Bilanz und schafft neues Geld, wofür die Zentralbank auch nicht erforderlich ist. Und eine Bank kann Anleihen kaufen und damit Aktiva tauschen, dies ist dann nur unter besonderen Umständen eine zusätzliche Geldschöpfung.

Eine weitere Möglichkeit der Kreditaufnahme ist der Verkauf von Wertpapieren an die Kapitalmärkte oder an institutionelle Anleger wie Pensions-, Hedge-, Staats- und Investmentfonds. Diese institutionellen Anleger können zwar Staatsanleihen kaufen, aber bei dieser Transaktion wird lediglich neues Geld von Akteuren, die bereits gespart haben, an den Staat umverteilt. Die beiden ersten Möglichkeiten einer Staatsfinanzierung – die Kreditvergabe der Geschäfts- und Zentralbanken an die Regierungen und das umverteilte Geld, das im Falle der institutionellen Investoren in die Wirtschaft einfließt – führen zu einer steigenden Verschuldung des Staates, die im weiteren Verlauf meistens eine entsprechende Austeritätspolitik der Regierung garantiert: höhere Steuern, Kürzungen der öffentlichen Ausgaben, die Privatisierung öffentlicher Vermögenswerte etc.

Da die Kreditaufnahme bei Geschäftsbanken und institutionellen Anlegern nur begrenzt möglich ist, gibt es noch eine dritte Möglichkeit, neues Geld zu schaffen, und dies könnte eine wichtige politische Entscheidung während schwerer Finanz- und Wirtschaftskrisen sein: Die Zentralbank könnte die Schulden der Regierung direkt kaufen. Während die ersten beiden Optionen theoretisch begrenzt sind, ist es die dritte Möglichkeit zum Kauf von Staatsschulden prinzipiell erst einmal nicht. Die Zentralbank könnte damit beispielsweise in Krisenzeiten, wie wir sie heute vorfinden, so viele Staatsschulden aufkaufen, wie nötig sind, um die Wirtschaft zu stützen.

Dies wäre dann zunächst eine Frage der Bilanzierung. Dabei „drucken“ die Zentralbanken kein Geld, denn die überwiegende Mehrheit der neuen Geldschöpfung ist digital, das heißt, die Zentralbanken schreiben das Geld dem Konto des Staates durch einen Eintrag im Computer gut. Alles, was die Zentralbank tun muss, ist, die Schuldscheine der Regierung zu akzeptieren und im Gegenzug die Einzahlung von Geld auf das Konto der Regierung vorzunehmen, das wegen der notwendigen Bilanzoperationen bei der Zentralbank geführt wird. Dabei muss allerdings die Bilanz ausgeglichen sein: Der Gutschrift von Geld (Verlängerung der Passivseite bei der Zentralbank) entspricht eine Forderung auf der Aktivseite gegen den Staat als Schuldner.

Man kann jetzt wie die Modern Money Theory Theoretiker sagen, dass von Anfang an klar ist, dass diese Forderungen nie eingetrieben werden, was aber dann die Frage aufwirft, wie lange die Gläubiger dem Staat bei hoher Verschuldung das Vertrauen schenken. Die Zentralbank wird natürlich weiterhin die Inflation überwachen wollen, wenn die Regierung das neu geschaffene Geld ausgibt, wobei die Strategie der Verteilung dieses frischen Geldes von der Politik des Staates bestimmt wird. Heute ist eine direkte Finanzierung in dieser Form zumindest für die EZB allerdings nicht möglich. Die Vertreter der Modern Money Theory, die sich in Deutschland um die Zeitschrift Makroskop (Makroskop 2021) versammelt haben, verweisen an dieser Stelle darauf, dass einem Staat das Geld von seiner Zentralbank immer in der notwendigen Menge zur Verfügung gestellt wird, man denke etwa an Japan, USA, Kanada etc., aber es gilt eben darauf hinzuweisen, dass dies meisten über die Geschäftsbanken geschieht, da auch in diesen Ländern die formelle Unabhängigkeit der Zentralbanken zur Begrenzung der Staatsfinanzierung beachtet werden muss.

Was sagt die Modern Money Theory zu all diesen Problemen? Forsch wird behauptet, das ein souveräner Staat nur eine einzige Finanzierungsquelle habe, nämlich das von seiner Zentralbank auf seinem Konto zur Verfügung gestellte Geld. Wenn aber 90 % des Geldes vom privaten Bankensystem geschaffen wird und dieses Staatsanleihen aufkauft, wie kann dann der Staat ausschließlich von der Zentralbank finanziert sein? Wohl nicht. Theoretisch könnte er sogar unabhängig von seiner Zentralbank finanziert sein, und das ist zumindest teilweise auch der Fall, man denke wieder an Japan, wo die Zentralbank nur etwa 50 Prozent der Staatsschulden hält.

Der Modern Money Theory zufolge ist es der Staat, der Geld schöpft, wenn er Staatsanleihen oder in Form von Pfandbriefen ausgibt. In der Regel erhöht sich aber, wenn der Staat Wertpapiere emittiert, zunächst seine Geldnachfrage, was eine zusätzliche Geldschöpfung durch Privatbanken (Giralgeld) und Zentralbank (Reserven, zum geringen Teil in Bargeld ausgewechselt) nach sich ziehen kann. Vertreter der Modern Money Theory sehen aber staatliche Organe nicht als Akteure, die wie eben auch private Unternehmen Geld nachfragen, sondern beharren eisern darauf, dass der Staat das Geld schöpft, wenn er Anleihen emittiert. Dabei gilt es zwischen Staat, Regierung und Zentralbank zu differenzieren: “Weltweit – vor allem in den großen Industrienationen und der Eurozone – sind fast alle Notenbanken keine Filialen des Finanzministeriums, sondern unabhängige Institutionen, die selbst entscheiden, inwieweit sie Staatsdefizite monetisieren, also Staatsschulden am Sekundärmarkt (von den Banken) ankaufen und in ihre Bilanz nehmen. Auch wenn Zentralbanken dies kurzfristig mittels Offenmarktpolitik bewerkstelligen und als akkommodierende Geldpolitik bezeichnen, heißt das nicht, dass sie das auch mittel- oder langfristig tun oder tun sollten – in der Eurozone gibt (wie auch in anderen Währungsgebieten) es ein explizites Verbot, Staatsschulden am Primärmarkt (also direkt vom Staat) zu kaufen oder übernehmen.” (Beck, Prinz: Makroskop 2021).

Die Unabhängigkeit der Zentralbanken ist umstritten, denn ihre Politik hängt von einer ganzen Reihe politischer und ökonomischer Faktoren ab. Andererseits ist es die gewisse Autonomie von ihnen, die dafür zu sorgen hat, dass Liquidität zwar vorhanden, aber gegen den übermäßigen Anspruch des Staates und der Privatbanken auch begrenzt sein muss. Deshalb stellen Zentralbank und Staat keineswegs eine zumindest formale Einheit dar, wie die Modern Money Theory implizit unterstellt.

