Zu Jan Toporowskis “Credit and Crisis from Marx to Minsky” (3)

Im nächsten Abschnitt konfrontiert Toporowski die Theorien von Steindl und Kalecki zur finanziellen Instabilität mit neueren Theorieansätzen des Postkeynesianismus. Für Kalecki war die Realisierung von Profiten von sowohl von den Ausgaben der Kapitalisten für Investitionen als auch ihren Ausgaben für die Konsumtion abhängig.

In einer gegebenen Periode ist das gesamte Volkseinkommen (Y) gleich dem Konsum (C) plus den Brutto-Anlageinvestitionen oder Investitionen (I), plus dem Haushaltsdefizit, plus dem Handelsüberschuss. Das Sparen (S) ist dann gleich Y – C, was dann gleich der Investition ist, plus dem fiskalischen Defizit plus dem Handelsbilanzüberschuss. Abstrahiert man vom Fiskalüberschuss und dem Handelsüberschus in einer Wirtschaft, in der es nur Kapitalisten und Arbeiter gibt, dann können Ersparnis und Konsum in die Ersparnis und den Konsum von Kapitalisten bzw. Arbeitern aufgeteilt werden:

C = Cc + Cw ; und S = Sc + Sw

Sodass:

Y – C = S = Sc + Sw = I (1)

Der Überschuss oder Profit der Kapitalisten (P) ist per Definition gleich den Ausgaben für ihren eigenen Konsum (Cc) plus ihrer Ersparnis (Sc):

P = Cc + Sc

Da nach (1) die Ersparnis der Kapitalisten gleich ihren Investitionsausgaben abzüglich der Ersparnis der Arbeiter ist, folgt daraus, dass P = Cc + I – Sw ist, was umgeordnet werden kann, um die bekannte Kalecki-Gewinngleichung zu erhalten:

P = I + Cc – Sw (2)

Mit anderen Worten: Die Gewinne der Kapitalisten sind gleich ihren Ausgaben für das Anlagekapital plus ihren Ausgaben für den Konsum minus der Ersparnis der Arbeiter. Natürlich ist dies laut Toprowski von den nationalen Einkommensidentitäten abgeleitet, sodass die Gleichung selbst keinen kausalen Mechanismus liefert.

Beim Sparen ist die Situation komplexer. Kalecki unterteilt dieses Sparen in das “Unternehmersparen” oder die nicht ausgeschütteten Gewinne von Unternehmen, und das Sparen der “Rentiers”, also derjenigen, die Unternehmen und Finanzanlagen besitzen. Aufgrund ihrer relativ hohen und stabilen Einkommen (außer in Zeiten der Hyperinflation) haben Rentiers eine hohe Sparneigung, und dieses Sparen bleibt relativ konstant. Anders als das Sparen von Unternehmern, das zur Finanzierung von Investitionen verwendet wird und daher den Ausgaben gegenübersteht, ist das Sparen der Rentiers ein ständiges Auslaufen von Einkommen aus dem Kreislauf des Geldes, das Kapitalisten durch ihre Ausgaben in Umlauf bringen.

In dieser Analyse ist das Sparen der Rentiers und der Arbeiter das Ergebnis dessen, was Marx als “Stagnation der Zirkulation” bezeichnete, während das Sparen der Unternehmer ” die Schaffung von Geldkapital ist, das vorübergehend in latenter Form existiert und dazu bestimmt ist, als produktives Kapital zu fungieren.

Wir kommennun zur Frage der Inflation der Asset Preise seit den 1970er Jahren, der Proliferation der Kredite, was die Regulation der Finance zunehmend unterbunden und den Boom von Innovationen und neuen Asset-Konstruktionen an den Finanzmärkten ausgelöst hat.