Genauer wird dann von der Modern Money Theory doch unterstellt, dass in erster Linie die Zentralbank die Staatsanleihen aufkauft (und zwar aber zum größten Teil von Banken und anderen Finanzinstituten). Die Banken erscheinen in dieser Konstruktion dann doch wieder als reine Intermediäre und bleiben irgendwie abwesend, als sei die Geldschöpfung im wesentlichen doch eine Angelegenheit zwischen Staat/Finanzministerium und der Zentralbank. So bleibt die Funktion der privaten Banken und des Finanzsystems insgesamt in der Modern Money Theory weithin unterbelichtet. Huber schreibt weiterführend: „Würde die MMT-Darstellung der Sache stimmen, müssten die Staatsschulden einerseits und die staatlich emittierten Wertpapiere im Besitz der Zentralbank andererseits einander entsprechen. Das ist nicht der Fall. Die öffentlichen Wertpapiere im Besitz der Federal Reserve entsprechen den Staatsschulden ebenso wenig wie die Reservenguthaben von Staat und Banken bei der Federal Reserve. Anfang 2019 beliefen sich sämtliche Reservenguthaben bei der Federal Reserve auf rund 1.600 Mrd Dollar; der Wert der staatlich emittierten Wertpapiere im Besitz der Federal Reserve betrug 2.200 Mrd; aber die Staatsschulden beliefen sich auf 22.500 Mrd. Die Überschussreserven der Banken waren 3–4 Mal höher als die Transaktionsguthaben der Regierung bei der Federal Reserve.” (Huber 2021)

Die staatliche Geldnachfrage ist also weder die einzige noch die größte, die die Geldschöpfung auslöst. Inspiriert von Knapps chartalistischer Theorie wird die Rolle der privaten Kreditnachfrage als Motor der Wirtschaft negiert oder herunter gespielt; wie Milton Friedman glaubt man, dass in erster Linie der Staat die Geldschöpfung antreibt. Während Friedman hier die Zentralbank nennt, sind es für die Modern Money Theory die Ausgaben des Staates. In Weiterführung der Behauptung, Staatsverschuldung sei mit Geldschöpfung gleichzusetzen, kommt man dann zu der Aussage, dass Staatsschulden im Prinzip gar keine Schulden seien, zumindest seien sie etwas anderes als private Schulden und müssten dementsprechend auch anders analysiert werden. Es handle sich vielmehr um Geldschöpfung, die auf die Ökonomie stabilisierend, erweiternd und erneuernd (Green Deal) wirken könne, womit glatt unterschlagen wird, dass dabei heute vor allem der Finanzsektor und die vermögenden Eliten profitieren, wie noch zu sehen sein wird.

Wie sieht es nun wirklich mit der Verschuldung, und insbesondere der Staatsverschuldung, wirklich aus? Im Jahr 2017 zählte man weltweit fast 240 Billionen US-Dollar an Schulden, die von Haushalten, Unternehmen, Finanzinstituten und Regierungen getragen wurden. Dies entspricht einem Anstieg von mehr als 170 % seit dem Jahr 2000. Während die Staatsverschuldung durchaus die meiste Aufmerksamkeit erhält, ist es jedoch in erster Linie die Gesamtverschuldung, die analysiert werden muss. Die Tatsache, dass Banken Geld durch die Vergabe von Krediten schaffen, wirft zwei Fragen auf: Erstens, wie viel Zinsen generiert die Ausgabe von Krediten, und zweitens, wer profitiert im Wesentlichen von diesen Zinsen? Der australische Ökonom Tim Di Muzio hat dies untersucht und kommt zu folgendem Ergebnis: Im Jahr1969 beliefen sich die Zinsen als Anteil des BIP in den USA auf etwa 126 Mrd. $ oder etwas weniger als 9 % des Nationaleinkommens. Bis 1982 beliefen sich die Zinszahlungen auf über 1 Billion $ oder etwa 30 % des Volkseinkommens. Seit den frühen 1980er Jahren schwankte der Anteil der Zinsen am Volksvermögen zwischen 15 und 31%, lag aber seit dem Jahr 1980 im Durchschnitt bei etwas über 25% des BIP. Um das Ausmaß dieses durchaus realen Vermögenstransfers zu verdeutlichen, gilt es zu bedenken, dass die Höhe der jährlich in den USA gezahlten Zinsen seit 1978 die Höhe der gezahlten Bundeseinkommenssteuern übersteigt. (Di Muzio 2015/Di Muzio/Robbins 2016)

Tim Di Muzio geht weiter davon aus, dass heute jede wirtschaftliche Transaktion, sei es der Kauf einer Ware, eine Miet- oder Hypothekenzahlung oder die Bezahlung einer Dienstleistung, Zinsen für ausstehende Schulden enthalten muss. Damit wäre in der Tat ein Teil des Preises von etwas x-Beliebigem, das gekauft wird, mit Zinsen belastet. Die Frage, die sich nun des Weiteren stellt, lautet, wer in erster Linie von der Kreditvergabe und der steigenden Kapitalisierung der Geschäftsbanken profitiert? Tim Di Muzio zieht hier die Verteilung der angeeigneten Vermögenswerte heran und zeigt, dass das oberste 1% einen signifikant höheren Prozentsatz an zinstragenden Vermögenswerten (53,2%) und einen signifikant geringeren Anteil an Schulden (6,7%) als die unteren 90% (9,2% bzw. 72,4%) hält. (Di Muzio 2015) Die Privatbanken haben also durch die Ausgabe von Krediten, zunächst an Regierungen als eine Form von “öffentlichen” Schulden und dann an Privatpersonen, ein Finanzsystem geschaffen, das ihnen und privaten Investoren einen stetigen Strom an kapitalisiertem Einkommen bietet, was wiederum ihre Macht und den Einfluss bedingt, mit dem sie ihre unterschiedlichen Interessen schützen können.

(Inmitten einer globalen Pandemie und einer der stärksten Rezessionen aller Zeiten sind die Kapitalmärkte im historischen Vergleich sehr hoch bewertet. Seit der Erholung von dem durch das Coronavirus ausgelösten Einbruch im vergangenen März sind sie so teuer bewertet, dass die voraussichtlichen Renditen so niedrig sind wie noch nie. Wenn die Marktbewertungen hoch sind, dann besteht immer eine potenzielle Anfälligkeit für negative Schocks. Zu den offensichtlichen Auslösern gehören dann wahrscheinlich ein mögliches Wiederaufflammen des Coronavirus, ein Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität und eine Eskalation von Insolvenzen in angeschlagenen Sektoren wie Einzelhandel, Hotels, Transport und Immobilien. Hinzu kommt, dass die Pandemie in einer Zeit zunehmender geopolitischer Spannungen auftritt, in der die USA und China in einem beispiellosen strategischen Wettbewerb stehen. In einer Welt anhaltender Nachfragedefizite, Überkapazitäten und hoher Arbeitslosigkeit scheint ein Ende der staatlichen Unterstützungen im Jahr 2021 unwahrscheinlich. Insgesamt dürfte die Geld- und Fiskalpolitik in den meisten Industrieländern expansiv bleiben, während die Zentralbanken ihre Bereitschaft demonstrieren, diese Politik fortzusetzen.

Die Fed hat in einer konzertierten Aktion mit den anderen Zentralbanken (EZB und Banken in Kanada, Japan und der Schweiz) den großen Banken bis Ende 2020 eine Billion (in den USA ist es auch eine Billion) Dollar als sehr kurzfristige Kredite zur Verfügung gestellt, damit es keinen Mangel an Dollars auf dem Markt gibt. Wenn man die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung in den Zeiträumen Januar / Oktober in 2019 und 2020 betrachtet, kann man leicht feststellen, dass der Anstieg der Verschuldung im Jahr 2020 etwa zehnmal größer ist als im Vorjahr (in Mio. €).)

Geld ist also sowohl ein wichtiges „Medium“ der kapitalistischen Ökonomie als auch eine Staatsangelegenheit, darüber hinaus dient es der Umverteilung des Reichtums zwischen verschiedenen Klassen, wie die Studien von Bichler/Nitzan immer wieder gezeigt haben. Man weiß längst, dass bei den institutionellen Anlegern der Anteil der 1% Elite insbesondere seit der Krise von 2007 deutlich gewachsen ist, während der Anteil der Pensionsfonds, die sich in breiterem Eigentum befinden, in den letzten Jahrzehnten gesunken ist (der Anteil der Investmentfonds, die in den Händen der 1% Elite der US-Haushalte konzentriert sind, ist auch gestiegen). Für etwa 90% der US-Bevölkerung haben die Finanzmärkte und ihre Assets wenig Bedeutung. Tim Di Muzio zeigt, dass 80 % der Bevölkerung in den USA aufgrund ihres geringen Anteils an zinsbringenden Vermögenswerten ihre Vermögen woanders hin transferieren und nur die oberen 10 % einen deutlich positiven Zinssaldo haben. (Di Muzio/Robbins: 2016: 115). Die 1 % Elite hält auch einen größeren Anteil an der Staatsverschuldung und einen hohen Anteil an zinstragenden Finanzanlagen.

Dies ist auch das Resultat einer gewissen Autonomie der Privatbanken, die darin besteht, Hypotheken, Privatkredite, Autokredite, Kreditkarten, Eigenheimkredite und Geschäftskredite, falls die Nachfrage nach Krediten und entsprechende Sicherheiten bestehen, vergeben zu können. Nun glauben die Theoretiker der Modern Money Theory hingegen, dass die Zentralbank dies alles vollständig unter Kontrolle hat und dementsprechend die Zinsen so nahe wie möglich bei Null halten sollte. Mysteriös wird von “dem” Zinssatz gesprochen, aber es gibt eben in Wirklichkeit viele Zinssätze. Und langfristige Staatsanleihen werden fast immer höhere Zinssätze haben als kurzfristige, weil die Zukunft unsicher und damit unvorhersehbare Dinge passieren können, bevor die Anleihe ihre Fälligkeit erreicht. Ohne höhere Zinssätze, um das höhere Ausfallrisiko oder die längeren Laufzeiten zu kompensieren, wird es wohl niemanden geben, der bereit ist, die Anleihen zu kaufen oder der bereit ist, überhaupt Kredite zu vergeben. Und Zinsen sind neben den zu erwartenden Renditen ein wichtiger Faktor für das Volumen, das auf den Geld- und Kapitalmärkten für Investitionen mobilisiert werden kann.

Die Modern Money Theory geht davon aus, dass die Zentralbank die Anleihen aufkaufen könnte, was aber wiederum bedeuten könnte, das Risiko einer Inflation einzugehen. Wenn man sich heute über das Inflationsrisiko Sorgen machen muss, dann ist es der außerordentliche Anstieg der weltweiten Verschuldung, die sich auf einem Niveau befindet, wie es außerhalb von Kriegszeiten noch nie gesehen wurde. Diese Anhäufung von Schulden ist auch eine Folge der niedrigen Zinssätze. Es könnte sein, dass die Zentralbanken durch niedrige Zinssätze in dem (erfolglosen) Versuch, Wirtschaftswachstum zu generieren, Unternehmen und Haushalte dazu gebracht haben, mehr Schulden aufzunehmen. Dies schafft eine Schuldenfalle und steigende Instabilität. Wenn eine Finanzkrise ausbricht, müssen die Zentralbanken das System retten, aber dabei schaffen sie noch mehr Instabilität.

Beck/Prinz schreiben in Makroskop (2021): “Auch deswegen muss man die Frage stellen, ob sehr hohe Schuldenstände langfristig wirklich kein Problem sind, auch wenn die Notenbank den Zinssatz beliebig niedrig halten kann – was sie nur in Grenzen kann, direkten Einfluss hat sie nur auf die Zinsen am kurzen Ende, die langfristigen Zinsen (die für die Investitionstätigkeit relevant sind) hingegen werden von vielen Faktoren bestimmt, die sich dem Einfluss der Notenbank und des Staates entziehen.

Darüber hinaus wird es gefährlich, sobald der Zinssatz r auf die Staatsschuld höher ist als die Wachstumsrate der Wirtschaft, g, da dann die Schuldenlast exponentiell wächst. Auch wenn heute in einigen Staaten r < g zu gelten scheint, heißt das nicht, dass dies für alle Zeiten gilt und es damit keine Grenzen für das Staatsdefizit und die Staatsverschuldung gibt.”

(Der tiefgreifende deflationäre Impuls der vergangenen drei Jahrzehnte hingegen war vor allem auf einen enormen Anstieg des weltweiten Arbeitskräfteangebots zurückzuführen, der aus günstigen demografischen Trends und dem Eintritt Chinas und Osteuropas in das globale Wirtschaftssystem resultierte. Die Urbanisierung Chinas sowie anderer Volkswirtschaften in Asien und Osteuropa sowie die Eingliederung vieler Millionen Niedriglohnarbeiter in das globale Wirtschaftssystem drückte auf die globalen Preise und Löhne, weil die Kapitalisten in den entwickelten Länder Offshoring eben betreiben konnten. In den entwickelten Ländern gingen somit die Investitionen in fixes Kapital zurück. Auch die Binnennachfrage wurde in den entwickelten Ländern schwächer, während gleichzeitig das globale Angebot zunahm. Diese Kombination übte einen Abwärtsdruck auf die Inflation aus und damit sowohl einen Druck auf die nominalen als auch auf die realen Zinssätze.)