Der Zufluss von Geld in Pensionsfonds und die Investition in Finanztiteln löste ab den 1970er Jahren einen lang anhaltenden Finanzboom aus. Gleichzeitig trieb die Aufhebung der Beschränkungen für Immobilienkredite die Hauspreise in die Höhe. Mit der Ausweitung der Finanzmärkte und deren Einfluss auf die Wirtschaftstätigkeit durch die Finanzierung von Handel und Investitionen wurde eine neue Phase der kapitalistischen Entwicklung eingeleitet, in der die Aktivitäten der Unternehmen und Haushalte zunehmend von der Entwicklung auf den Kapital- und Vermögensmärkten bestimmt wird. Und Finanzmärkte operieren typischerweise über längere Zeiträume außerhalb des Gleichgewichts. Wenn die Nachfrage nach finanziellen Wertpapieren die Menge an Geld übersteigt, die die Inhaber und Emittenten dieser Wertpapiere bereit sind, aus dem Markt zu nehmen, dann steigen die Preise. Wenn die Preise steigen, wird die Nachfrage nach diesen Vermögenswerten nicht abnehmen, sondern wird durch eine spekulative Nachfrage nach Vermögenswerten verstärkt, um von den Kapitalgewinnen zu profitieren.

Die Preise von Wertpapieren steigen jedoch nicht auf allen Märkten. Vermögen und Gewinne aus Nettokreditzuflüssen in einen bestimmten Vermögensmarkt können den gesamten Markt dem berüchtigten Ponzi-Schema unterwerfen. Finanzielle Fragilität in solchen Märkten entsteht, weil der Markt zwar Nettokreditzuflüsse benötigt, um eine bestimmte Kapitalertragsrate aufrechtzuerhalten, es aber keinen Mechanismus gibt, der sicherstellt, dass automatisch genügend Kredite in den Markt fließen, um mehr als die auszugleichen, die aus dem Markt genommen werden, um Schulden abzuschreiben und andere Aktivitäten zu finanzieren. Wenn Kapitalgewinne nicht realisiert werden können, dann kann der gesamte Mechanismus zur Abschreibung von Schulden gegen Kapitalgewinne zusammenbrechen.

Die Mehrheit der Wertpapiere wird von Finanzintermediären emittiert und von anderen Finanzintermediären gekauft (“finance finanziert meist die Finanzen”). Diese Emission stellt daher keine Nettoexpansion von Krediten oder der Bilanzen von Nicht-Finanzunternehmen dar. Die nicht-finanziellen Sektoren, die Geld aus den Märkten nehmen, sind Regierungen und Unternehmen. Die Finanzmittel, die Regierungen den Märkten entziehen, sind durch ihre fiskalische Position begrenzt (der Saldo zwischen Staatseinnahmen und -ausgaben). Ein Überschuss in der Nachfrage nach Wertpapieren, wie sie durch die Einführung von kapitalgedeckten Pensionssystemen in Großbritannien und den USA ausgelöst wurde, wirkt sich am direktesten auf die Bilanzgeschäfte von Unternehmen aus.

Insbesondere mit der Kapitalmarktinflation wurden Aktien nicht nur wegen ihrer Dividendenerträge gehalten, die vom Unternehmen gezahlt werden, sondern auch wegen der Kapitalgewinne, die nicht vom Unternehmen, sondern von anderen Käufern auf dem Markt für die Aktien hergestellt werden. Infolge des Nachfrageüberhangs nach Aktien geben die Unternehmen Kapital aus, das sie zur Finanzierung ihrer kommerziellen und ndustriellen Aktivitäten benötigen. Die heutigen Aktionäre sind meist Institutionen, deren große diversifizierte Portfolios an professionelle Fondsmanager ausgelagert sind und nach finanziellen Erträgen und nicht nach der aktiven Führung von Unternehmen bewertet werden.

Das Ersetzen von Fremdkapital durch Aktien hat auch den Vorteil, dass der Gewinn vor Steuern durch die Reduzierung der Zinskosten steigt. Wo überschüssiges Kapital nicht zum Schuldenabbau verwendet wird, wird es es zum Kauf kurzfristiger Finanzanlagen verwendet. Alternativ wird überschüssiges Kapital für den Kauf und Verkauf von Unternehmen eingesetzt. Dies beschleunigt den Umsatz von Krediten auf dem Kapitalmarkt und treibt den Preis von Aktien weiter in die Höhe. Daher das ausgedehnte Festival der Fusions- und Übernahmeaktivitäten und Bilanzsanierungen, was die Unternehmensfinanzierung seit den 1980er Jahren zeigt.