Die Frage, die sich nun hier stellt, ist vielmehr, ob mit hohen Raten des Wirtschaftswachstums potenziell jemals die ausstehenden Schulden wieder zurückgezahlt werden können oder müssen. Das erste Problem besteht darin, dass Banken, wenn sie Kredite vergeben, nicht lediglich die Zinsen erzeugen, die für den Kredit geschuldet werden. Tim Di Muzio führt folgendes Beispiel an: Wenn eine Bank einen Kredit von 500.000 $ für ein Haus zu 5 % Zinsen über 25 Jahre vergibt, schafft sie nicht die 625.000 $, die für die Rückzahlung der Zinsen benötigt werden, wobei der Kreditnehmer jetzt 1.125.000 $ schuldet (wenn jährliche einfache Zinsen angewandt werden). (Di Muzio 2020) Da Banken Giral-Geld kreieren, wenn sie Kredite an Kreditnehmer vergeben, aber nicht die Zinsen erschaffen, gibt es immer mehr Schulden im System als es die Fähigkeit gibt, die Schulden zurückzuzahlen.

Daraus ergibt sich, dass in der kapitalistischen Ökonomie immer mehr ausstehende Schulden vorhanden sind, als Potenziale zur Rückzahlung der Schulden vorhanden sind. (Das Kapitalverhältnis ist ja sui generis ein Schuldenverhältnis, ein sozio-ökonomisches Verhältnis, bei dem gerade das intentional Negative – Verschuldung – als positive Bedingung für die kapitalistische Produktion aufzufassen ist, wie dies etwa der ehemalige DDR- Ökonom Peter Ruben ausführt.) Die einzige Möglichkeit, diese strukturelle Lücke zumindest vorübergehend zu überwinden, besteht darin, dass zusätzliche Institutionen weitere Kredite mit einem späteren Fälligkeitsdatum aufnehmen gegenüber den Krediten, die an frühere Institutionen vergeben wurden. Dieses Strukturmerkmal von ausstehenden Schulden heizt den Wettbewerb um größere Renditedifferenzen permanent an, damit eben Schulden überhaupt zurückgezahlt werden können.

Zudem besteht immer eine Differenz zwischen dem Gesamtpreis der auf dem Markt sich befindenden Waren und Dienstleistungen und der verfügbaren Kaufkraft, was wiederum eine Ausweitung der Kreditvergaben notwendig macht, wenn die Wirtschaft nicht in die Rezession gleiten soll. Das stärkt wiederum die Macht der Geschäftsbanken, da Regierungen, die meisten Unternehmen und Haushalte ohne Kredite kaum überleben können. Würden Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen nur das ausgeben, was sie verdienen, käme es aufgrund fehlender Kaufkraft zu einer massiven wirtschaftlichen Depression.

Eine dritte Dimension betrifft die Wachstumsrate der Weltwirtschaft, die notwendig wäre, um die ausstehenden Schulden zurückzuzahlen, oder zumindest, um die schuldenbasierten Geldströme aufrechtzuerhalten. Tim Di Muzio weist hier auf einen Bericht des globalen Beratungsunternehmens McKinsey aus dem Jahr 2015 hin, in dem die notwendigen Wachstumsraten für einige ausgewählte Staaten berechnet wurden, damit diese mit der Rückzahlung ihrer Staatsschulden beginnen könnten (andere Schuldner wie Verbraucher, Unternehmen, Kommune und Finanzen wurden von der Untersuchung ausgeschlossen). (Di Muzio 2021) Dabei ergab der Durchschnitt der Wachstumsraten (einer Gruppe europäischer Länder, der USA und Japans), dass die reale durchschnittliche Wachstumsrate bei 1,67% lag, während die Länder mit einer durchschnittlichen Rate von 3,46% hätten wachsen müssen, nur um mit der Rückzahlung ihrer Staatsschulden zu beginnen. Da die Staatsverschuldung weniger als ein Drittel der gesamten globalen Verschuldung ausmacht, muss man annehmen, dass die Bedienung aller ausstehenden Schulden Wachstumsraten von annähernd 15% pro Jahr erfordern würde. Doch praktisch alle Schätzungen des nationalen und globalen Wachstums vom IWF bis hin zu Piketty sagen eine weitere Verlangsamung der Wachstumsraten bei gleichzeitig steigender globaler Verschuldung voraus. In verquerer Weise behält damit die Modern Money Theory recht, dass nämlich Schulden auf globaler Ebene nicht zurückgezahlt werden können.

(Man kann davon ausgehen, dass der große Schuldenüberhang nie vollständig abgetragen werden kann. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wurden die Schuldenstände durch eine Kombination aus robustem Wirtschaftswachstum, das zu höheren Steuereinnahmen führte, und faktischen Zahlungsausfällen, entweder informell durch Inflation oder formell durch eine Umschuldung, gesenkt. Wenn sich die Produktivität (und damit das Wachstum) in den Industrieländern nicht sehr viel stärker verbessert, als es derzeit plausibel erscheint, dann könnte die Inflation wieder einen Großteil des Schuldenabbaus übernehmen. Die Frage für Investoren ist, ob die Zentralbanken auf den steigenden Inflationsdruck mit Zinserhöhungen auf diesen riesigen Schuldenberg reagieren können, ohne einen verheerenden Schock an den Märkten auszulösen. Die Zentralbanken wissen, dass sie die Zinsen nicht so niedrig lassen können, wie sie sind, weil sie damit noch mehr schlechte Schulden induzieren. Aber sie können die Zinsen nicht erhöhen, denn dann würden sie genau die Krise auslösen, die sie zu vermeiden versuchen. Und noch ist die Frage, ob Inflation oder Deflation ungewiss. Wirkt die zunehmende Alterung inflationär (Renter produzieren nicht, aber konsumieren), so kann eine höhere Inflation auch das Ergebnis dessen sein, dass hohe Staatsdefizite zunehmend von den Zentralbanken finanziert werden. Der frühere Finanzminister Larry Summers und der ehemalige Chefökonom des IWF, Olivier Blanchard, warnten beide, dass die Verabschiedung des vorgeschlagenen Ausgabenpakets in Höhe von 1,9 Mrd. Dollar durch den US-Kongress, zusätzlich zu dem 900 Mrd. Dollar schweren Konjunkturprogramm des letzten Jahres, das Risiko einer Inflation berge. Die Kombination einer lockeren Geldpolitik, angesammelten Ersparnissen der Verbraucher, die nicht in der Lage waren, Geld auszugeben, und bereits sinkender Arbeitslosigkeit kann zu einem steigenden Inflationsdruck beitragen. Andererseits tragen Zombie-Firmen aufgrund günstiger Finanzierungsbedingungen und durch Überkapazitäten zu deflationärem Druck bei. Es gibt Hunderttausende kleinerer Unternehmen, die fast Bankrott und nicht in der Lage sind, große Investitionen zu starten, selbst wenn sie Kredite zu niedrigen Zinsen bekommen können. Die Zahl dieser Zombie-Unternehmen wächst von Tag zu Tag. Man weiß zudem, dass dass die enormen Kreditgeldinjektionen der Fed und anderer Zentralbanken, die wir seit dem globalen Finanzcrash 2008 erlebt haben, in keiner großen Volkswirtschaft zu einer Inflation der Verbraucherpreise geführt haben, stattdessen zu einem Anstieg der Preise von Finanzanlagen. Banken und Finanzinstitute, die von der Großzügigkeit der Fed und anderer Zentralbanken überschwemmt wurden, haben diese Gelder nicht weiterverliehen (entweder weil die großen Unternehmen keine Kredite benötigten oder die kleinen zu riskant waren, um sie zu verleihen). Stattdessen haben Unternehmen und Banken an den Aktien- und Anleihemärkten spekuliert und angesichts der niedrigen Zinsen sogar noch mehr Kredite aufgenommen (durch die Emission von Unternehmensanleihen), erhöhte Aktionärsdividenden ausgeschüttet und ihre eigenen Aktien zurückgekauft, um die Kurse zu steigern. Hinzu kommt, dass dass die Inflation in kapitalistischen Volkswirtschaften tendenziell sinkt, weil die Löhne als Anteil an der Gesamtwertschöpfung sinken und die Gewinne durch eine steigende organische Zusammensetzung des Kapitals, d.h. mehr Investitionen in Maschinen und Technologie im Verhältnis zu den Beschäftigten, unter Druck geraten können. Im Jahr des COVID sind die Rentabilität und die Gewinne der Unternehmen stark gesunken – ohne staatliche Rettungsaktionen und mit Ausnahme von Big Tech, Big Finance und jetzt Big Pharma. Auch die Löhne fielen. Diese Ergebnisse waren deflationär.)

Wachstum kann exponenziell verlaufen, nicht unbedingt arithmetisch: Während die weltweite Automobilproduktion von Jahr zu Jahr schwankt, stieg die Gesamtproduktion in de Jahren zwischen 1999 und 2017 von rund 56 Mio. Autos auf über 97 Mio. Autos, ein Anstieg von 41 Millionen Autos und eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 2,8 %. Wenn die Branche in den nächsten 18 Jahren die gleiche Wachstumsrate von 2,8 % beibehalten würde, müsste sie 58 Millionen mehr Autos über den gleichen Zeitraum produzieren. Die Aufrechterhaltung einer zusammengesetzten Wachstumsrate erfordert zudem, dass institutionelle Investoren und Banken immer mehr profitable Investitionsmöglichkeiten finden, von denen aber etwa 80% Schuldtitel sind. Es ist bei wachsenen Mengen von Assets damit klar, dass es schwieriger wird, Möglichkeiten zu finden, dieses Geld zu investieren, um die langfristige durchschnittliche Kapitalrendite von 4 bis 6 % beizubehalten, und dass damit eine höhere Risikobereitschaft erforderlich ist. Ein weiteres Problem bei der Aufrechterhaltung des Wachstums ist, dass je mehr Schulden vorhanden sind, desto mehr zukünftiges Einkommen muss für die Zahlung von Kapital und Zinsen aufgewendet werden, wodurch das Geld, das die Menschen für Waren und Dienstleistungen ausgeben können, verringert wird. Auch dies verlangsamt das Wirtschaftswachstum.

Weitergehend behauptet die Modern Money Theory sogar, dass ein souveräner Staat mit eigener Währung sich in dieser Währung gar nicht überschulden und damit auch nicht zahlungsunfähig werden könne, da das Finanzminis­te­rium im Zusammenspiel mit der Zentralbank die benötigten Gelder jederzeit erschaffen könne. Dem stimmt beispielsweise auch Katharina Pistor zu, wenn sie schreibt, dass Staaten keinen Liquiditätsrestriktionen unterliegen und Geld infinit “drucken” können. (Pistor 2020) Aber noch jede allzu überschuldete Regierung, man denke in jüngster Zeit etwa an Argentinien und Griechenland, hat zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Schuldenstandes das Gegenteil erleben müssen (wegen der Auslandsschulden insbesondere). Und selbst eine starke Inlandsverschuldung bleibt ein riesiges Problem, wie die wenig erfreulichen Wachstumsraten Japans seit den 1990er Jahren zeigen. Wenn zum Beispiel die europäische Zentralbank in Europa emittierte Staatspapiere nur an den Sekundärmärkten kaufen kann, so bleiben die Mitgliedstaaten der EU und ihre Fiskalpolitik stärker denn je an die Preisbewegungen der Finanzmärkte gebunden, und dies verstärkt wiederum den Schuldenwettbewerb zwischen den Staaten der EU: Zu hohe Verschuldungen führen zu unerwünschten ökonomischen Ereignissen wie Inflation und/oder Assetinflation sowie der Stagnation der Reallöhne und der Massenkaufkraft. Die Währung kann abwerten, womit Importe teurer werden und in einheimischer Währung schwieriger zu finanzieren sind. Ausländische Direktinvestitionen gehen zurück. Die Austeritätspolitik wird verschärft. Viele der Entwicklungs- und Schwellenländer machten solche Erfahrungen in den zurückliegenden Jahrzehnten.

Zur Inflation, wir kommen darauf zurück, hört man von der Modern Money Theory wenig. Staatsausgaben gelten dieser Theorie zufolge als nicht-inflationär, da diese Ausgaben angeblich überwiegend in die Realwirtschaft fließen und damit eine Erhöhung der wirtschaftlichen Kapazitätsauslastung nach sich ziehen. In der ökonomischen Realität ist heute genau das Gegenteil der Fall, denn der Großteil aller Finanzierungen fließt nicht in die Realwirtschaft, sondern vor allem in Assets, i.e. Immobilien, Aktien, Derivate etc. Hinsichtlich der sog. Realwirtschaft muss man zudem zwischen kapital- und technikintensiven Sektoren und den wenig produktiven Servicesektoren unterscheiden, wobei in letzteren prekäre, schlecht bezahlte Jobs die Regel sind, und es daher ziemlich unwahrscheinlich ist, dass Staatsausgaben hier zu einer nachhaltigen Entwicklung etwas beitragen können. In der „Realwirtschaft“ braucht es in der Regel mehr als bloß Geld, denn private Unternehmen investieren erst dann, wenn eine entsprechende Profitrate erreicht bzw. ein entsprechender Output erzielt werden kann. Es hängt von der erwarteten Netto-Profitabilität gegenüber der aktuellen Netto-Profitabilität ab, ob Unternehmen investieren. In einer Boomphase wird die erwartete Profitabilität höher als die aktuelle Netto-Profitabilität sein, und umgekehrt wird es in der Rezession sein, sodass die beiden Raten über längere Zeiträume nicht nur um einander eng fluktuieren, sondern in der Tendenz sich ausgleichen. Auf diese Entwicklung der durchschnittlichen Profitraten bleiben die Angebot-Nachfrage-Verhältnisse stets bezogen. Bei stagnierendem Wachstum kommt es eher zu keinen Investitionen in fixes Kapital bzw. Maschinen und Sachanlagen. Wenn hier das staatliche Geld nicht ganz gezielt in Technologien, Qualifizierung und Know How eingespeist und damit die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens gesteigert wird, wird das staatliche Geld nicht gebraucht.