Man mag sich fragen, was aus den Hoffnungen auf eine industrielle Wiederbelebung geworden ist. Ende der 1970er Jahre hat man argumentiert, dass kapitalgedeckte Rentensysteme mehr langfristiges Kapital für industrielle Investitionen bringen. Diese Hoffnungen, so Toporowski, haben sich im Großen und Ganzen nicht bewahrheitet. Großbritannien und die Vereinigten Staaten, wo die Kapitalmarktinflation am stärksten gefördert wurde, bleiben Volkswirtschaften mit schwachen industriellen Investitionen, wobei die Ursache für jeden, der die jüngsten Veränderungen in der Unternehmensfinanzierung verfolgt hat, ziemlich offensichtlich ist. Unternehmen beschäftigen sich oft mehr mit der Restrukturierung von Bilanzen (Kauf und Verkauf von finanziellen Vermögenswerten; Ausgabe und Rückzahlung von Verbindlichkeiten). Solche Umstrukturierungen bringen Unternehmen mit größeren risikoreichen Finanzmarktengagements hervor, die daher das Halten größerer Mengen an liquiden Mitteln erfordern (kurzfristige Einlagen, Halten von Wertpapieren). Wenn ein Unternehmen viele liquide Mittel hat, können die Gewinne sofort erhöht werden, indem die überschüssigen liquiden Mittel zur Rückzahlung von Schulden verwendet werden. In der Tat ist dies ein weitaus sicherer Weg als das langwierige und unsichere Geschäft der Investitionen in Anlagen und Ausrüstung. Toporowski schreibt, dass die industrielle Regeneration ein Traum der Ingenieure sei, aus dem aber die Unternehmen von ihren Finanzdirektoren unsanft geweckt worden wären, um sich den unumstößlichen Realitäten der Bilanzsanierung als dem einzigen finanziell gangbaren Weg nach vorne zu unterziehen.

Der Gesamteffekt der Überkapitalisierung von Unternehmen auf die Banken zeigt, dass auch diese anfälliger werden. Vor den 1970er Jahren waren die größten und zuverlässigsten Kreditnehmer von Banken große Unternehmen. Ab Ende der 1970er Jahre fanden diese Unternehmen heraus, dass sie viel billiger Kredite aufnehmen konnten, indem sie durch die Emission eigener Wechsel (Unternehmenspapiere) oder direkt auf dem Interbankenmarkt Kredite aufnahmen.

In den 1980er Jahren ermöglichte die Vermögensinflation auf dem Wohnungsmarkt das Entstehen eines alternativen “Wohlfahrtsstaates“ der Mittelschicht, die auf die Ausgabe von Finanzverbindlichkeiten gegen steigende Vermögenswerte oder den Verkauf von aufgeblähten Vermögenswerten setzte. Private Gesundheitsfürsorge, Gebühren für Bildung und Ersatz für Einkommen in Zeiten der Arbeitslosigkeit wurden in der Mittelschicht zunehmend durch die Aufnahme von Krediten getätigt, deren Wert viel schneller gestiegen ist als die laufenden Ausgaben Wenn Vermögen nicht mehr größtenteils langfristig gehalten wird, um erst bei Tod oder Ruhestand realisiert zu werden, sondern eher kurzfristig gehalten wird, um Kapitalgewinne zu erzielen, steigt ihr Umsatz zwangsläufig an. Die häufigere Verwendung von Schulden oder der Verkäufe von Vermögenswerten, um laufende Ausgaben zu bezahlen, hat die Sparquote in den Haushaltssektoren der Vereinigten Staaten und Großbritanniens auf vernachlässigbare oder negative Werte sinken lassen.