Stattdessen fließt das staatliche Geld heute zum größten Teil in die höheren Einkommen und unterstützt damit die Vermögensbildung der Eliten und der Mittelklasse zum Teil. Die Politik des QE führt also nicht automatisch zu höherem realem wirtschaftlichem Wachstum, aber sie beschleunigt den Anstieg der Aktienkurse und fungiert in Zeiten der Rezession generell als ein monetäres Anreizsystem für das spekulative Kapital, das mit den zufließenden Geldströmen zunehmend riskantere Geschäfte tätigt. Ab einer bestimmten Phase waren die Kaufprogramme der Fed hinsichtlich Laufzeit und Volumen nicht mehr begrenzt. Die Fed hielt im Jahr 2012 27% aller US-Treasuries. Ohne die Politik der Fed wären die Zinsen auf US-Staatsanleihen deutlich höher. Mit der Senkung der Zinsen und ihrem Einfrieren auf einem niedrigen Level kommen die reichen Investoren nicht nur billig an Geld, sondern es soll damit auch die Realisierung von Schulden vermieden werden. Man nennt die Vergabe von billigen Krediten Evergreening, womit auch solche Unternehmen gestützt werden, die am Markt kaum noch Chancen haben. So monieren etwa die Analysten der Deutsche Bank, dass die Geldpolitik der EZB „Kreditnehmern mit der geringsten Bonität einen überproportionalen Nutzen gebracht“ und den Prozess der schöpferischen Zerstörung verhindert habe. Niedrige Zinsen der Zentralbanken verringern zudem die Haushaltsdisziplin des Staates, sie führen zur Vermögensinflation, zum längeren Überleben von unrentablen Unternehmen und der Zombiebanken und schließlich zur Unzufriedenheit der Sparer.

Es finden also massive Aufkäufe von Staatsanleihen und Wertpapieren durch die Zentralbanken an den Sekundärmärkten statt, womit die riskanten Schulden in den Bilanzen der Geschäftsbanken durch erstklassige Schulden (Reserven) ersetzt werden. Aufgrund dieser Kaufprogramme werden die privaten Banken weiter mit Reserven überhäuft, sodass die normale Geldpolitik über Repo (Sale and Repurchase Agreement) nicht mehr funktioniert. Schon im Jahr 2009 waren die Geschäftsbanken derart mit Reserven gesättigt, dass eine aktive Geldpolitik der Zentralbanken qua Repo kaum noch möglich war und damit diese ihren Einfluss auf die Geldschöpfung der Geschäftsbanken weiter verloren haben. Zudem vergeben die Zentralbanken weiterhin billige Kredite an die Geschäftsbanken, mit denen diese wiederum höherverzinste Staatsanleihen kaufen oder Kredite für hohe Zinsraten an den privaten Sektor vergeben, sodass sie ihre Unternehmen rekapitalisieren und ihre Bilanzen in Ordnung bringen können. Dabei muss der Kauf von Staatsanleihen nach BaseI 3 gar nicht erst mit Eigenkapital unterlegt werden.

Bei den Zentralbanken sind in den letzten Jahren sowohl die Volumina der langfristigen Refinanzierungsgeschäfte als auch die Bilanzsummen gestiegen und ihre Käufe sind zum Teil durch qualitativ schlechte Sicherheiten gedeckt. Im Zuge der Finanzkrise von 2008 wurde ein Großteil der faulen Mortgage Backed Securities (MSB) bei den Zentralbanken eingelagert. Die Niedrigzinspolitik und der Aufkauf von Staatspapieren aus dem eigenen Währungsraum kann zudem zu weiteren Geldproblemen führen. Solange der Finanzsektor das neu entstandene Geld absorbiert, erhöht die Kreditschöpfung nur die Preise für fiktives und spekulatives Kapital, nicht die der Industriewaren.

Einige Vertreter der Modern Money Theory unterscheiden an dieser Stelle nicht einmal zwischen Staatsausgaben in den Finanzsektor und den Ausgaben in die Realwirtschaft für Beschäftigung und Produktion. (Eine an sich auch unsinnige Unterscheidung, aber in diesem Fall angebracht.) Ohne diese analytische Unterscheidung sieht man nicht, dass die Assetinflation angeheizt wird. Zudem führt die Niedrigzinspolitik zu Folgendem: Die Zinsrate und der Preis des Wertpapiers verhalten sich also invers zueinander. Wenn die Zinsen niedrig sind, dann können die Investoren höhere Kredite aufnehmen und in Assets investieren, seien es Derivate, Immobilien, Juwelen, Gold und Aktien, was natürlich die Vermögensinflation weiter anheizt. Es gibt heute eine implizite Garantie der Zentralbanken für die Absicherung des Handel mit Wertpapieren, was einer Put-Option gleichkommt, womit die Preise der Assets nicht unter ein bestimmtes Niveau fallen können. Interessant ist in diesem Zusammenhang die aktuelle Nullzinspolitik (bei gleichzeitigem Anstieg des staatlichen Haushaltsdefizits), die wiederum die Kurse und Preise von Aktien, Anleihen und Immobilien steigen lässt. Nach der Finanzkrise von 2008 reduzierten die USA die Leitzinsen auf Null, wobei das staatliche Defizit im Jahr 2009 auf 12% des BIP anstieg. Während die einkommensschwachen Bevölkerungsteile ihre Ersparnisse zum größten Teil als Bankguthaben halten und von niedrigen Zinsen nachteilig betroffen sind, profitieren diejenigen, die ihre Vermögen in Aktien, Immobilien und Anleihen anlegen, von den niedrigen Zinsen. Wenn die Zentralbank Negativzinsen auf die Einlagen der Geschäftsbanken erhebt, damit diese ihr Geld nicht an die Zentralbank geben, sondern an Kunden weiter verleihen sollen, dann muss dies aber nicht unbedingt geschehen. Selbst das billige Geld der Zentralbanken müssen die Geschäftsbanken nicht annehmen.

Die relevante Trennlinie verläuft nicht zwischen der Realwirtschaft und der Finanzwirtschaft, sondern zwischen den beiden Bereichen des Finanzsstems: auf der einen Seite die Bereiche, die zur Finanzierung der Realwirtschaft beitragen, auf der anderen Seite die Bereiche, die nicht zur Finanzierung der Wirtschaftsleistung beitragen. Typische Beispiele für letzteren sind der Sekundärhandel mit Anleihen, Aktien und anderen Wertpapieren, der Devisenhandel, der Handel mit Derivaten und mit Immobilien.

So hat der sprudelnde Fluss an Geld und Krediten, der zur Verschuldung führt, seit den 1980er Jahren also weniger eine Verbraucherpreisinflation angeheizt, was zum Teil aber auch darauf zurückführen ist, dass es im globalen Maßstab eine massive Niedriglohn-konkurrenz der Schwellenländer gab, aber auch das könnte sich wieder ändern, wenn Finanzinvestments aufgrund gesunkener Renditen im Finanzbereich in Immobilien, Ländnahme, Rohstoffe und Energie stattfinden. Ähnliche Effekte hat auch der Luxuskonsum der Eliten.

Es könnte zudem so aussehen, als würden die USA diese Art der Überschuldungs­dynamik locker bewältigen können. Dies war bisher das Resultat des Privilegs des US-Dollars als fungierender Leit- und Weltwährung Die meisten internationalen Transaktionen in Produktion, Handel und Finanzen werden bis heute noch immer in Dollar in Rechnung gestellt und über das amerikanische Finanzsystem ausgeführt. Trotz seines Wertverlusts gilt der Dollar bis auf weiteres (man denke an die aufkommende Konkurrenz Chinas) weiterhin als die mit großem Abstand führende Reservewährung und als der Maßstab für alle anderen Währungen. Es kostet Wall Street und Washington sehr wenig, die Dollars zu schaffen, während der Rest der Welt für jeden Dollar 100% Gegenwert liefern muss.

Die Modern Money Theory zeigt hier ihre Affirmation der Perspektive der kapitalistischen Kernländer und insbesondere unterstützt sie damit den amerikanischen Exzeptionalismus, Länder auf der ganzen Welt halten ihre Reserven in Dollar, was sie effektiv zu einem willkommenen Markt für US-Schatzanleihen macht. Außerdem werden wichtige Rohstoffe wie Öl nach wie vor meistens noch in Dollar ausgepreist, was die Länder dazu zwingt, die Währung zu akkumulieren, um für wichtige Importe zu bezahlen. Das bedeutet, dass die Vereinigten Staaten riesige Defizite machen und sich in großem Umfang verschulden können, ohne dass es (bisher) zu Einschränkungen kommt.

Es ist gegen die Modern Money Theory und ihre progressiven Vertreter weiterhin davon auszugehen, dass die meisten Länder zum Beispiel keine stark progressiven Steuern erheben können, um einen umverteilenden Wohlfahrtsstaat zu finanzieren, oder ihre Zentralbanken nutzen können, um neues Geld für den gleichen Zweck zu generieren, ohne mit einem spekulativen Währungsangriff, Kapitalflucht und einem starken Anstieg der Kreditkosten konfrontiert zu werden. Versuche, Kapitalkontrollen einzuführen, stoßen bei den internationalen Finanzinstitutionen auf Ablehnung. Wenn die Modern Money Theory von Ländern mit einem hohen Grad an monetärer Souveränität spricht, dann sind die USA angesprochen, die das Privileg haben, dass ihre Währung als internationale Reservewährung dient. Die Modern Money Theory ist eine imperiale Geldtheorie, die, wenn überhaupt, nur für die Vereinigten Staaten gilt.

Die meisten Schwellenländer und der Trikont sind darauf angewiesen, dass ausländische Investoren ihre Anleihen nicht abstoßen und damit den Wert ihrer Währung senken, was die Zinssätze und die Inflation in die Höhe treibt. Dman denke hier an das Beispiel Chile. Die Regierung von Salvador Allende hat in den 1970er Jahren die Staatsausgaben stark erhöht und damit die Einkommen der armen Bevölkerungsteile in Chile angehoben, was nach eine funktionierenden Periode zum Anstieg der Inflation führte. Man kennt das Resultat.

Im Vergleich zu den USA genießen die meisten Länder weniger “monetäre Souveränität”, was ein Kernkonzept der Modern Money Theorie darstellt. Ein monetär souveräner Staat ist ein Staat, der seine Währung in Form des Keystroke Kapitalismus fast nach Belieben ausgeben kann. Die USA genießein ein hohes Maß an monetärer Souveränität, ebenso Kanada, Japan und Großbritannien, wenn auch in geringerem Ausmaß. Diese Länder müssen zum Beispiel Dinge importieren, die in Dollar ausgepreist werden, wie zum Beispiel Öl, und der Wert ihrer Währung hat einen direkten Effekt auf den Lebensstandard, was in den USA anders ist, weil sie die Währung besitzen, in der das Öl ausgepreist wird. Brasilien zum Beispiel braucht härtere Währungen wie Dollar und Euro, um Rohstoffe und Industriegüter zu importieren. Um wichtige Importe zu kaufen, müssen ärmere Länder oft Kredite in diesen harten Währungen aufnehmen. Um die Kredite zu tilgen, müssen sie durch Exporte Devisen verdienen.

Einige Postkeynesianer und auch Theoretiker der Modern Money Theory haben in diesem Kontext einen Schuldenerlass vorgeschlagen, also einen Kapitalschnitt. Heutzutage, solange die allgemeinen Buchungs- und Bilanzierungsstandards gelten, kommen Schuldenerlasse/Kapitalschnitte in großem Stil nicht in Betracht, denn dies würde in der Bilanz einer Bank bedeuten, dass offene Forderungen gegen Schuldner abgeschrieben werden müssen, ohne zugleich die dazugehörigen Verbindlichkeiten abschreiben zu können, denn diese stellen das Giralgeld der Nichtbanken dar. Auch für nicht-monetäre Finanzinstitute gilt, dass sie Forderungen gegen Schuldner höchstens in dem Maß abschreiben können, wie es dafür bilanzielle Eigenkapitalpolster gibt.

Mit dem Aufstieg des Kapitalismus kam es zu einer besonderen Konfiguration der Geldschöpfung, in der die Beziehungen zwischen Staat und Finanzwirtschaft über bestimmte historische Perioden zu öffentlich-privaten Partnerschaften wurden. Der Ökonom Geoffrey Ingham (Ingham 2008) macht hier drei Hauptakteursgruppen aus – Staaten, private Finanzunternehmen und Haushalte – die um das Geld, seine Effekte und seine Umverteilungspotenzen kämpfen. Dabei ist a) vom Geld als struktureller und systemischer Funktion im Kontext der Kapitalakkumulation auszugehen, b) vom Geld als eine öffentlich-private Mischform von zirkulierenden Kredit-Schuld-Verhältnissen, und c) vom Geld als Geldkapital, das Assets aller Art, Derivate und zukünftige Zahlungsversprechen als Rendite realisiert. Inghams Geldtheorie analysiert Geld also im Kontext einer fluktuierenden Beziehung von drei Akteuren, wobei das Geld ständig zwischen diesen drei Gruppen in einem Netz allseitiger und gegenseitiger Abhängigkeiten verhandelt wird, man denke etwa an Zinssätze, Umlaufgeschwindigkeit, Inflationsraten, Umverteilung etc. Für Ingham entsteht Geld, wenn es vom Staat entweder als ein Mittel zur Intervention am Markt oder als Mittel zur Zahlung von Steuern akzeptiert wird (Ingham präferiert letzteres).