Im nächsten Abschnitt beschäftigt sich Toporowski vor allem mit der monetären Theorie von Kalecki und Minsky, die im Gegensatz zu Keynes, der eine exogene Geldtheorie vertritt, bei der die Zentralbanken die Regeln für das Geld und die Kredite der privaten Banken setzen, eine endogene Geldtheorie vertreten. Diese Theorien der Endogenität verorten die Institutionen, die das Angebot und die Nachfrage nach Geld regulieren, richtigerweise im privaten Bankensystem. In der postkeynesianischen Geldtheorie wird die Hypothese, dass die Zentralbanken die Höhe der Kredite der privaten Banken kontrollieren, verneint und es wird dem entgegengesetzt, dass die Nachfrage nach Kredit durch die Zinsrate und die Unsicherheit bestimmt wird, die das reale Investment bestimmen, für das die Kredite benötigt werden.

(Es gibt keine Garantie dafür, dass erwartete ökonomische Ereignisse sich auch realisieren, da die Zukunft grundlegend unsicher ist. Unsicherheit impliziert, dass es viele unvorhersehbare Ereignisse gibt, denen keine Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können. Risikotheorie kann deshalb nicht auf Wahrscheinlichkeitstheorie basieren. Bei der neoklassischen Theorie der rationalen Wahrscheinlichkeit hingegen muss die Zukunft ergodisch sein (durchschnittliche Zukünfte sind gleich durchschnittlichen Vergangenheiten) und die subjektive Verteilung der zukünftigen Ereignisse muss gleich der objektiven sein. Wegen der fundamentalen Unsicherheit der Zukunft sind liquide Assets wichtig und die Nachfrage nach Liquidität steigt, wenn die Angst vor einer unsicheren Zukunft steigt. (Liquidität definieren wir als die nominale Relation zwischen Fristigkeit und Wert. Wenn Liquidität Geld bedeutet, das virtuell bzw. latent in einem finanziellen Asset vorhanden ist, so geht das nur, wenn das Asset aktuell sich nicht in der monetären Form befindet. Wenn Liquidität sich aktualisiert bzw. zu Geld transformiert, dann ist damit die Liquidität des Assets liquidiert. Demzufolge kann die Anlage niemals perfekt in ihrer Liquidität bleiben, und in diesem Sinne erscheint Liquidität als die intensive Konsequenz zur extensiven Eigenschaft des Wertpapiers, das im Geld denotiert ist. Somit handelt es sich bei der Liquidität um eine funktionale Relation zwischen einer Zeit der Verzögerung und dem Zeitpunkt der Realisierung des Assets.)

Aber auch diese Theorien gilt es unserer Meinung nach noch einmal zu korrigieren. In Kapital und Macht im 21. Jahrhundert haben wir gezeigt, dass die Giralgeldschöpfung bedeutet, dass die Grenzen der Kreditvergabe vor allem im Risikomanagement der Geschäftsbanken selbst liegen. Dies wird auch durch empirische Analysen bestätigt. Der Ökonom Richard A. Werner hat untersucht, ob eine Geschäftsbank, wenn sie einem Kreditnehmer Geld zur Verfügung stellt, diesem die Geldmittel von anderen Konten (innerhalb oder außerhalb der Bank) überweist. Dabei kommt er zu dem Resultat, dass die Geschäftsbank das dem Kreditnehmer zur Verfügung gestellte Geld eben nicht von weiteren internen oder etwa externen Konten überwiesen hat, sodass sowohl die Teilreserve-Theorie als auch die Finanzintermediär-Theorie verworfen werden müssen. Stattdessen hat die Bank das Giralgeld neu kreiert, indem sie es schlichtweg als eine Einlage auf das Konto des Kreditnehmers bucht, obwohl auch eine solche Einlage von Seiten des Kunden oder anderer Kunden gar nicht stattgefunden hat. Es wird der Kreditbetrag lediglich zweimal bilanziert bzw. angeschrieben, nämlich als als ein Rückzahlungsversprechen des Schuldners und als Schulden der Geschäftsbank dem Kunden gegenüber. Neue Kredite können dann als Sicherheiten wieder in den Prozess der Kreditschöpfung eintreten und damit weitere neue Kredite erschaffen. Auch der Kauf von Wertpapieren (die die Bank sich als Vermögen anschreibt) ist unter der Rubrik Giralgeldschöpfung bzw. als ein mittelloser Kauf zu subsumieren, wenn die Wertpapiere mit Giralgeld gekauft werden, das es bisher noch nicht gab.