In diesem Kontext hat A. Samuel Knafo gezeigt, dass der Goldstandard in Wirklichkeit eine Technologie der Macht war, die vom britischen Staat aktiv für seine Zwecke geformt und eingesetzt wurde. (Knafo 2013: 176) Knafo schreibt, dass im Großbritannien des 17. bis frühen 20. Jahrhunderts “der Erfolg der dominanten Finanziers aus ihrer Flexibilität bei der Anpassung an neue Strukturen der Regierungsführung” resultierte (ebd. 2013, 177). Im Gegensatz dazu spricht Joseph Vogl im Einklang mit der marxistischen Forschung hinsichtlich der ökonomisierten Form des Regierungshandelns von »seignioraler Macht« der dominanten Financiers und zählt dafür folgende genealogische Merkmale auf (Vogl 2015: 103ff.): (1) Die Umwandlung der staatlichen Macht in private Kapital-Macht ist durch die Etablierung heterogener Institutionen gekennzeichnet, in denen es zur Integration von Rechtsregeln, politischer Intervention, ökonomischer Infrastruktur und diversen Kapitalstrategien kommt. (2) Der Staat unterwirft sich mit der Emission von Staatsanleihen zunehmend stärker der Macht privater Gläubiger. (3) Es verfestigt sich schrittweise die informelle Konnexion zwischen staatlichen Strukturen und privater Finanzialisierung, mit der das Kreditsystem gestärkt und stabile Infrastrukturen für den Geld- und Kapitalverkehr geschaffen werden, die den Handel des fiktiven Kapitals auf breiter Basis ermöglichen. Dabei stellt die Notenbank eine spezifische Institution des polit-ökonomischen Regierens dar, die heute stärker denn je an die Zyklizität der Kapitalakkumulation gebunden bleibt.

Inghams Theorie mag zwar wichtige Hinweise für ein Konzept der Machtverhältnisse zwischen diesen drei Akteuren geben, ihrer Kämpfe und ihrer Felder, nicht zuletzt ihrer Institutionalisierungen, aber er scheint die hierarchischen und vertikalen Strukturen in diesen Feldern zu vernachlässigen, die sich eben dann in festgefahrenen Institutionen verdichten.

Sehen wir uns zum Beispiel die Verdichtung des Verhältnisses zwischen Staat und finanziellem Kapital an. Der Staat bestätigt heute der Finanzindustrie, gerade wenn diese das gesetzliche Geld als Bestandteil ihrer eigenen Liquiditätsreserven gebraucht, über eine Reihe von Gesetzen und Regeln die Legalität und die Legitimität ihrer Geschäfte und diese Art der Affirmation wird heute noch dadurch erweitert, dass der Staat in Zeiten von Finanzkrisen nicht nur die Haftung für die Zahlungsfähigkeit der privaten Banken übernimmt, sondern sie auch mit enormen Geldsummen rettet (Bailout). Dabei besorgen sich die Staaten, insbesondere im Euroraum, die Geldmittel, mit denen sie die Banken retten, durch Kredite bei den Banken, während diese ihre Bilanzen zu einem Teil weiterhin auf Staatsanleihen stützen. Mit der Affirmation der Kreditschöpfung durch die Geschäftsbanken überlässt der Staat dem finanziellen Kapital eine wichtige Funktion in der Ökonomie, er affirmiert prinzipiell, dass die Geldvermögen der kapitalistischen Ökonomie möglichst der Kapitalvermehrung zugeführt werden und die privaten Banken das fiktive und spekulative Kapital gewinnbringend in die Zirkulation werfen. Für den Staat als den ökonomischen Verwalter eines Haushalts ist nämlich die nationale Kapitalakkumulation Bedingung und Ressource für seine eigene Nachfrage nach Geld, mit denen die Infrastrukturen, die öffentlichen Güter und die staatlichen Apparate und ihre Funktionen, Institutionen und Operationen bezahlt werden.

Der Staat gleicht zuallererst seine Ausgaben dadurch aus, dass er seine Bürger zu Schuldnern macht, das heißt Steuern von ihnen erhebt, und die Ausgaben zugleich mit dem selbst geschaffenen Mittel bezahlt, das Schulden tilgen kann, nämlich Geld. Kraft staatlicher Verfügung ist das gesetzliche Geld zudem ein Mittel, das ungeachtet seiner eigenen stofflichen Wertlosigkeit die Zugriffsmacht des privaten Eigentums auf die Kapazitäten einer Volkswirtschaft legitimiert. Und es gilt festzuhalten, dass mit dem gesetzlichen Geld jede beliebige Geldschuld getilgt werden kann. Das ist die aber nur die eine Seite: Schon die Bestimmung der Preisgrößen, die von den gesetzlichen Zahlungsmitteln lediglich repräsentiert werden, ergibt sich nämlich in erster Linie aus den Bewegungen der Waren-, Geld- und Kapitalzirkulation selbst. Was die Einheiten des gesetzlichen Geldes, die auf die mit Preisen versehenen Waren bezogen sind, selbst »wert« sind, das ist eben von der Kapitalakkumulation und den je wechselnden Summen der kapitalinduzierten Waren und Dienstleistungen abhängig, deren Preise/Tauschwerte in gesetzlichen Einheiten angeschrieben werden.

Im zweiten Teil werden wir stärker auf die strategischen und politischen Positionen der Modern Money Theory eingehen.

Literaturliste:

Bockelmann, Eske (2004): Im Takt des Geldes. Zur Genese modernen Denkens.

– (2020): Das Geld. Was es ist, das uns beherrscht.

Di Muzio, Tim/ Robbins, Richard H.: 2016. Debt as Power.

Di Muzio, Tim (2015): The Plutonomy of the 1%: Dominant Ownership and Conspicuous Consumption in the New Gilded Age.

– (2020): Covid, Capitalism,Neoliberal Debt & the Need for Sovereign Money

  • (2021): Capitalized Money, Austerity and the Math of Capitalism

Henwood, Doug (2019): Modern Money Theory isn`t helping.

Huber, Jospeh (2021): Modern Money Theorie – die falsche VerheißungHudson, Michael/ Bezemer Dirk/ Keen, Steve/ Öncü, T Sabri (2020): The Use and Abuse of MMT.

Ingham, Geoffrey (2004). The Nature of Money.

– (2008): Capitalism.

Knafo, Samuel (2013). The Making of Modern Finance: Liberal Governance and the Gold Standard.

Knapp, Georg Friederich (1905). Staatliche Theorie des Geldes.

Makroskop (2021): Zeitschrift: Dirk Ehnts, Günther Grunert, Michael Paetz, Paul Steinhardt, u.a.

Milios, John (2018):The Origins of Capitalism as a Social System. The Prevalence of an Aleatory Encounter

Vogl, Joseph (2010): Das Gespenst des Kapitals.

– (2015): Der Souveränitätseffekt.

Werner, Richard A. (2014): Can Banks Individually Create Money out of Nothing? The Theories and the Empirical Evidence.

Wray, L. Randall (2012): Modern Money Theory: A Primer on Macroeconomics for Sovereign Monetary Systems.

Foto: Bernhard Weber

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