Kalecki weist wiederum darauf hin, dass große Unternehmen die Investitionen aus einbehaltenen Gewinnen finanzieren. Darüber hinaus argumentiert Kalecki, dass Investitionsausgaben Gewinne generieren, und zwar in Form von Anhäufungen von Bankeinlagen auf den Konten der Kapitalisten. Aber wie gesagt, diese Bankeinlagen haben keinen wesentlichen Einfluss auf die Giralgeldschöpfung der privaten Banken, wobei diese natürlich von der Nachfrage nach Krediten abhängig bleibt.

Kapital ist für Kalecki richtigerweise in erster Linie Geldkapital und eben nicht der Eigentumstitel an Produktionsmitteln. Einer der wichtigsten Faktoren von Investitionsentscheidungen bleibt die Akkumulation von Firmenkapital aus laufenden Gewinnen. Es gibt also einen Prozess der Investitionsfinanzierung, bei dem die Kapitalisten aufgrund ihres Eigentums von Geldkapital nicht einmal Geld leihen müssen, um Investitionen zu tätigen. Sie transferieren einfach das Geld von ihren Reservekonten auf ihre Girokonten, so dass Konjunkturzyklen auftreten können, ohne dass sich der Gesamtumfang der Bilanz des Bankensystems ändert. Was sich jedoch über den Konjunkturzyklus hinweg ändert, ist die Umlaufgeschwindigkeit der Bankzahlungskonten. Während eines Investitionsbooms wird Geld von (inaktiven) Reservekonten auf (aktive) Zahlungskonten transferiert, während einer Rezession kehrt sich der Prozess um.

Toporowski kommt dann abschließend zur These von der finanziellen Instabilität von Hyman Minsky zu sprechen. Finanzielle Fragilität bezieht sich bei iMinsky auf die Anhäufung von Schulden, die den Zusammenbruch in einer kapitalistischen Wirtschaft mit einem hochentwickelten schuldenbasierten Finanzsystem beschleunigen können. Die Krise hinterlässt dann eine nicht-nachhaltige Verschuldung, bis ein Boom die Ausgaben und die Umsatzerlöse wieder so weit ansteigen lässt, dass die Schuldenlast tragbar wird, woraufhin der zyklische Aufbau von Schulden wieder einsetzt.

Der makroökonomische Teil der Analyse ist im Wesentlichen eine Konjunkturtheorie, in der Booms und Einbrüche durch Unternehmensinvestitionen in Anlagekapital entstehen. Steigende Investitionen verursachen einen Anstieg der allgemeinen wirtschaftlichen Aktivität und des Umsatzes, während sinkende Investitionen einen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität und einen Rückgang der Umsatzerlöse nach sich ziehen. Minsky geht davon aus, dass steigende Investitionen durch Kreditaufnahme finanziert werden, wobei die steigenden Schulden aus den Verkaufserlösen bedient werden, die Unternehmen aber, wenn die Investitionen und die daraus resultierenden Verkaufserlöse zurückgehen, in eine Schuldenkrise geraten können. Die Krise ist dann der Auftakt zu einer wirtschaftlichen Rezession, möglicherweise sogar zu einer lang anhaltenden Depression.

Der mikroökonomische Teil seiner Analyse beinhaltet eine Theorie der ökonomischen Entscheidungsfindung, in der Wirtschaftssubjekte (Haushalte, Banken und Firmen) Entscheidungen nicht nur auf der Basis von Einkommen und Ausgaben, wie in der konventionellen mikroökonomischen Analyse postuliert, sondern auch unter Berücksichtigung ihrer Bilanzen vornehmen. Minsky erkannte, dass Kredite nicht nur mit dem Verkauf von Waren, sondern auch mit dem Verkauf von Vermögenswerten oder der Aufnahme von Krediten zusammenhängen.

Eine Bilanz stellt für Minsky eine Menge von datierten finanziellen Verpflichtungen (Verbindlichkeiten) und Forderungen (Vermögenswerte) dar. Die Passivseite einer Bilanz repräsentiert die Finanzierung der Aktivseite. Beide Seiten sind zusammen das, was Minsky eine Finanzierungsstruktur nennt. Es könnte zum Beispiel eine Hedge-Finanzierungsstruktur sein, nämlich genau dann, wenn die Einkommen aus den Vermögenswerten die finanziellen Verpflichtungen jederzeit abdecken, oder es kann sich um eine spekulative Finanzierungsstruktur handeln, wenn die Einkommen zeitweise hinter den Verpflichtungen zurückbleiben, aber insgesamt diese Verpflichtungen doch abdecken. Oder es handelt sich um die berühmte Ponzi-Finanzierungsstruktur,, wenn die Einnahmen insgesamt die Verpflichtungen nicht mehr decken, sodass die Unternehmen am Ende mit wachsenden Verbindlichkeiten im Verhältnis zu den Vermögenswerten dastehen. Finanzielle Fragilität ist laut Minsky durch sich verschlechternden Finanzierungsstrukturen gekennzeichnet, wobei Hedge-Finanzierungen zu spekulativen und spekulative Finanzierungen zu einer Ponzi-Finanzierung führen. Für Minsky sind allerdings Unternehmensinvestitionen immer spekulativ, es sei denn, sie werden vollständig aus den Reserven der Unternehmen oder der internen Finanzierung geleistet. Aber letztendlich belieben die Investitionen entscheidend, weil sie den Umsatz generieren und auf diese Weise die Liquidität in den Bilanzen zirkulieren lassen, insofern die Bilanzen in der Wirtschaft eine Schwelle festlegen, die Unternehmensinvestitionen erreichen müssen, um die erwarteten Zahlungen auf die Verbindlichkeiten zu sichern. Wenn die Investitionen unter diesen Schwellenwert fallen, dann verschlechtern sich die Bilanzen als Vorboten einer Finanzkrise.

Die Hypothese der finanziellen Instabilität versucht aber letztendlich zu erklären, dass Finanzkrisen aufgrund unzureichender Unternehmensinvestitionen ausbrechen und nicht wegen interdependenter Bilanzen. Dabei gibt es laut Toporowski zwei Komplikationen, die auf Ungereimtheiten in Minskys Analyse hinweisen. Die erste ist die Frage der Eigenkapitalfinanzierung. Dies ist nach Minskys Ansicht nach eine klassische Form der Hedge-Finanzierung, da finanzielle Verpflichtungen von angemessenen Betriebsgewinnen abhängig sind. Aber die letzten Booms zeigen eher eine Tendenz zur Equity-Finanzierung. Eine zweite Komplikation liegt in der Existenz von Einlagen, die das Gegenstück der Kreditaufnahme zur Finanzierung von Investitionen sind.

Toporowski wendet gegen Minsky weiter ein, dass Minsky nur Unternehmen berücksichtigt, die in nennenswertem Umfang investieren und auf den Märkten für langfristige Schulden und Aktien agieren. Allerdings gäbe es in jedem Land ein großes Segment von kleinen und mittleren Unternehmen, die den Großteil der Beschäftigung im privaten Sektor stellten. Minskys Analyse würde jedoch suggerieren, dass dieser Sektor nicht existiere. Außerdem haben kleine und mittlere Unternehmen nur relativ eingeschränkten Zugang zu Fremdkapital.

Toporowski weist weiter darauf hin, dass der Fall der Asset-Preise, die zu finanziellen Krisen führen, schon auf Theorien wie die von John Stuart Mill zurückgehen, nichtsdestotrotz aber ein wichtiges Element zur Erklärung von Finanzkrisen bleiben. Die meisten Kommentatoren von Minskys Theorie behandeln nur seine Taxonomie von Finanzierungsstrukturen, d.h. seine Vorstellung, dass Bilanzen ‘spekulativ’ oder ‘Ponzi’ sind, je nachdem, ob die Erträge aus Vermögenswerten die Zahlungsverpflichtungen der Verbindlichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt decken. Illiquidität kann auf den Finanzmärkten zu erzwungenen Verkäufen von Vermögenswerten und zu einem Rückgang der Werte von Vermögenswerten und Sicherheiten führen, sodass sich die Finanzierungsstrukturen verschlechtern. Eine zweite mögliche Ursache für sich verschlechternde Finanzierungsstrukturen sind politische Strategien. Hier ist die Politik der Zentralbank entscheidend, wobei Minsky selbst argumentiert, dass knappes Geld und höhere Zinssätze zu einer Verschlechterung der Finanzierungsstrukturen und Krisen führen. Davon sind wir heute jedoch weit entfernt.

Seit der Finanzkrise von 2008 sprechen besimmte Interpretationen von Minskys Theorie davon, dass das finanzielle Risiko exogen ist und den einzelnen Agenten bekannt sein könnte. Es ist dann gerade die staatliche Politik zur Stabilisierung des Finanzsystems, die die Institutionen, insbesondere die Banken, zu einem risikoreichen Verhalten veranlasst, ihre Kreditausgabe auszuweiten. Die Stabilität ist dann wiederum destabilisierend, wie Minsky sagt, weil die Institutionen ihre Bestände an liquiden Mitteln in dem Glauben reduzieren, dass die Regierung oder die Zentralbanken schon Liquidität bereitstellen und die Zinsen senken, um eine weitere Krise zu verhindern. Für Minsky sind es jedoch letztendlich die kapitalistischen Ausgaben für Investitionsgüter, die zu Profiten führen und damit die Fähigkeit der Unternehmen bestimmen, Schulden zu begleichen. Die inhärente Instabilität des Kapitalis ist laut Minsky also auf die Art und Weise zurückzuführen, wie Profite von Investitionen abhängen.

Dies führt laut Toporowski zum zweiten Fehler in einigen Interpretationen von Minsky. Es werden exogene Risiken postuliert, die von gewinnmaximierenden Institutionen (in der Regel Banken) zum Zwecke der Gewinnmaximierung eingegangen werden. Aber, wie Minsky deutlich macht, so richtigerweise Toporowski, sind diese Risiken nicht exogen, sondern endogen. Die Zahlungsströme, die Kapitalvermögen, Schuldenstrukturen und Geschäftsstile validieren, resultieren aus Investitionen, Staatsdefiziten, Handelsbilanzüberschüssen und dem Konsum aus Einkommen. Ein Rückgang in der Summe von Investitionen, Staatsdefizit, Handelsbilanzüberschuss und Konsum aus Löhnen und Gewinnen, vermindert die validierenden Geldflüsse. Es ist laut Minsky die Höhe der Investitionen (und des Haushaltsdefizits und des Handelsbilanzüberschusses) im Verhältnis zu den Schuldenstrukturen, die aus früheren Perioden geerbt wurden, welche die Risikobereitschaft bestimmt. Ab einem bestimmten Niveau sind die Schuldenstrukturen abgesichert. Unterhalb dieses Niveaus entstehen Probleme in der Wirtschaft mit Schuldenverpflichtungen. Für Toporowski besteht ein merkwürdiges Merkmal der Interpretationen von Minsky im Fehlen einer Diskussion über die Rolle, die der Rückgang der Unternehmensinvestitionen in der Krise spielt. Man könnte auch sagen, es fehlt eine Diskussion über die Profitraten der Unternehmen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Zunächst ist Folgendes zu sagen: Die Marxsche Geldkapitaltheorie impliziert eine Umkehrung der postkeynesianischen These über den endogenen Charakter des Geldes: Die Geldschöpfung und -zirkulation ist nicht endogen innerhalb des Prozesses der Warenproduktion und -zirkulation, sondern im Gegenteil, die Warenproduktion und -zirkulation ist endogen innerhalb des gesamten Kreislaufs des Geldes, dessen Bewegung durch seine Funktion als Kapital bestimmt wird. Zudem müssen alle Vorstellungen von der Dichotomie zwischen ‘realer’ Wirtschaft und Geld aufgegeben werden. Die Warenproduktion und -zirkulation ist als ein Moment (sowohl strukturell als auch zeitlich) des gesamten Kreislaufs des Geldkapitals zu begreifen. Die Tatsache, dass die Warenproduktion und -zirkulation das entscheidende Moment der kapitalistischen Produktionsverhältnisse (Abpumpen des Mehrwerts) darstellt, ändert nichts an der aufgestellten These: “Diese Geldzirkulation führt ihrerseits zum Kapital, kann also nur auf der Grundlage des Kapitals voll entwickelt werden, wie überhaupt nur auf dieser Grundlage die Zirkulation alle Momente der Produktion ergreifen kann” (Marx). Wie Marx zeigt, muss die These von der Endogenität des Geldes für alle Formen des Geldes gelten. Man muss natürlich bedenken, dass die private Kreditschöpfung (die Ausweitung des Kredits) unter Bedingungen stattfindet, die die erweiterte Reproduktion des Kapitals in einem bestimmten Umfang ermöglichen.

In diesem theoretischen Rahmen ist es leicht zu verstehen, warum die staatlichen Geldbehörden weder die dominierende Rolle spielen noch eine Instanz außerhalb der endogenen Geldschöpfung darstellen. Es handelt sich weder um ein Geldangebot, das die Geldnachfrage in ein Gleichgewicht zwingt, noch um eine Geldnachfrage, an die sich ein von außen gesteuertes Geldangebot anpassen muss. Geld ist die “Vergegenständlichung” des Kapitalverhältnisses (die Verkörperung des sich selbst vermehrenden Werts) und das Vehikel seiner erweiterten Reproduktion.

Für die Marx`sche Theorie des Kredits sind folgende Punkte essenziell:

Mit der Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaftsbeziehungen wird der Kredit wesentlich. Die Kapitalakkumulation muss sich daher auf Kreditbeziehungen stützen. Das Kapital inhäriert also nicht nur Geldwirtschaft, sondern vor allem Kreditwirtschaft. Das Ausmaß des Kredits wiederum hängt vom ökonomischen Entwicklungsstand des betrachteten Landes ab, der durch Kreditbeziehungen beeinflusst werden kann. Da der Kredit in einer kapitalistischen Wirtschaft wesentlich ist, besteht die Möglichkeit, dass Finanzkrisen ausbrechen, unabhängig vom Auftreten einer wirtschaftlichen Überproduktionskrise. Eine expansive Kreditpolitik kann jedoch eine Finanzkrise schon im Ansatz mildern. Die oben dargestellten Thesen sind durchaus relevant für die gegenwärtigen Diskussionen und Kontroversen um die Theorie des Geldes, des Kredits und der Krisen. Sie bilden einen Ausgangspunkt für eine marxistische Theorie des Kreditsystems im Rahmen der kapitalistischen erweiterten Reproduktion.

In diesem Zusammenhang stellen Kredit und Finanzen (all die sekundären Marker von Anleihen, Wertpapieren, Derivaten usw.) keine isolierte Sphäre der “Spekulation” dar, ein kasinoähnliches “Nullsummenspiel” einiger “Spekulanten”, die die Antipoden des “produktiven Kapitals” sind. Spekulation ist ein Moment, das allen kapitalistischen Wirtschaftsformen und -beziehungen innewohnt. Die neoklassische Dichotomie “Realwirtschaft” vs. “monetäre Sphäre” darf nicht durch eine vermeintliche Dichotomie “produktiv-kapitalistische Sphäre” vs. “spekulative Sphäre” ersetzt werden. Kredit und Finanzen sind ein notwendiges Moment des Gesamtkreislaufs des Geldkapitals.

Teil 1 hier, Teil 2 hier

,

Nach oben scrollen